Kommentar Parlamentswahlen Ukraine: Demokratie muss warten
Vieles war bei den Parlamentswahlen in der Ukraine wie gewohnt. Dennoch geht das Anti-Janukowitsch-Lager gestärkt aus dieser Wahl hervor.
D er Ausgang der Parlamentswahlen in der Ukraine ist in vielerlei Hinsicht ein Déjà-vu: Das gilt für den Sieg der regierenden Partei von Staatspräsident Wiktor Janukowitsch. Das gilt dafür, dass seine „Partei der Regionen“ erwartungsgemäß in den östlichen russischsprachigen Teilen des Landes und auf der Halbinsel Krim punkten konnte. Und das gilt auch für zahlreiche Manipulationen sowohl während des Wahlkampfes als auch am Tag der Abstimmung selbst.
Auch dieses Mal wurde wieder das gesamte, auch aus anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion sattsam bekannte Programm abgespult: Einschüchterung von Oppositionspolitikern und Wählern, Behinderung der Berichterstattung regierungskritischer Medien, Stimmenkauf sowie einseitige Besetzung der Wahlkommissionen. Und ein nicht unerheblicher Teil der sogenannten unabhängigen Direktkandidaten dürfte – gegen Zahlung einer entsprechenden finanziellen Motivationshilfe – noch in das Regierungslager wechseln.
Der Einzug der nationalistischen Partei Swoboda in das Parlament verweist zudem einmal mehr auf eine Tendenz, die für die Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit charakteristisch ist und sich künftig noch verstärken könnte: eine tiefe Spaltung des Landes zwischen Ost und West.
leitet das Auslands-Ressort der taz und ist Redakteurin mit dem Schwerpunkt Osteuropa.
Also alles so wie immer? Nicht ganz. Zwar haben die Oppositionsparteien Batkiwschtschyna (Vaterland) der inhaftierten ehemaligen Regierungschefin Julia Timoschenko und Udar (Schlag) unter Vitali Klitschko erneut Chancen verspielt, weil sie sich in nur wenigen Fällen auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen konnten. Dennoch geht das Anti-Janukowitsch-Lager gestärkt aus dieser Wahl hervor.
Nicht zuletzt dem Boxprofi und Politikneuling Vitali Klitschko, der einen proeuropäischen Kurs fährt und gegen Korruption und Vetternwirtschaft zu Felde ziehen will, ist einiges zuzutrauen. Er könnte zum Motor einer Opposition werden, die diesen Namen auch verdient. Das wäre ein Schritt in Richtung Demokratie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten