piwik no script img

Kommentar ParaguayUnsere Freunde, die Putschisten

Kommentar von Gerhard Dilger

Der Besuch von Bundesminister Dirk Niebel unmittelbar nach dem Putsch in Paraguay ist skandalös. Damit schlägt sich die FDP erneut auf die Seite korrupter Eliten.

W as sich Dirk Niebel in Asunción erlaubt hat, ist ein Skandal. Obwohl am Freitag der Parlamentsputsch gegen Präsident Fernando Lugo in vollem Gang war, hielt der Entwicklungsminister an seiner geplanten Reise nach Paraguay fest und ließ sich von Lugos illegitimem Nachfolger Federico Franco empfangen.

Was von den Regierungen Südamerikas als klarer Verstoß gegen die demokratische Ordnung verurteilt wurde, bekam Niebels Segen. Dass er damit in einer Reihe mit Spaniens rechter Regierung und dem Vatikan steht, macht es nicht besser.

Die Absetzung Lugos stellt nach dem gescheiterten Putschversuch gegen Hugo Chávez 2002 und dem Säbelrasseln gegen Rafael Correa 2010 einen für Südamerika höchst gefährlichen Präzedenzfall dar. Doch Niebel will zur Tagesordnung übergehen, als handle es sich um ein Misstrauensvotum in einer westeuropäischen Demokratie.

Bild: taz
GERHARD DILGER

ist Südamerikakorrespondent der taz.

Seine Empfehlungen, „mit einer Politik der ausgestreckten Hand“ um Vertrauen zu werben oder gar „die Landreformen fortzusetzen“, muss jedem Kenner des Landes als blanker Hohn erscheinen. Franco hat in den letzten Jahren genau das Gegenteil getan und mit aller Macht den Keil in Lugos Bündnis mit den Liberalen getrieben. Er ist ein Vertreter jener korrupten Oligarchie, die gerade in der Landfrage die bescheidensten Reformbemühungen des konzilianten Kirchenmannes Lugo torpediert hat.

2009 begrüßten die Friedrich-Naumann-Stiftung und hochrangige FDP-Politiker den Putsch gegen den gewählten sozialliberalen Präsidenten Manuel Zelaya in Honduras. Nun fällt der Entwicklungsminister in Paraguay einem weiteren gemäßigten Linkspolitiker in den Rücken und schlägt sich auf die Seite von alteingesessenen korrupten Eliten. Im Vergleich dazu ist die Affäre um Niebels Afghanen-Teppich eine Lappalie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • JM
    Jaime Moeller

    Zum Jahrestag des Putsches in Venezuela, lesen Sie meine Arbeit:

    Hugo Chávez: Der Putsch und andere Mythen

    http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/195707.html

  • TE
    T. Eichinger

    Ich wundere mich wirklich was hier dem Leser als Putsch verkauft werden soll und wie billig der Kommentator versucht eine Skandalisierung völlig unscheinbarer Vorgänge vorzunehmen: Wenn in einer repräsentativen Demokratie die Exekutive nicht mehr das Vertrauen der Legislative besitzt kommt es augrund sinnvoller "Checks and Balances" zu einem Machtverlust der Regierung. Das ist im Kern Ausdruck demokratischer Meinungsbildungsprozesse. Ich halte es für dreist und typisch für unser Land, dass man hierzulande glaubt anderen Staaten ihre politischen Realitäten erklären zu müssen. Wer eine Abstimmung über seine Absetzung mit 80:1 unter den Abgeordneten und 45:6 bei den Senatoren verliert, der hat das demokratische Spiel verloren und muss gehen. Bei uns wäre das im Übrigen nicht anders.

  • UH
    Udo Henn

    Herr Niebel ist ein kluger Mann, denn er hat erkannt, dass man sich ohne sehr wichtigen Grund nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Laender einmischt, und dass man besser kooperiert als sich in den Schmollwinkel zurueckzuziehen.

  • B
    buscandoamerica

    Danke für den Kommentar! in Deutschland hat man leider kein geschichtliches Gewissen über die Machtspiele, an denen unser Land beteiligt war und ist, aber hier unten sind soclhe Spiele fúr viele Leute ein grosses Drama, weil sie am nächsten Tag die Arbeit verlieren oder nichts mehr zu Essen haben.

    Verständlich, dass man das in Deutschland nicht versteht, deswegen bin ich sehr dankbar für einen guten Kommentar, der gegen die Meinung der grossen Medien in Deutschland geht (was nur deren Mitwissenschaft bezeugt).

  • A
    Alex

    Nun mal Butter bei die Fische: Nach der Verfassung von Paraguay, so wie die englische Wikipedia beschreibt (ich kann kein Spanisch), kann die Legislative den Präsidenten absetzen - und das erst seit 1992. Diese Möglichkeit gibt es in allen mir bekannten Verfassungen, die ein Präsendentenregime etablieren.

     

    Wo liegt also hier das Problem? Seit wann ist ein Impeachment - das immer ein "politischer Gerichtsprozess" ist - ein Putsch? Zumal es hier ja einen Anlass gab.

  • M
    Macondo

    Inzwischen werden immer mehr Details über die Verwicklung des amerikanischen Gentechnikmultis Monsanto in die Vorbereitung und Finanzierung des Parlamentsputsches bekannt. Mit der Machtübernahme tritt Monsanto in die Fußstapfen der United Fruit Company und kann für sich in Anspruch nehmen, als erstes Gentechnikunternehmen eine demokratisch gewählte Regierung beseitigt zu haben. Daß Herr Niebel als erklärter Gentechnik-Lobbyist ("natürlich bin ich für die verantwortbare Nutzung der Grünen Gentechnik") hier ungeschminkt Partei ergreift, ist nur konsequent. Ob da diesmal mehr als ein lausiger Teppich rausspringt?

  • DD
    Der Ding

    ... die Tatsache, dass ein Mensch mit dem charakterlichen Format eines Dirk Niebel zum Entwicklungsminister ernannt wurde, ist der eigentliche Skandal.

    Alles darauf folgende sind die erwartbaren Konsequenzen einer solchen Entscheidung gewesen.

  • R
    Rick.S

    Ich gehe inzwischen davon aus, dass solche "kleinen" Skandälchen in der Regel als einzige realistische Rücktrittsmöchlichkeit verstanden werden, um viel größere Misstaten verdorbener Politiker zu bestrafen oder abzuwenden. Das haben wir auch bei den Plagiatsaffären gesehen. Es kam zumindest so vor, bei Gutenberg verstanden die meisten nicht-Akademiker die Tragweite nicht, dass die Meinung galt: "Na und? Den Job kann er auch ohne Dr.-Titel". In diesem Fall hatte man als Strafe

    tatsächlich jemanden nach Brüssel befördert, wie bei unerwünschten Nationalpolitikern in der EU üblich, der sogar seine Kollegen verpetzte und schelcht macht und sich daneben dezent besser plaziert. Jemanden ohne jegliche Kompetenz für irgendwas, sein einziger Job besatnd darin sein Familienvermögen zu "verwalten". Auf dieser Grundlage wurde er zum Finanzminister. Ich "verwalte" mein Vermögen effizienter behaupte ich mal, da er zwei Angestellte brauchte. Aus den geleakten Depeschen wissen wir, dass er den Amerikanern mehr als gefällig ist. Abgesehen davon, dass er freiwillig und großzügig sein Wissen gern mit US-Diplomaten teilt, dafür ist er extra häufig in der US-Botschaft, verpetzt in dieser US-Botschaft seine eigenen Leute. Dafür ist ihm dann aber auch ein Exil und eine Rundum-Imageerneuerung bei seinen Freunden aus Übersee gerantiert, in Notfällen. Diese typischen Skandälchen, wo jeder normale Bürger per Gesetz Strafe zu erwarten hat, ist die Hebelwirkung. Und wie wir beobachten, handeln diese Personen auch systematisch. Die "kleinen" Vergehen sind system-/persönlichketsbedingt Also bitte: Weiterhin öffentliche Hetz betreiben, ihnen die Lust an Politik verderben.

  • S
    Stefan

    soso, die fdp auf der seite korrupter eliten! sachen gibt's!

  • AM
    Antón Montesino

    In der Presseerklärung des BMZ zum Besuch von Niebel beim de-facto-Präsidenten heißt es: "die Bildungskooperation der Heidelberger SRH Fachhochschule mit dem paraguayischen Industrieverband (hat) die Rückendeckung der neuen Regierung."

    Welche Firmen verbergen sich hinter dieser Erklärung?

  • GK
    Genosse Kim

    Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Trittin und sonstige Freunde der Demokratie und der Menschenrechte hatten ebenso kein Problem als Freunde die chinesischen Kommunisten zu besuchen. Kein problem für die taz. Man hat ja noch des Mao-Poster im Keller. Es kommt eben darauf an welchen Diktator man besucht.

  • S
    Stimmvieh

    Ja, es ist ein Skandal, und, ja, es ist nicht das erste Mal, dass die FDP in ihrer politischen Haltung zu gewissen lateinamerikanischen Regierungen unangenehm auffällt.

    Aber man sollte an der Stelle auch darauf hinweisen, dass Frau Merkel als Kanzlerin in unserer Regierung die Richtlinienkompetenz hat und Herrn Franco als den Usurpator bezeichnen könnte, der er ist. Von Frau Merkel - oder irgend jemand sonst aus der Union - war aber bislang kein Wort der Kritik an dem Putsch zu hören, im Gegenteil, Franco wurde als neues Staatsoberhaupt von Deutschland anerkannt.

    Auf Herrn Niebel herum zu hacken macht natürlich Spaß, auch weil der es einem so einfach macht, aber in diesem Fall hätte unsere gesamte Bundesregierung verbale Dresche verdient.

  • M
    molto

    Bei Niebel wundert mich wirklich gar nichts mehr...

    Schon ironisch genug, dass jemand Minister wird, der vorher sein nun eigenes Ministerium abschaffen wollte. Wenn er aber schon mal Minister ist, dann hat er weningstens die entsprechenden Interessen zu vertreten (denkt man). Ganz FDP Mann vertritt er stattdessen die Interessen der Großindustrie. Das Öl im Boden lassen um den Regenwald und seine tierischen und menschlichen Bewohner zu erhalten (von CO2-Einsparungen ganz zu schweigen)? Wo kommen wir denn dahin? Land den landlosen Kleinbauern zurück geben? Also bitte! Soja ist gleich Saatgut-Industrie, Düngemittel-Industrie, Pestizid-Industie, Tierzucht-Industrie, Supermärkte... Und wahnwitzige EU-Vorgaben zu Biosprit gibt es ja nun auch. Das geht eben vor. Wer denkt da noch an Teppiche...

     

    Ich finde das alles wirklich verdammt traurig. Und dramatisch. Man fragt sich wer da die Politik macht.

     

    Nicht dass ich glaube es würde besonders viel ändern, aber: Treten Sie zurück Herr Niebel!

  • DG
    Dirk Gober

    Nicht zu vergessen die taz und ihre Leserschaft, die südamerikanische "Führer"-Kopien wie Chavez und Morales vergöttert, nur weil diese sich links nennen, von Gleichheit lügen, in Wirklichkeit aber als lupenreine Faschisten ihren Ländern die Demokratie entziehen, während sie sich hemmungslos persönlich bereichern.

    So doppelmoralisch und spießig wie die heutigen Linken war nicht einmal die Generation der Eltenr der 69-er-Salonkommunisten.

  • T
    Tim

    Also ernsthaft, dass sich die FDP *ERNEUT* auf die Seite der korrupten Eliten stellt ist ja wohl unfreiwillig komisch. Die machen das ununterbrochen.

  • V
    vic

    Das überrascht mich nicht.

    Die deutsche Kleinpartei FDP IST eine korrupte Elite, und zur Person Niebel- Kommentar überflüssig.

  • AB
    Arturo Blatezky

    Die Haltung von Minister Niebel (und der Bundesrepublik) ist ein Skandal, aber wundert uns hier in Lateinamerika nicht: Was kann man von diesem treuen NATO-Partner anderes erwarten, wo die USA seit Jahren Lugo, Morales, Correa, Chaves -und sogar Cristina und Dilma- als neue "Achse des Bösen" verteufelt und immer wieder Putschversuche (in Venezuela, Bolivien, Ekuador) angezettelt (und in Honduras erfolgreich durchgeführt) hat, und nie eine Klage dagegen oder eine Infragestellung der NATO-Mitgliedschaft aus Berlin zu hören war?

    Vielleicht sollte man sich in Deutschland einmal ernsthaft fragen, was denn dort unter "Entwicklung" (und Entwicklungsministerium) verstanden wird, und ob eine wirkliche "Entwicklung" unserer Länder im Süden unter dem Zeichen des kapitalistischen Systems (das vom Norden beherrscht wird und nur dem Norden dient) denkbar ist?

     

    Pastor Dr. Arturo Blatezky - Leiter der Ökumenischen Menschenrechtsbewegung in Argentinien

  • AM
    Antón Montesino

    Die Eile, mit der Niebel dem de-fact-Präsidenten seine Glückwünsche zum Staatstreich aussprach, wirft Fragen auf:

    War die Friedrich-Naumann-Stiftung am Putsch beteiligt?

    War der BND am Putsch beteiligt?

    Wie teuer kommt der Putsch dem deutschen Steuerzahler?

  • FD
    flüchtling des merkel-regime

    Ich kann die Aufregung nicht verstehen,

    ist doch business as usual - schwarz-geld bei der arbeit.

    Von dem Merkel-Regime ist in punkto demokratie-verständis nicht mehr zu erwarten als vom schröder-regime bezüglich putin-russland.

  • PH
    Peter Heinrich

    Herr Dilger trifft den Nagel auf den Kopf. Es ist wirklich eine Schande, was Dirk Niebel sich erlaubt hat. Das paraguayische Volk hat stets große Hochachtung vor der in Deutschland praktizierten Demokratie empfunden. Und nun das. Ausgerechnet Deutschland zeigt Sympatie für diesen Putsch, so empfimdet es das hiesige Volk und reibt sich verwundert die Augen.

    Der Zusammenstoß zwischen polisten und protestierenden landlosen Bauern ist nur ein vorgeschobener Grund für den Umsturz. Die Wahrheit ist, dass sowohl die Colorado-Partei als auch die PLRA für den bevorstehenden Wahlkampf 50 Milionen US-Dollar aus der Staatskasse haben wollten, was ihnen der Expräsident verweigert hatte. Deshalb musste er beseitigt werden.

    Inzwischen bitte der neue Präsident den bisherigen Präsidenten behilflich zu sein, den entstandenen Imageschaden zu reparieren.

     

    Peter Heinrich

    Paraguay