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Kommentar PapstHoffnung auf eine neue Kirche

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

„Papa Francesco“ weckt Erwartungen: Auf radikale Politik für die Entrechteten und auf Reformen. Aber in und an Rom sind schon viele gescheitert.

Die Begeisterung über „Papa Francesco“ ist groß. Buenos Aires. Bild: ap

D er heilige Geist, weht wo er will, sagt die Bibel. Und vielleicht hat die göttliche Inspiration, die die Kardinäle bei der Wahl des Papstes erhoffen, tatsächlich nachgeholfen. Denn die Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio zum Oberhaupt der katholischen Kirche ist ein mutiger Schritt und eine große Chance für die Kirche im 21. Jahrhundert. Papst Franziskus vereint viele Hoffnungen auf sich – ob er sie erfüllen kann, wird sich erst noch zeigen.

Selten war in der katholischen Kirche so viel Neues zu verkünden: Der erste Papst, der nicht mehr aus Europa stammt (obwohl Bergoglio italienische Wurzeln und einen italienischen Pass hat) zeigt, dass die Kirche in der Globalisierung angekommen ist. Der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri zeigt, dass Realitätssinn und Effizienz in der Kirchenverwaltung gefragt sind. Und die demonstrative Bescheidenheit des Erzbischofs von Buenos Aires legt nahe, dass die Kirche besser fährt, wenn sie auf Dienstwagen und Hermelinmantel verzichtet und sich den Armen und Armgemachten verpflichtet fühlt.

Selbstverständlich ist der Mann ein Konservativer. Seine Meinungen zu Abtreibung, Verhütung und Homo-Ehe liegen ganz im harten katholischen Mainstream. Darüber hinaus kommt er aus einer Gesellschaft, die noch stark vom Katholizismus dominiert ist. Für ein besonderes Interesse an der Ökumene mit den protestantischen oder orthodoxen Christen oder etwa dem Islam ist er bisher nicht bekannt.

Bild: taz
Bernhard Pötter

ist Autor der taz und derzeit als Sonderkorrespondent in Rom.

Aber einen Kandidaten, der offen für die Rechte der Schwulen und Lesben eintritt, Frauen zu Priesterinnen weiht und das Papsttum zugunsten der protestantischen Brüder und Schwestern abschaffen will, wird man im Konklave auch nicht finden. Soviel Revolution kann man von der ältesten Organisation der Welt auch nicht mal eben so erwarten.

Wenn man das akzeptiert, lässt Papst Franziskus hoffen: Wer sich wie Bergoglio bewusst dafür entscheidet, den Gründervater eines konkurrierenden Ordens, den heiligen Franziskus von Assisi, als Namenspatron zu wählen, setzt ein Zeichen.

Versprechen und Fragezeichen

Franziskus, Sohn aus gutem Haus, der mit seiner reichen Familie bricht und sich radikal den Armen und der Umwelt zuwendet – das ist das Versprechen, das Schicksal der Entrechteten und Verarmten ernst zu nehmen und gegen die ökologische Zerstörung, die vor allem ihre Lebensgrundlagen bedroht, zu kämpfen. Die Franziskaner gelten in der katholischen Kirche als die sozialen Radikalinskis, die Jesuiten als die Macher. Wenn er diese Kombination umsetzt, könnte das für die Kirche und die Menschen in der Welt ein echter Fortschritt sein.

Bleiben zwei große Fragezeichen: Welche Rolle hat Jorge Bergoglio in Zeiten der argentinischen Militärdiktatur gespielt? Hat er wirklich Menschen verraten, die gefoltert und ermordet wurden? Die Weltpresse wird sich auf dieses Thema stürzen, das die moralische Integrität eines Papstes schwer beschädigen kann. Und: Wie weit kann Papst Franziskus mit einer dringend nötigen Reform der vatikanischen Kurie kommen – er ist kein römischer Insider und könnte wie so viele Päpste vor ihm von den Mühlen der Bürokratie langsam zermahlen werden.

Und dennoch: Die Begeisterung über „Papa Francesco“ ist groß. Die Hoffnung auf einen ehrbaren Anwalt der Armen, der mit der Autorität der Bibel gegen Krieg und für Gerechtigkeit spricht, ist riesig. Vor allem für Lateinamerika, Afrika und Asien kann Papst Franziskus das Gesicht der Kirche im 21.Jahrhundert prägen und Millionen von Menschen Orientierung und Hoffnung geben: Als Oberhaupt des einzigen Global Players im Dienst der Menschen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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16 Kommentare

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  • A
    Arne

    Also, wenn Ihr schon jemanden extra für sowas nach Rom schickt, dann nehmt wenigstens jemanden, der etwas von Kirchengeschichte weiß.

    Ich habe zwar mal Theologie studiert, habe aber mal eben nachgeguckt: Das meiste, was ich weiß, kann man sogar auf Wiki nachlesen, da braucht man keine Latinum, kein Graecum und kein Hebraeicum für.

     

    Jesuiten waren vor allen Dingen am Anfang als Bekämpfer der evangelischen Theologie tätig in Europa. Da viele protestantische Machthaber das katholische Pack nicht mehr im Land haben wollten, mussten sie sich tarnen. Wenn jemand die reaktionäre katholische Theologie vertreten will und von anderen nicht erkannt werden will, dann wird es ihm nix ausmachen, auch mal zur Tarnung auf den Namen von Franz von Assisi zurückzugreifen. Tarnung scheint ja schon gut zu klappen, wenn man diesen Kommentar liest.

     

    In Südamerika gehörte der Jesuitenorden zu den größten Sklavenhaltern. Recherchiert mal, ob es dazu von den südamerikanischen Jesuitenmission sich dafür ausreichend entschuldigt hat und wie. Mir ist dazu wenig bekannt, aber Ihr seid ja die Tageszeitung für Informationen.

     

    Besonders schön noch der Hinweis, dass die Jesuiten als "Macher" gelten. Ja, deren Motto ist bekannterweise: "Der Zweck heilligt die Mittel." Eine der widerlichsten Sätze, die von allen Ideologien zu Menschenrechtsverletzungen genutzt wurden.

    was heißt denn dann der Begriff des "Machers" da? Sollen wir wirklich hoffen, dass dieser Mensch im Vatikan aufräumt? Ja, denn pragmatisch ist er als Jesuit. Das sieht man ja an seinem Verhältnis zur Militärjunta in Argentinen.

    Okay. Papst Franziskus räumt auf. Hunderter von pädophilen und auch schwulen Kardinälen, Bischöfen und Priestern werden dann wohl bald spurlos verschwinden, der Papst legt sich bescheiden einen Kleinhubshcrauber zu, um die unliebsamen Pfaffen betäubt im Mittelmeer zu versenken. Und für die Mafiosiss der Vatikanbank gilt dann wahrscheinlich das gleiche. Der Zweck heilligt eben die Mittel. Wir müssen uns auf tausende "Haushälterinnen" von verschwundenen Priestern einstellen, die mit weißen Kopftuch und Fotos verzweifelt nach ihren bisherigen Arbeitgebern suchen werden. (In dem Zusammenhang: Hat mal jemand darüber nachgedacht, was diese Papstwahl für die Mütter, die damals gegen die Militärjunta protestierten in dieser Form die Wahl eines Papstes bedeutet, der die Junta ganz okay fand?)

     

    Aber geht mich das als Protestant was an?

    Nee, eigentlich erstmal nicht. Von mir aus können alle Hokuspokusgläubigen sich gerne von alten Säcken, wie eshier schon in der TAZ so schön hieß, Kondome, Verhütungsmittel und wasweißich verbieten lassen. Ist deren Problem.

    Mein Problem, und das geht mich eine Menge an, ist aber, dass da ein Oberhaupt ohne demokratische Legitimation gewählt wird, deren Staat in einer Wirtschaftsgemeinschaft mit Italien, einem EU-Mitglied steht, das erhebliche Steuergelder von uns erhöält. Entweder sorgt die italienische Regierung auch für Transparenz bei den Vatikanbanken oder Italien bekommt keinen müden Cent mehr aus dem Rettungsfond. Ist schon schlimm genug, dass wir für den alten Papst als pensionierten deutschen Kardinal jetzt wahrscheinlich noch Steuergelder berappen müssen.

  • E
    erich77

    Bei einer neuen Regierung wartet man üblicherweise 100 Tage, um zu sehen, was von den "Wahlversprechen" angepackt oder gar umgesetzt wird.

    Wir sollten auch einem neuen Papst diese Frist zugestehen.

    Einige bitterböse Kommentare schmerzen mich, obwohl ich aus der rk Kirche "ausgetreten" bin.

  • C
    Christoph

    Ob Franziskus' "Meinungen zu Abtreibung, Verhütung und Homo-Ehe" (...) "im harten katholischen Mainstream liegen", entscheidet nicht er, sondern der Mainstream. Und der ist wesentlich undogmatischer, als es sich Papstfreunde und -feinde zurechtlegen mögen.

  • V
    Victor

    Weichgespült, Herr Pötter. Die katholische Kirche und ihre Haltung zu Abtreibung, Verhütung, Aids und Homosexualität sind nicht akzeptabel. Der Rest ist eine Medieninszenierung.

  • T
    Teermaschine

    "Allah hat und den Papst geschenkt!"

     

    Vermutlich war das dieser Tage der meist geäußerte Stoßseufzer in deutschen Redaktionsstuben - Nicht auszudenken, worüber man sonst hätte berichten müssen.

  • T
    T.V.

    Lasst uns Komasaufen für den Papst!

  • I
    ion

    Ich glaub 's nicht! Die taz schmeißt mit Kohle um sich, um einen eigenen "Sonderkorrespondenten" nach Rom zu senden?!

     

    Und dann ist das Ergebnis nichts als grottenabergläubige, manipulative Ramschware – da ist vergleichsweise selbst Yücels’ sprachlich äztender Kommentar den faktischen Realitäten näher und insofern auch informativer.

    Soll das Satire sein(‽): "Als Oberhaupt des einzigen Global Players im Dienst der Menschen."

  • C
    Chesterfield

    Na bitte mal nicht zu viele Vorschusslorbeeren.Warten eir mal die Rückseite der Medaille ab.Auch ei Franziskus kocht nur mit Wasser.

  • A
    Alba

    Ich denke man kann immer nur zwischen dem auswaehlen, was zur Wahl steht. In diesem Round, und nachdem Papst Johannes Paul II den konservativen Stroemungen in der katholische Kirche die unbedingte Vorherrschaft eingeraeumt hat, war das die beste Wahl, die uns passieren konnte. Ich jedenfalls war erleichtert, immer besser als Scola oder Bertone oder einer dieser US Katholiken.

  • H
    habnix

    @ Thomas H, bravo!!!

     

    Anscheinend fallen immer mehr Mitbürger auf die große PR-Aktion names Kirche herein. Ganz schlimm ist die Hofberichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Kirche, nicht Glaube, ist nur ein ganz kleiner Teil des Lebens in Deutschland. Warum dieser Pomp und diese Unterwürfigkeit für ein eher menschenverachtendes System?

  • TH
    Thomas H

    "Der in der vergangenen Woche gestorbene venezolanische Staatschef Hugo Chávez hat bei Gott möglicherweise ein gutes Wort für den argentinischen Kardinal Bergoglio eingelegt, der zum neuen Papst gewählt wurde - davon ist zumindest Venezuelas Interims-Präsident Nicolás Maduro überzeugt.

     

    „Wir wissen, dass unser Comandante (Chávez) in diese Höhen aufgestiegen ist und Christus gegenübersteht“, sagte Maduro am Mittwoch in Caracas nach Angaben venezolanischer Medien. Er mutmaßte, dass Chávez die Papstwahl beeinflusst habe, damit ein Südamerikaner Papst werde."

     

    Quelle:

    http://de.rian.ru/politics/20130314/265725792.html

     

    Jetzt mal ehrlich, Leute:

     

    Bei solchen Linken braucht es keine Rechten mehr!

     

    ;-)

  • TH
    Thomas H

    Hallo?

     

    taz?

     

    Jemand zu Hause?

     

    Bergoglio ist bekannt als ein erzreaktionärer Konservativer und als ein entschiedener Gegner von innerkirchlichen Reformen!

    Es wird daher mit diesem einstigen Anhänger und Mittäter der faschistischen Militärjunta keine tatsächliche "Erneuerung der Kirche" geben!

     

    Allenfalls wird Bergoglio als Papst weiter an seinem verlogenen Image als "Mann der Armen" stricken und dazu ein paar Potemkinsche Dörfer in Form einiger Pseudo-Reförmchen verkünden, zwecks wohlkalkulierter Aufhübschung seines Ansehens.

     

    Der Erzkonservative Bergoglio wird als Papst natürlich den Einfluss der konservativsten und rückwärtsgewandtesten Kräfte innerhalb des Klerus stärken, die größtenteils aus Lateinamerika, von den Philippinen und aus Afrika kommen.

     

    Wenn dies dann von den Bauchlinken hier vorfreudig und faktenresistent als 'Öffnung der Kirche hin zur 3.Welt' fehlinterpretiert und gefeiert werden wird, dann wäre das lediglich ein weiterer Beweis für die Unwissenheit und Dummheit der meisten Linken hier in Deutschland, die zwar faktisch von nüscht 'ne Ahnung haben, aber dafür zu allem stets 'ne starke Meinung.

     

    Traurig, aber leider wahr.

  • IN
    Ihr Name hmhm

    @jiri:

     

    es muss doch rechtfertigt werden, dass da jemand extra nach rom geschickt wird auf redaktionskosten.

     

    ich mein, das leben ,muss sich doch irgendwie lohnen, wenns sonst schon nicht so schee is.

  • UZ
    und zu

    In der Belanglosigkeit? Nein, in der Hofberichterstattung!

     

    Und überhaupt! Google Inc. hat in zwei Jahrzehnten mehr für die Menschen getan, als die katholische Kirche in zwei Jahrtausenden.

  • C
    Celsus

    Hoffnung auf eine neue Kirche? Wenn ich da an die Maßstäbe der taz denke, sehe ich eine bittere Enttäuschung voraus. Sicher wird es eine neue Kriche geben. Aber das wird genau in die andere Richtung gehen, als die von der taz gewünschte Richtung.

  • J
    Jiri

    jawohl, die taz ist in der Belanglosigkeit angelangt.