Kommentar Papst: Hoffnung auf eine neue Kirche
„Papa Francesco“ weckt Erwartungen: Auf radikale Politik für die Entrechteten und auf Reformen. Aber in und an Rom sind schon viele gescheitert.
D er heilige Geist, weht wo er will, sagt die Bibel. Und vielleicht hat die göttliche Inspiration, die die Kardinäle bei der Wahl des Papstes erhoffen, tatsächlich nachgeholfen. Denn die Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio zum Oberhaupt der katholischen Kirche ist ein mutiger Schritt und eine große Chance für die Kirche im 21. Jahrhundert. Papst Franziskus vereint viele Hoffnungen auf sich – ob er sie erfüllen kann, wird sich erst noch zeigen.
Selten war in der katholischen Kirche so viel Neues zu verkünden: Der erste Papst, der nicht mehr aus Europa stammt (obwohl Bergoglio italienische Wurzeln und einen italienischen Pass hat) zeigt, dass die Kirche in der Globalisierung angekommen ist. Der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri zeigt, dass Realitätssinn und Effizienz in der Kirchenverwaltung gefragt sind. Und die demonstrative Bescheidenheit des Erzbischofs von Buenos Aires legt nahe, dass die Kirche besser fährt, wenn sie auf Dienstwagen und Hermelinmantel verzichtet und sich den Armen und Armgemachten verpflichtet fühlt.
Selbstverständlich ist der Mann ein Konservativer. Seine Meinungen zu Abtreibung, Verhütung und Homo-Ehe liegen ganz im harten katholischen Mainstream. Darüber hinaus kommt er aus einer Gesellschaft, die noch stark vom Katholizismus dominiert ist. Für ein besonderes Interesse an der Ökumene mit den protestantischen oder orthodoxen Christen oder etwa dem Islam ist er bisher nicht bekannt.
ist Autor der taz und derzeit als Sonderkorrespondent in Rom.
Aber einen Kandidaten, der offen für die Rechte der Schwulen und Lesben eintritt, Frauen zu Priesterinnen weiht und das Papsttum zugunsten der protestantischen Brüder und Schwestern abschaffen will, wird man im Konklave auch nicht finden. Soviel Revolution kann man von der ältesten Organisation der Welt auch nicht mal eben so erwarten.
Wenn man das akzeptiert, lässt Papst Franziskus hoffen: Wer sich wie Bergoglio bewusst dafür entscheidet, den Gründervater eines konkurrierenden Ordens, den heiligen Franziskus von Assisi, als Namenspatron zu wählen, setzt ein Zeichen.
Versprechen und Fragezeichen
Franziskus, Sohn aus gutem Haus, der mit seiner reichen Familie bricht und sich radikal den Armen und der Umwelt zuwendet – das ist das Versprechen, das Schicksal der Entrechteten und Verarmten ernst zu nehmen und gegen die ökologische Zerstörung, die vor allem ihre Lebensgrundlagen bedroht, zu kämpfen. Die Franziskaner gelten in der katholischen Kirche als die sozialen Radikalinskis, die Jesuiten als die Macher. Wenn er diese Kombination umsetzt, könnte das für die Kirche und die Menschen in der Welt ein echter Fortschritt sein.
Bleiben zwei große Fragezeichen: Welche Rolle hat Jorge Bergoglio in Zeiten der argentinischen Militärdiktatur gespielt? Hat er wirklich Menschen verraten, die gefoltert und ermordet wurden? Die Weltpresse wird sich auf dieses Thema stürzen, das die moralische Integrität eines Papstes schwer beschädigen kann. Und: Wie weit kann Papst Franziskus mit einer dringend nötigen Reform der vatikanischen Kurie kommen – er ist kein römischer Insider und könnte wie so viele Päpste vor ihm von den Mühlen der Bürokratie langsam zermahlen werden.
Und dennoch: Die Begeisterung über „Papa Francesco“ ist groß. Die Hoffnung auf einen ehrbaren Anwalt der Armen, der mit der Autorität der Bibel gegen Krieg und für Gerechtigkeit spricht, ist riesig. Vor allem für Lateinamerika, Afrika und Asien kann Papst Franziskus das Gesicht der Kirche im 21.Jahrhundert prägen und Millionen von Menschen Orientierung und Hoffnung geben: Als Oberhaupt des einzigen Global Players im Dienst der Menschen.
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