Kommentar Osnabrücker Dramatikerpreis: Fördern ohne Jugendwahn
Der Osnabrücker Dramatikerpreis wäre eine richtig tolle Sache – wenn er nur auf die unnötige Altersdiskriminierung verzichten würde.
J etzt haben sie es schon wieder getan: Während das Stück des Vorjahressiegers Mario Wurmitzer eine fulminante Uraufführung feiert, schreibt das Theater Osnabrück für 2019 erneut seinen Dramatiker*innenpreis aus. Verliehen wird er alle zwei Jahre seit 2013 und die bisherigen Gewinner haben danach auch am Burgtheater und am Schauspielhaus Bochum reüssiert. Zu wissen, man hat keinen Murks ausgezeichnet ist nicht nur fürs Selbstgefühl eines Oberzentrums-Stadttheaters fein. Es zeigt auch, wie leistungsfähig man in Osnabrück ist, trotz aller Benachteiligung durch das Land.
Das ist gut gemeint und wäre schön, wenn der Preis ohne Diskriminierung auskäme. Tut er aber nicht, wie sehr viele Theater-, Literatur- und Kunstpreise: Bewerben „können sich Autor*innen […], die am 15. März 2019 nicht älter als 35 Jahre sind“, legt die Ausschreibung eine Altersgrenze fest, deren Willkür durchs exakte Datum eher betont als verborgen wird: Menschen, die am 14. März 36 werden, sollen weniger Nachwuchs sein, als diejenigen, die am 16.3. 1983 geboren sind? Lächerlich.
Der sachlichste Grund für diese Bestimmung ist ein falscher Begriff von Nachwuchs: Die Entfaltung von künstlerischem Talent ist nicht ans Alter gebunden. Manche Dichter*innen haben mit 19 ihr Gesamtwerk hinter sich, wie Arthur Rimbaud. Es gibt aber auch Dramatiker, die Stücke von bleibendem Wert schaffen, obwohl sie erst jenseits der 50 debütieren. So hat Aischylos mit erfahrungssatten Tragödien die Konkurrenz der jungen Hüpfer seinerzeit in Athen locker beiseite gefegt. Osnabrück würde ihn aussortieren.
Künstlerisch ist diese Diskriminierung falsch, moralisch daneben. Und juristisch gefährdet sie die Auszeichnungen selbst: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erlaubt Ungleichbehandlung aufgrund des Alters nur, „wenn sie objektiv und angemessen“ ist. Wer hier klagt, hat gute Chancen Recht zu kriegen und Schmerzensgeld. Für Nachwuchsförderung und -preise wäre das ein tragisches Ende.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus