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Kommentar Opel und GMOpel notfalls enteignen

Kommentar von Andreas Wyputta

Autoriese GM bettelt jetzt auch die Europäer um Milliarden an - ohne Opel aus dem Klammergriff entlassen zu wollen. Und wird Opel im Fall einer Pleite mit in den Abgrund reißen.

Angesichts der drohenden Opel-Insolvenz denkt der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Michael Sommer, über Enteignungen nach. Die seien das letzte Druckmittel des Staates, um systemrelevante Unternehmen zu retten, sagt der DGB-Chef. Für nicht systemrelevant halten Opel nur Zyniker. Mit den Schwestermarken Vauxhall und Saab ist der Autobauer ein Gigant, der europaweit 50.000 Menschen beschäftigt. Hinzu kommen mindestens 50.000 bei den Zulieferern und 120.000 bei Händlern und Werkstätten.

Doch Opels amerikanischer Mutterkonzern GM hat seine europäische Tochter über Jahre geschröpft. Heute hält Opel nicht einmal mehr die Rechte an den eigenen Patenten. Die wurden unter der Ägide des jetzigen Chefs der Europazentrale von GM, Carl-Peter Forster, schon vor Jahren abgetreten. Auf die im Gegenzug versprochenen 1,8 Milliarden Euro wartet Opel noch heute. Stattdessen fließt für jeden verkauften Opel eine Lizenzgebühr an die Zentrale in Detroit. Früher war das genau umgekehrt: Für jeden außerhalb Deutschlands verkauften Wagen gingen 5 Prozent an Opel in Rüsselsheim. Die Verluste von 2,3 Milliarden Euro, die GM in Europa ausweist, stehen also bloß auf dem Papier.

Aus Sicht der Detroiter Zentrale ist dieser buchhalterische Verlust sinnvoll: General Motors steht mit dem Rücken zur Wand, hat im vergangenen Jahr knapp 31 Milliarden Dollar Verlust gemacht, nach über 38 Milliarden im Jahr 2007. Schon seit Monaten überlebt der Konzern nur mit Hilfe aus Washington. Und GM-Europachef Forster fällt in seinem seit Tagen mit Spannung erwarteten Rettungsplan auch nicht mehr ein als der Schrei nach Staatshilfen: Europaweit 3,3 Milliarden Euro fordert er - und verspricht dafür die rechtliche Selbstständigkeit Opels.

Die aber bleibt zweifelhaft, denn auch künftig will GM 75 Prozent an Opel halten. Beschwichtigt werden soll so lediglich die Politik, die unbedingt verhindern will, dass Steuergelder aus Europa in der Detroiter Zentrale verschwinden. Dabei ist unklar, wie lange GM überhaupt noch überleben kann. Vor den Forderungen der US-Insolvenzverwalter retten könnte Opel dann nur noch eins: Verstaatlichung.

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Inlandskorrespondent
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3 Kommentare

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  • L
    Linker

    Ich staune nur noch. Mal liest man in dieser Zeitung ein "Linken-Bashing", wie man es nur von der "Bild" oder "FAZ" erwartet, dann kommt wieder so ein Murks wie "Opel verstaatlichen". Was wäre denn, wenn man Opel ganz normal Pleite gehen lässt? Rund 8000 Arbeitslose mehr, die aber nicht alle und auch nicht für ewig arbeitslos bleiben werden, vor allem nicht, wenn für das gleiche Geld, was die Rettung von Opel kosten würde, sinnvolle und moderne Techniken gefördert werden.

    Anders als von der Rettung der Banken hängt nicht das System von der Rettung von Opel ab. Es gibt noch genug andere Autohersteller in Deutschland, unter denen der Markt aufgeteilt würde. Das gilt übrigens auch für die Autohäuser, die jetzt GM-Produkte vertreiben. Müssen die halt "umschulen" beispielsweise auf den von Ihnen ja ebenfalls so verachteten, aber sehr zweckmäßigen Dacia. Oder auf Mercedes. Der Automarkt ist hierzulande nunmal kein Wachstumsmarkt mehr, es werden nur Ersatzbeschaffungen getätigt. Alle faseln zwar von besonders umweltfreundlichen Autos oder Elektroautos. Aber wie Opel damit gerettet werden kann, ohne so ein Produkt überhaupt zur Verfügung zu haben, ist mir ein Rätsel. Traurig für Bochum, die nach Nokia nun auch noch Opel verlieren. Aber deswegen Opel als teuerste ABM der Welt weiterführen wäre einfach nur Schwachsinn.

  • J
    Joshua48

    Opel wird enteignet, staatliche Fördergelder gibt es nur wenn Niedrigverbrauchsmodelle gebaut werden. Ansonsten wird Opel abgewickelt, haben wir ja Erfahrung mit Betrieben der ehemaligen DDR gesammelt. Das wäre das kostengünstigste Verfahren.

  • IN
    Ihr Name Stephan Cerny

    Die Forderung eines US Insolvenzverwalters gegenüber Opel ist nicht davon abhängig wem Opel gehört sondern nur davon ob GM die Patente hält und also Anrecht auf Lizenzgebühren hat. Ein Verstaatlichung ändert daran nichts. Wenn der deutsche Staat MS Office nutzt muss er dafür genauso Lizenzgebühren zahlen wie ein Privatunternehmen, es gibt kein Sonderrecht für Staaten Patentrechte zu verletzen. Eine Position, übrigens, die im Hinblick auf die technologielastige deutsche Wirtschaft auch von der Bundesregierung unterstützt wird.