Kommentar Notenbanken: Die Spekulanten regieren
Die Zentralbanken sind hilflos. Sie müssen sich der Macht der Devisenspekulationen beugen. Ein Ausweg ist kaum in Sicht.

V ier Billionen Dollar kreisen täglich um den Erdball, um mit Währungen zu spekulieren. Gegen diese Geldfluten sind die Notenbanken machtlos, obwohl so gern behauptet wird, sie seien „unabhängig“. Doch in Wahrheit haben längst die Spekulanten das Sagen, während die Zentralbanker Getriebene sind.
Dass längst die Spekulanten regieren, zeigte sich erneut vergangene Woche: Am Mittwoch verkündete US-Notenbank-Chef Ben Bernanke, dass er die Langfristzinsen weiter nach unten drückt. Am Freitag folgte der indische Notenbank-Chef Raghuram Rajan und ließ verlauten, dass er den indischen Leitzins auf 7,5 Prozent erhöht.
Um bei Indien zu beginnen: Es ist Wahnsinn, dass der indische Leitzins steigt, denn hohe Zinsen würgen das schwache Wachstum ab. Aber Rajan hatte gar keine Wahl. Er musste den Zins steigen lassen, um das ausländische Geld im Land zu halten. Eine panische Flucht der Spekulanten wäre für Indien sogar noch gefährlicher als miese Wachstumsraten: Die Rupie würde gänzlich abstürzen, die Inflation würde weiter steigen, und viele Unternehmen wären pleite, weil sie die Kredite nicht mehr bedienen könnten, die sie in Dollar aufgenommen haben.
Indiens neuer Zentralbankchef, der Star-Ökonom Raghuram Rajan, ist erst seit zwei Wochen im Amt und sorgt schon für den ersten Schock: Die Reserve Bank of India kündigte am Freitag an, den Leitzins um einen Viertelprozentpunkt auf 7,5 Prozent anzuheben. Damit ist klar: Rajan will die Inflation stoppen. (taz)
Den gleichen Zwängen unterliegt Bernanke – nur umgekehrt. Wenn er keinen Crash in den Schwellenländern provozieren will, muss er die US-Zinsen niedrig halten. Denn sobald diese steigen, würden die Spekulanten ihr Geld in die USA schaffen und aus der restlichen Welt abziehen.
Wenn die Zentralbanken nicht machtlos bleiben wollen, müssen sie das eigentliche Problem angehen: vier Billionen Dollar, die täglich in die Devisenspekulation fließen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier