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Kommentar Norwegischer KohleausstiegSymbol einer neuen Klimapolitik

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Der weltgrößte Pensionsfonds will nicht mehr in Kohle investieren. Das ist ein erster Schritt, um mehr Geld in eine grünere Wirtschaft umzuleiten.

Keine Kohle mehr für Kohle: Der norwegische Pensionsfonds will jetzt sauber werden. Foto: dpa

O kay, es könnte Krieg geben, einen gewaltigen Asteroideneinschlag oder eine Invasion alles vernichtender Aliens. Falls derartige Ereignisse im nächsten Jahrhundert auf sich warten lassen, ist der drohende Klimawandel das, was er ist: die größte Gefahr überhaupt für Milliarden von Menschen, ein Leben in Würde zu leben – oder überhaupt zu überleben.

Begreift man das, ist der Jubel so mancher Umweltverbände verständlich. Sie feiern teilweise begeistert den wahrscheinlichen Teilausstieg des Norwegischen Pensionsfonds, des größten der Welt, aus der Finanzierung von Kohleunternehmen.

Wie sich die Regelung am Ende auswirken wird, ist offen. Angesichts der Billionenbeträge, die weltweit in der Öl, Gas und Kohleförderung stecken, ist auch der Milliardenrückzug aus Norwegen nur ein symbolischer Akt.

Aber genau darin liegt seine Stärke. Will die Menschheit den Klimawandel in erträglichen Bahnen halten, braucht es entweder einen zivilisatorischen Zusammenbruch – oder eine Umleitung der weltweiten Kapitalströme in eine neue Art des Wirtschaftens.

Die Schleusen, die dafür gebaut werden müssen, sind noch nicht erfunden. Niemand weiß, wie Billionen von Dollar aus der alten Wirtschaft fossiler Brennstoffe in eine potenziell neue, grünere umgeleitet werden können – es gibt schlicht nicht so viele Wind- oder Solarfabriken, in die das Geld investiert werden könnte.

Was Norwegen nun plant, ist deshalb ein Schleusenmodell, das zeigen wird, wie auch ohne die profitablen und risikoarmen Anlagen in fossile Rohstoffe Rendite erwirtschaftet werden kann – und zwar mit Anlagevolumen, die wirklich etwas bewegen können.

Aber was heißt hier risikoarme, fossile Anlagen? Die Definition von Risiko ist ein soziales Konstrukt. Wenn das Risiko Klimawandel endlich in die Finanzmärkte eingepreist werden würde, dann würde es bald viele geben, die es Norwegen gleichtun.

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Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
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11 Kommentare

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  • 2G
    21405 (Profil gelöscht)

    "Okay, es könnte Krieg geben (...)"

     

    "Okay", Herr Arzt?

     

    Sehnen Sie ihn denn herbei,

    den "zivilisatorischen Zusammenbruch"?

     

    Ich finde Ihren flapsigen Einstieg

    vollkommen unangemessen,

    Sie Menschenfreund!

  • Über die Anlagemöglichkeiten von Kapital entscheidet die Politik und damit der Wähler.

     

    Wenn es um zur Verfügung gestelltes Kapital ginge, dann wäre ein Stopp sämtlicher Kredite für Straßenneubau und die Automobilindustrie wünschenswert. Das könnte die Politik durch gerechte Verteilung der Folgelasten, die aus den einzelnen Phänomenen erwachsen, gestalten. Eine laufende Klimaabgabe für jeden Autobahnkilometer dürfte private Investoren abschrecken, wie auch Auflagen und Abgaben der Pkw-Hersteller zur Klimarettung für jeden verkauften Pkw, je nach den durch ihn verursachten Schaden exponentiell ansteigend.

  • Wer ist eigentlich Entscheidungsträger in diesem Fond?

     

    Ich frage das mal, weil ich mir gerade Gedanken mache, warum ein Land soviel Lob verdient, dass eine Regierung hat, die nach deutschen Verhältnissen ungefähr einer CDU/CSU/FDP/AfD-Koalition entsprechen würde.

  • Was heißt hier "drohender" Klimawandel? Der ist längst Realität und nicht mehr aufzuhalten. Und auch ein grüner Ökokapitalismus wird nichts verbessern: Wer glaubt denn ernsthaft, die massenhafte Nutzung von Biomasse, Solar- und Windenergie habe keine negativen Folgen für die Umwelt?

     

    Übrigens: Krieg gibt es bereits. Ach so, ist ja nicht vor der eigenen Haustür...

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      "Wer glaubt denn ernsthaft, die massenhafte Nutzung von Biomasse, Solar- und Windenergie habe keine negativen Folgen für die Umwelt?"

       

      Jede Technik hat immer auch negative Folgen auf die Umwelt, dennoch ist die Umweltbilanz von Biomasse, Solar- und Windenergie gegenüber der Kohle ungleich positiver. In der Gesamtbetrachtung sollte man deshalb auch nicht den Anschein erwecken, als ob Biomasse, Solar- und Windenergie von Übel wären.

      • @Rainer B.:

        geht vielfach um Energie, die am besten erst gar nicht in Anspruch genommen werden müsste.

        • @Lindenstock:

          ..und wie stellen Sie sich das in der Praxis vor?

          • @noevil:

            Da verlangen Sie offenbar deutlich zu viel von der Lindenkrücke

  • Im Prinzip ein guter Kommentar und für sich gestellt auch richtig:

    Dennoch: Wie verlogen ist der Staatsfonds, sich feiern zu lassen und entsprechende Pressemeldungen zu platzieren wenn man selbst nach wie vor genau von der Branche lebt die man mit großen Worten verlassen will.

    Natürlich: Ausländsiche Projekte zu verlassen ist einfach... dann bitte aber auch norwegische. Genau das passiert nicht. Die Rendite ist einfach zu attraktiv.

    • @Tom Farmer:

      Zumal der Fonds nur aus den Gewinnen der staatlichen Öl- und Gasindustrie entstanden ist. Welch Treppenwitz!

  • Kann vielleicht auch sein, daß dieser Pensionsfond nicht mehr in Kohle investiert, weil er sein Geld in erster Linie aus der Ölförderung bekommt. Schließlich ist Norwegen ein ziemlich bedeutender Öl- und Gasförderer.