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Kommentar "News of the World"-SkandalWas dürfen Journalisten?

Ines Pohl
Kommentar von Ines Pohl

Die technischen Möglichkeiten, um unbemerkt an Informationen zu gelangen, werden immer besser. Für seriöse Journalisten stellt sich die Frage, wie weit sie gehen dürfen.

I n diesem Fall besteht kein Zweifel. Nirgendwo. Wer Nachrichten auf der Mailbox eines entführten Mädchens löscht, um an Material für Sensationsgeschichten zu kommen, legt ein Ausmaß an Verderbtheit an den Tag, für das es keine Entschuldigung gibt. Das ist kriminell und hat weder etwas mit Wahrheitsfindung noch mit Journalismus zu tun.

So weit, so eindeutig.

Nun könnte man sich einen schlanken Fuß machen und schreiben, schlimmer als im Murdochland Großbritannien gehts eh nimmer, und über die verbrecherischen Machenschaften dieser Medienkrake wissen alle, die es wollen, doch schon lange Bescheid. Und sowieso, der böse Boulevard.

Auch das stimmt. Es entlässt den seriösen Journalismus dennoch nicht aus der Frage, wie weit Enthüllungsjournalismus gehen darf. Auch, und das sei an dieser Stelle einmal sehr explizit gemacht, wenn News of the World mit Qualitätsjournalismus nichts zu tun hatte.

taz
INES POHL

ist Chefredakteurin der taz.

Was also ist die Aufgabe von Journalisten in diesen Zeiten, wenn jemand, der sich auskennt, mit einigen Klicks in das Privateste eines Menschen vorstoßen kann? Was bedeutet es, dass man keine physische Energie mehr aufbringen muss, um in die Privatsphäre eines Menschen einzudringen? Und: Sind mit Wikileaks nicht ohnehin alle Grenzen gefallen?

Für JournalistInnen und Medienhäuser, die ihren Berufsstand und sich selbst ernst nehmen, muss das genaue Gegenteil gelten. Gerade weil die technischen Möglichkeiten immer größer werden, dürfen die Grenzen des Erlaubten nicht immer weiter verschoben werden. Ja, es ist richtig, dass moderne Technologien auch neue, berauschende Recherchemöglichkeiten eröffnen. Die alte Grundtugend aber, dass die Fakten eines Informanden mit journalistischen Mitteln weiterverfolgt werden und überprüft sein müssen, bevor man sie publiziert, sind damit nicht außer Kraft gesetzt.

Wenn das auch in der Netzgemeinde nicht alle so sehen und handhaben mögen: Die Rolle einer Journalistin und eines Journalisten hat sich im Grunde nicht verändert. Ihre Aufgabe ist es, Informationen zu beschaffen, sie der Allgemeinheit zu vermitteln und einzuordnen.

Das heißt: Selbst wenn es der Wahrheitsfindung dienen mag, es ist zurecht nicht alles erlaubt. Auch PolitikerInnen und Millionäre haben den Anspruch auf Schutz der Privatsphäre. Und dennoch: Grauzonen werden sich nicht gänzlich wegdefinieren lassen. Die Presse hat schließlich auch die Aufgabe, die Mächtigen, die Eliten zu kontrollieren. Ein Auftrag, den in Großbritannien offensichtlich schon lange kaum einer mehr neutral erfüllt.

Emotional mag man dabei bei denen sein, die für die vermeintlich gute Wahrheit alle Grenzen überschreiten. Schnell stellt sich dann die heikle Frage, ob ein bisschen Folter erlaubt ist, um ein Entführungsopfer befreien zu können. Auch das hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun. Diese aber zu beschützen zählt zu den Kernaufgaben des Journalismus.

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Ines Pohl
Ines Pohl (Jahrgang 1967) war von Juli 2009 bis Juni 2015 Chefredakteurin der taz. Bevor sie als politische Korrespondentin für die Mediengruppe Ippen in Berlin arbeitete, leitete sie das politische Ressort der Hessischen /Niedersächsischen Allgemeinen. 2004/2005 war sie als Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism für ein Jahr an der Harvard University. Im Dezember 2009 wurde ihr der Medienpreis „Newcomerin des Jahres“ vom Medium-Magazin verliehen. Seit 2010 ist Ines Pohl Mitglied im Kuratorium der NGO „Reporter ohne Grenzen“. Außerdem ist sie Herausgeberin der Bücher: " 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern" und "Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt" (Westend-Verlag)
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9 Kommentare

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  • H
    hto

    "Was dürfen Journalisten?"

     

    - ja ja, das wird auch deutlich, wenn ihr Leserkommentare einfach ignoriert und ...!?

  • H
    hto

    "Was dürfen Journalisten?"

     

    - ja ja, das wird auch deutlich, wenn ihr Leserkommentare einfach ignoriert und ...!?

  • S
    Stefan

    Wichtig, dass die Presse keine Gesetze übertreten darf, aber ungehindert Kampagnenlügen verbreiten darf. Die einen tun alles um an Sensationen zu kommen, die anderen lügen für die "gute Sache".

  • ET
    Eig'n Tor

    So musste es ja kommen: Skandal im Murdoch-Land!

     

    Aus diesem Anlass muss die taz nun erstmal ordentlich in die große Posaune der Moral stoßen.

    Eine günstige Gelegenheit, um sich selbst in ein gutes Licht zu rücken? Das Getöse um die Trikottausch-Kolumne schallt ja sogar bis auf die andere Straßenseite…

     

    Mein Anspruch an die taz ist unter anderem seriöser Journalismus. Aus diesem Kommentar leite ich ab, dass die taz diesen Anspruch auch an sich selber hat.

     

    Einerseits ist das erfreulich. Doch wie hält die taz es nun selbst mit investigativem Journalismus?

     

    Natürlich hat die taz auf diesem Gebiet schon Hervorragendes geleistet. Ich erinnere mich gern an die Recherchen zu den Berliner Wasserverträgen, zur Schleichwerbung, etc... Fantastische Arbeit, zweifelsohne.

     

    Andererseits stellt sich die Frage: Wie kann es bei solchen Eigenansprüchen überhaupt möglich sein, dass auch immer mal wieder Gruselstücke - bei denen offenkundig großzügig über den Schutz der Persönlichkeitsrechte hinweggetrampelt wurde – publiziert werden?

    Ein besonders besorgniserregendes Beispiel dafür (wenn auch nicht das erste seiner Art) ist die "investigative Recherche" im Vorfeld des Zensus 2011*.

    Kann so etwas mit dem Schlagwort „Seriöser Journalismus“ in Einklang gebracht werden? Wohl kaum.

     

    Klar, Fehler macht jeder und Fehler darf jeder machen. Das ist nun mal ein natürlicher Bestandteil des Lebens.

    Wer klug ist, lernt aus seinen Fehlern und wiederholt sie nicht.

    Letzteres trifft auf die taz offenbar nicht zu. Denn sonst hätte das o.g. Paradebeispiel ja wohl kaum veröffentlicht werden können.

     

    Vor dem Hintergrund verkommt dieser großartig entrüstete Stoß in die Moralposaune doch leider eher zu einem kläglichen Tröten auf der Vuvuzela.

     

    Ein Stück weit karikiert sich die taz mit diesem Kommentar selbst. Genau darin scheint ihre Kernkompetenz zu liegen - sich selbst auf die Schippe zu nehmen. Und leider nicht in dem, was gemeinhin als „Seriöser Journalismus“ bezeichnet wird. Irgendwie traurig.

     

    Vielleicht wäre es jetzt ein guter Zeitpunkt für die taz, die eigene Arbeit mal gründlich zu durchleuchten, zu reflektieren und es künftig besser zu machen.

     

    Ich würde mich aufrichtig darüber freuen.

     

     

     

    * http://bit.ly/lzrjaG und http://bit.ly/jGvEvy

  • K
    Kai

    Nun, auf der Insel wurden sicher Grenzen verletzt, doch war es die Grenze des Journalismus?

     

    Ich denke nein, bei der Zeitung ging es zwar um News, eventuell auch um Informationen, aber sicher nicht um Journalismus. Diese Art der Information bedient eher den Voyeurismus. Und so wie die Yellow Press hier die Grenzen zu stark verschoben hat, so werden in anderen Ländern, z.B. in Frankreich, diese Grenzen nur selten und auch nur von wenigen Blättern angetastet. Nur so lässt sich erklären, das eine Ministerin mit dem Staatsflieger eines befreundeten Präsidenten in den Urlaub fliegt und dies noch als Privatsache verkaufen will. Was nicht heissen soll, das Journalisten jetzt bitte jedem Politiker in den Urlaub zu folgen haben...

     

    Somit ist z.B. auch die Frage zu Wikileaks zu beantworten... Interessiert uns die interne Einschätzung eines Botschafters der USA zu Merkel und Westerwelle? Irgendwie nicht, vor allem wenn sie von der im deutschen Volk nicht abweicht. Es interessiert aber, das die USA mit China eine Deal gemacht haben, damit keine Verschärfung des CO2 Ausstosses erreicht wird. Und es interessiert auch, welche Politiker sich zu willfähigen Newslieferanten für die Amerikaner gemacht haben, vor allem wie hier einge versuchen ihre Ränke zu schmieden. Doch leider wurden diese Themen im Gegensatz zu Doktorarbeiten, zumindest in meinen Augen nicht weiterverfolgt...

     

    Journalismus ist halt auch immer eine Gradwanderung, die es bedingt sich mit den Mächtigen gut zu stellen, um beim nächsten mal wieder der zu sein, der den entsprechenden Tip bekommt.

  • TT
    @Theobald Tiger

    "Schlampen-Klolumne" - noch besser, Danke!

  • P
    panettone

    @hto, Theobald Tiger

    Moment, Moment: Für die britische Presselandschaft gilt: So grottig die Tabloids, so hervorragend die Broadsheets. Die 'Times' ist auch unter Murdochs Ägide immer eine hervorragende Zeitung geblieben. Man sollte darauf hinweisen, dass es seriöse Journalisten des britischen 'Guardian' (grundsätzlich ein hoch interessantes Blatt, auch was die Strategie Print/online angeht) waren, die das Ganze ans Licht gebracht haben. Ein paar scheint es also trotz allem noch zu geben.

    Die beste Nachricht für mich: Wenn der Murdoch seine Blätter vertickt, dann besteht die Chance, die 'Times' demnächst wieder im Netz lesen zu können wie früher.

  • H
    hto

    "Auch investigative Berichterstattung hat Grenzen"

     

    "Seriöser Journalismus" - wie seriös kann Journalismus schon sein, wenn die gegebene Verpflichtung zu journalistischer "Neutralität" in Konfusion durch Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll doch längst ... ist!?

     

    Ich höre und lese nur GELABER ohne Verstand für Sinn!!!

  • TT
    Theobald Tiger

    Yippie, auch Ines Pohl kann Satire!!

     

    "Seriöse Journalisten"

     

    Wow, DAS war wirklich gekonnt! Parodistischer Volltreffer! Ganz großes Kino!

     

    Übertrifft die satirische Tiefe von Yücels Schlampen-Klolumne bei weitem. Hochachtung, gaaanz große Hochachtung vor soviel Wortwitz!