Kommentar Neuwahlen in Israel: Netanjahus Politpoker
Offizielle Begründung für die vorzeitige Wahl in Israel ist die fehlende Einigung über den neuen Staatshaushalt. Doch Netanjahu hat auch andere Gründe.
B enjamin Netanjahu gelang, woran viele israelische Regierungschefs vor ihm scheiterten. Er überstand fast die gesamte Regierungsperiode. Und er wird bei Neuwahlen sicher in seinem Amt bestätigt werden. Das Volk steht mehrheitlich hinter ihm, obwohl er sein Versprechen, das Problem Atomstaat Iran zu lösen, nicht hielt und obwohl er auch ohne den anvisierten Präventivschlag auf die nuklearen Anlagen das israelische Image international auf ein Rekordtief brachte. Sein Erfolg ist, dass nichts passierte. Es gab weder Terror noch Krieg.
Ursprünglich sollten die Wahlen nach viereinhalb Jahren stattfinden, wie es der jüdische Kalender im Gesetzbuch vorschreibt. Doch Netanjahu will den Urnengang hinter sich haben, wenn sich das Problem Iran zuspitzt, was im April oder später passieren soll. Sämtliche Prognosen, dass ein Angriff im Herbst, also jetzt, stattfinden müsse, um die meterdicken Betondecken der Atomanlagen mit den verfügbaren Waffen noch durchbrechen zu können, sind nicht mehr relevant. Wenn es Netanjahus Politikpoker erfordert, lässt sich damit auch noch bis zum nächsten Frühjahr warten.
Offizielle Begründung für den vorzeitigen Urnengang ist die fehlende Einigung über den neuen Staatshaushalt. Den Ministerien stehen Kürzungen ins Haus. Umgerechnet knapp drei Milliarden Euro fehlen, um erhöhte Ausgaben des Militärs und die Reform im Erziehungsbereich zu tragen.
ist Israel-Korrespondentin der taz.
Von den Sozialprotesten im vergangenen Jahr blieb nur die kostenfreie Kindergartenversorgung für den Nachwuchs ab drei. Von einer Umverteilung der Steuerlast zu Gunsten der Geringverdiener oder gar einem Aufbrechen der Kartelle keine Spur. Netanjahus Wiederwahl dürfte auch das nicht im Wege stehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“