Kommentar Neues Atomgesetz: Strahlende Hintertüre
Die Bundesregierung sagt zwar, sie wolle am Endlagerkonzept für Atommüll festhalten. Aber im neuen Atomgesetz findet sich davon kein Wort.
E in neues Atomgesetz wird gerade geschrieben. Alles ganz harmlos. Es handelt sich nur um die Umsetzung einer Richtlinie der EU aus dem Jahr 2011, heißt es aus der Bundesregierung.
Nun sind Atomgesetze niemals harmlos, das liegt in der Natur der Sache. Weder die EU-Kommission noch das EU-Parlament wollten die Richtlinie überhaupt haben.
Sie entstand auf Grund der Initiative einzelner EU-Länder, weil viele von ihnen das Atommüll-Problem drückt Es geht vor allem um zwei Aspekte.
Die Umweltverbände schlagen Alarm, weil im aktuellen deutschen Gesetzesentwurf die Priorität der Endlagerung in Deutschland nicht explizit erwähnt ist. Die Bundesregierung macht zwar klar, dass dies ihr politischer Wille ist, aber schreibt es nicht in das Gesetz.
ist stellvertretender Chefredakteur der taz.
Warum nicht? Nach wie vor entstehen in Deutschland mehr als 200 Tonnen hochradioaktiver Müll pro Jahr in den AKWs. Zehntausende Kubikmeter dieses epochalen Mülls gilt es schon jetzt zwischenzulagern. Und ein Endlager ist nicht in Sicht.
Da kann man mit Fug und Recht vermuten, dass alle an der Atomwirtschaft Beteiligten sich gerne das eine oder andere Hintertürchen öffnen wollen.
Der zweite Aspekt ist die Wandlung des strahlenden Gemisches von einer Besonderheit, vom potenziellen Bombenstoff und Gegenstand weltweiter Überwachung zu einem möglichst normalen Gefahrenstoff.
Mit gefährlichen Stoffen handelt die Wirtschaft an allen Ecken und Enden. Deren Transport und Lagerung kostet viel, aber nur einen Bruchteil dessen, was – zu Recht – die Handhabung von Atommüll kostet.
Und wenn sich einmal alle an eine EU-Richtlinie zum Atommüll gewöhnt haben, dann kann ein immer größerer Anteil des Atommülls sich in Handelsgut verwandeln. Deutschland kann dann Müll aus anderen Ländern annehmen. Oder selber exportieren. Alles Wirtschaft, alles harmlos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin