Neue AKW in der Türkei: Türkei auf Atomkurs
Die gesamte Türkei ist eine Erdbebenrisikozone. Russland und ein japanisch-französisches Konsortium planen trotzdem den Bau neuer Atomkraftwerke.
ISTANBUL taz | Während Deutschland gerade mühsam die Energiewende weg vom Atomstrom versucht, steuert die Türkei mit Macht in die atomare Zukunft. Am Freitag haben der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan und der japanische Premier Shinzo Abe ein Abkommen über den Bau eines neuen Atomkraftwerkes an der türkischen Schwarzmeer Küste unterzeichnet.
Das jetzt vereinbarte AKW in Sinop wird der zweite große AKW-Komplex, den die türkische Regierung in Auftrag gibt. Bereits vor knapp zwei Jahren hatten Erdogan und der damalige russische Ministerpräsident Putin unmittelbar nach dem Supergau in Fukushima vereinbart, dass der russische Staatskonzern Rosatom am Mittelmeer in Akkuyu, in der Nähe der Hafenstadt Mersin, ein erstes AKW bauen wird.
Damals hieß es, die Rosatom Reaktoren seinen nicht mit Fukushima vergleichbar sondern weit moderner und sicherer. Das jetzt geplante AKW am Schwarzen Meer soll mit insgesamt vier Blöcken die Leistung von Akkuya noch weit übertreffen. In Sinop wird ein japanisch-französisches Konsortium bauen, an dem der japanische Mitsubishi Konzern und die beiden französischen Unternehmen Areva und GDF Suez beteiligt sind.
Das AKW soll im Endausbau aus vier Blöcken bestehen und 5.000 Megawatt Strom liefern. Nach Informationen der türkischen Presseagentur Anadolu hat das japanisch-französische Projekt gegen einen chinesischen Bieter den Zuschlag bekommen, weil die japanischen AKW-Bauer viel Erfahrungen mit Erdbeben haben.
Die Proteste sind überschaubar
Die gesamte Türkei ist eine Erdbebenrisikozone, das geplante russische AKW in Akkuyu liegt sogar unweit einer Erdbebenspalte. Die Proteste gegen den Bau von AKWs sind allerdings überschaubar. Zwar haben Umweltgruppen in Akkuya und auch in Sinop erfolgreich mobilisiert, doch das bleiben regionale Phänomene die überdies durch Versprechen über lukrative Arbeitsplätze unterlaufen werden. Auch finanziell sieht die türkische Regierung kein Risiko.
Sowohl die Russen wie auch das japanisch-französische Konsortium werden das 15 Milliarden Euro teure Projekt auf eigene Rechnung bauen, das AKW auch selbst betreiben und dann über einen längeren Zeitraum durch einen vom Staat garantierten Strompreis ihr Geld wieder hereinholen. Über Folgekosten wie Endlagerung des Atommülls wird nicht geredet.
Die offizielle Begründung für den Bau der AKW ist der mit wachsender Wirtschaftsleistung stark steigende Energiebedarf. Tatsächlich hat die Türkei trotz wachsender Exporte ein hohes Außenhandelsdefizit, weil sie enorme Rechnungen für Gas und Öl begleichen muss. Mit aller Macht sollen die Energieimporte reduziert werden, weshalb neben den AKWs auch neue Kohle- und Wasserkraftwerke gebaut werden.
Für Wind- und Sonnenenergie hat die Türkei bislang kaum etwas getan. Es gibt erst zwei kleinere Windparks und Sonnenenergieanlagen lediglich im Versuchsstadium. Photovoltaikanlagen auf privaten Dächern gibt es keine. Die türkische Regierung strebt an, bis 2030 mindestens 15 Prozent ihres Energiebedarfs durch Atomstrom decken zu können.
Fachleute weisen allerdings darauf hin, dass Atomstrom unter ökonomischen Gesichtspunkten auch in der Türkei Unsinn sei. Die Zeche müsse später der Verbraucher zahlen. Als eigentliches Motiv der Regierung wird deshalb vermutet, angesichts der Atompläne von Nachbarn wie Iran zumindestens die potenziellen Voraussetzungen für den Bau einer Bombe schaffen zu wollen.
Leser*innenkommentare
bull
Gast
Diese Reporter bei der TAZ scheinen mit geschlossenen Augen in der Türkei rumzulaufen oder die tausenden Windräder die ich gesehen habe sind Potemkische Dörfer.Was die Scheiss Atomkraft angeht muss ich aber beipflichten.Ich habe keinerlei Verständnis für Entscheidungsträger die das Leben von Millionen Menschen ohne Not in Gefahr bringen.Ist nunmal überall auf diesem Planeten mit diesem gekauften Pack.Solche Abrechnungen lassen sich leider auch nur durch einen Bürgerkrieg lösen.
Emre
Gast
@Atom-Zwischenlager
Wenn sich Erdogan den nächsten Atatürk nennt dann weiß ich auch nicht mehr. Schande auf das Haupt der Türkei. Ehrlicher weiße muss ich sagen das viele Türken einfach nicht den Mut haben gegen diesen Idioten auf die Straße zu gehen. Viele werden einfach in den Knast geworfen. Journalisten trauen sich nicht und fügen sich. Wie schon meine Großeltern sagten: Burasi Türkiye
http://amnesty.de/jahresbericht/2012/tuerkei#rechtauffreiemeinungsuerung
Atom-Zwischenlager
Gast
@Atom-Endlager
Türken feiern Erdogan als größten Führer der Welt
"Die türkische Regierungspartei AKP hat Recep Tayyip Erdogan zum Chef ernannt. Der Premier macht symbolisch klar, dass er sich als neuen Atatürk sieht - und droht Russland, China und Israel.
http://www.welt.de/politik/ausland/article109573517/Tuerken-feiern-Erdogan-als-groessten-Fuehrer-der-Welt.html
tsitra
Gast
Das ist ein (weiteres) Zeichen der Rückständigkeit der Türkei.
Aber zum Beispiel Frankreich ist da auch nicht besser, dort ist man zwar liberaler dennoch spucken die allermeisten auch dort auf das Grundrecht (GG Art.2 (2)) auf "auf Leben und körperliche Unversehrtheit" sofern es zukünftige Generationen betrifft!
Auch da denken wohl die allermeisten
"Krebs kriegen die anderen!"
und so kommt es, dass die
Strahlenrisiken der "friedlichen" Nutzung der Kernenergie "wegignoriert" werden, denn mensch möchte ja was sparen und billigen (schäbig billigen!) Strom kaufen und außerdem kann er ja eh nichts machen, denkt er ...
Ist halt so schön einfach wegzusehen!
Hunyadi Janos
Gast
In einem anderen Diskussionsstrang zu Türkei-spezifischen Themen,-Völkermord-, meinte einer der Bindestrich-Türken doch auf die strategische Bedeutung von Kernwaffen für die Türkei hinweisen zu müssen. Er - Bull war sein Pseudonym- unterstreichte die Wichtigkeit des Besitzes dieser Waffengattung, weil die Welt sich gegen den Türken verschworen habe.
Grundsätzlich ist das derzeitige Türkische Regime auf Expansionskurs und sieht sich selbst in der Nachfolge der Osmanen. Solche religöse und nationalchauvenistisch verblendete Führer sollten keine Möglichkeit zur Produktion von Kernwaffen haben.
Lustig wird es wenn unsere allseits hoch geachtete und geschätzte Claudia F. R. oder der Cem sich zu dem Themen Kernkraftwerk, potentielle Kernwaffen und Türkei äussern müßen. Mal schauen wie man/frau sich zu diesem Thema rausreden wird, um zwei wichtige Gruppen zu schockieren: SIch mit der Türkei identifizierende und die Kernkraftgegener/friedensbewegte.
der Janos
Emre
Gast
Ich könnte diesen Idioten den Hals umdrehen. Erdogan will Kernwaffen besitzen sonst legt man sich keine Anlage in einer Erdbebenregion zu. Dieser "Herr" möchte weder eine Demokratie noch sonstige moderne Staatsformen sondern einen Gottesstaat mit einer Islamischen Bombe. Kein Wunder dieser Minderbemittelte hat wohl keine Erkenntnisse aus den Unfällen und beinahe GAUs gezogen.
Der Querulant
Gast
Die Dummen sterben eben nie aus.
Wolfgang
Gast
Auch Saudi-Arabien befindet sich auf Atomkurs!
Der NATO-Partner für "Freiheit", "Demokratie" und "Menschenrechte" - in Syrien, Irak und Iran, der Partner der europäischen Rüstungs- und Panzerindustrie, der Deutschen Bank und deutsch-europäischen Wirtschafts- und Monopolverbände, der deutschen Bundesregierung und Parlamentsmehrheit, die feudal-bourgeoise und religiös-absolutistische Prinzen-Monarchie Saudi-Arabien, setzt mit sechzehn Atomkraftwerken [bis 2030] auf "potenzielle Voraussetzungen" zum Bau von nuklearen Waffensystemen. -
Die voraussichtlichen AKW-Gesamtkosten liegen bei 80 Milliarden US-Dollar (ca. 60 Mrd. Euro). Am Nuklearprojekt Saudi-Arabiens sind unter anderem beteiligt: USA, Japan, Frankreich, Südkorea, Großbritannien, Russland, Tschechische Republik, VR China etc.
Zur Kooperation zwischen der Volksrepublik China mit Saudi-Arabien heißt es beim Schweizer Nuklearforum unter anderem: "Laut einer gemeinsamen Erklärung bildet das am 15. Januar 2012 in der saudischen Hauptstadt Riad unterzeichnete Abkommen den rechtlichen Rahmen für eine verstärkte wissenschaftliche, technologische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten in Bereichen wie der Instandhaltung und Entwicklung von Kernkraftwerken und Forschungsreaktoren sowie Herstellung und Lieferung von Kernbrennstoff."
Noch wenige Bemerkungen zum real herrschenden (nicht nur nuklearen) Irrationalismus:
Weltweit gibt es keine gesicherte Endlagerung des Atommülls. Jeder Bau von Atomkraftwerken setzt zugleich auf eine ungesicherte Zukunft der Menschheit. Dividenden- und Profitinteressen gehen für die Betreiber der Energie- und Atomindustrien (zugleich nuklearer Waffensysteme) vor Lebensinteressen künftiger Generationen. Das Kapital, die Finanz- und Monopolbourgeoisien, die Vorstände und Aufsichtsräte der Rohstoff-, Energie-, Atomwirtschaft und Rüstungsindustrien, setzen bewusst auf das Risiko der nuklearen Vernichtung für Dividenden- und Profitinteressen!
Pete
Gast
Also ich muss doch wohl sehr bitten!
Wir als deutsche wollen uns doch nicht etwa erdreisten der Türkei in die Atompolitik reinreden zu wollen.
Reichen denn nicht Alltagsrassismus, NSU und Islamfeindlichkeit?
Auch wenn die Türkei Erdbebengebiet ist - das darf uns nichts angehen!!!
Atom-Endlager
Gast
Erschreckend es in dem Zusammenhang zu dieser Meldung:
Türkischer Präsident warnt vor Holocaust, wenn Islam nicht stärker toleriert wird
http://www.humanist-news.com/turkischer-prasident-warnt-vor-holocaust-wenn-islam-nicht-starker-toleriert-wird/
“Islam und Migranten sind längst eine Realität in Europa und das seit Jahrzehnten. Solange Europa von der Mehrheit abweichende Lebensweisen nicht stärker toleriert, besonders was die Religion angeht, muss es zwangsläufig zu einer neuen Inquisition und einem Holocaust kommen”, sagte Gül vorgestern auf einer Konferenz für “Migration, Islam und Multikulturalismus”, an der Hacettepe Universität.
ich
Gast
ich kann Claudia Roth schon hören: alle, die nicht direkt davon profitieren oder gar arbeitslos sind, sollten sofort als Asylanten mit doppeltem Hartz-4-Satz und Familiennachzug anerkannt werden.