Kommentar Netanjahu in den USA: Einseitiger Druck allein reicht nicht
In den USA ist Israels Regierungschef überraschend kritisch empfangen worden. Die Kritik ist richtig, aber auch die Palästinenser tragen Verantwortung.
D ass ihm der Wind so eisig ins Gesicht wehen würde, hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu vor seinem Besuch in Washington kaum erwartet. Endlich nennt US-Präsident Barack Obama das Kind beim Namen. „Aggressiv“ sei Israels Siedlungspolitik. Es werde immer schwerer, so warnte Obama, Israel im Sicherheitsrat den Rücken zu stärken. Selten zuvor ist der Chef im Weißen Haus so deutlich geworden.
Obamas Warnungen stoßen auf fruchtbaren Boden. Aus Anlass des Boykotts mehrerer europäischer Unternehmen gegen Unternehmen in den Siedlungen nahm Finanzminister Jair Lapid eine Wende um 180 Grad. Der Chef der zweitgrößten Koalitionspartei, der sich selbst als Mitte-rechts-Politiker sieht, kriegt kalte Füße.
Tausende Arbeitsplätze könnten durch den Boykott verloren gehen, warnt er und fordert mehr Kompromissbereitschaft von Netanjahu. Je düsterer die Prognosen für ein Gelingen des Friedensprozesses werden, desto klarer zeichnet sich ab, dass Israel am Ende den Schwarzen Peter in der Hand behalten wird.
Doch auch die Palästinenser tragen einen Teil der Verantwortung, wenn die Verhandlungen scheitern. Ihr striktes Nein zur Anerkennung Israels als jüdischen Staat ist kaum nachvollziehbar, wenn man sich ansieht, wie viel gerade für sie auf dem Spiel steht.
Präsident Mahmud Abbas will einer Verlängerung der Verhandlungen unter den aktuellen Bedingungen nicht zustimmen. Sein Vertrauen auf die internationale Bühne ist leichtfertig. Die Palästinenser sollten sich nicht der Illusion hingeben, dass die aktuell antiisraelische Stimmung im Ausland zum Ende der Besatzung führen werde. Spätestens wenn Abbas nach Washington reist, sollte sich Obama daran erinnern, dass Druck auf beide Seiten nötig ist, um Kompromisse zu erreichen.
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