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Kommentar Neonazis in BautzenNational befreite Zone

Jürn Kruse
Kommentar von Jürn Kruse

Nach den Ausschreitungen von Bautzen wird durchgegriffen – gegen jugendliche Asylbewerber. Rechte Gewalt lohnt sich also.

Polizisten halten rechte Demonstranten auf dem Bautzener Kornmarkt zurück Foto: dpa

L ichtenhagen muss immer herhalten. Immer wenn wieder einmal ein rechter Mob auf Asylsuchende losgegangen ist, wird an damals erinnert: Daran, was 1992 alles schiefgelaufen ist – bei der Polizei, die zu spät und irgendwann gar nicht mehr eingriff, bei den Behörden, die schlicht das vermeintliche Problem (die Flüchtlinge) beseitigten und andere schutzlos sich selbst überließen, bei den scharfmachenden Medien. Lichtenhagen ist das Mahnmal. Nie wieder und so.

Doch leider ist es in Deutschland immer wieder so: Nachdem in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag im sächsischen Bautzen 80 „in großer Zahl dem politisch rechten Spektrum“ (O-Ton Polizei) zuzuordnende Männer und Frauen auf „eine Gruppe von etwa 20 jungen Asylbewerbern“ (nochmal die Polizei) trafen und Steine und Flaschen flogen, wurden Konsequenzen gezogen: Vier vermeintliche Rädelsführer wurden in andere Asylunterkünfte gebracht, die jugendlichen Asylbewerber in Bautzen bekommen nach 19 Uhr eine Ausgangssperre und ein Alkoholverbot verordnet.

Es ist kaum zu sagen, wer angefangen hat, die Polizei sagt, dass es die jugendlichen Asylbewerber waren, diverse Zeugen sagen etwas anderes. Es ist aber auch müßig, diese Frage zu beantworten. Denn die öffentlich vernehmbaren Konsequenzen treffen nur die einen: die Asylbewerber. Was hängen bleibt, sind Schlagzeilen wie die der Welt: „Jetzt greift Bautzen gegen junge Flüchtlinge durch.“ Das Problem ist klar adressiert – und der eine oder die andere wird sich ein „endlich“ dahinter denken.

Bautzen, dort, wo im Februar eine geplante Flüchtlingsunterkunft brannte und die anschließenden Löscharbeiten behindert wurden, wo im März Bundespräsident Joachim Gauck als „Volksverräter“ bepöbelt wurde, meint das Problem gebannt zu haben: Wenn nur die Asylsuchenden aus dem abendlichen Stadtbild verschwinden, herrscht bald wieder Ruhe und Ordnung.

Aber: Um 80 gewaltbereite Rechte auf die Straße zu bekommen, muss man sich schon ein bisschen organisieren. Es war die geplante Eskalation – mit anschließender Belohnung: Die Ausländer sind weg.

Gewalt lohnt sich. Das ist das Signal, das die Behörden gerade aussenden. Wieder einmal.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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8 Kommentare

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  • Gegenwärtig wird Führerscheinentzug als Zusatzsanktion im Strafrecht diskutiert - wie wäre es mit (eventuell befristetem) optionalem Computer- und Internetverbot bei Delikten, die mittels Computern bzw. Internet begangen wurden (z. B. Volksverhetzung)? Ein Nazi ohne Computer ist doch heutzutage eine ganz arme Sau...

  • Es werden gegenwärtig Investitionen in Millionenhöhe gegen den Terror und Extremismus getätigt.

     

    An dieser Stelle kann man eine Frage stellen. Warum kommt es Ausschreitungen wie in Bautzen, wer dafür verantwortlich ist und was ist das Hauptziel dabei? Was wird gemacht, um das zu prüfen?

     

    Und wichtig ist zu wissen, solche Ausschreitungen gibt es seit die AfD da ist und noch dazu immer öfter.

     

    Und wichtig ist auch zu wissen, dass solche Ausschreitungen sehr oft vor oder während irgendwelchen politischen Wahlen stattfinden.

     

    Wollen vielleicht irgendwelche Rechten Gruppen die Politik und das Wahlverhalten beeinflussen und dadurch die Bundesrepublik Deutschland negativ bzw. nach "rechts" verändern?

  • Durchgreifen ist richtig - aber eben bitte ohne Ansehen der Person, der Herkunft, der Abstammung usw.

    Neutralität und Objektivität der Staatsorgane sind die Fundamente jeder funktionierenden Gesellschaft. Hier darf sich die Staatsgewalt keine Schluderei erlauben. Leider scheint dies im Osten auch nach 25 Jahren noch nicht angekommen zu sein.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Wer mistet den Augiasstall Dunkeldeutschland aus ?

    Im Prinzip muss die gesamte Verwaltung, insbesondere die Polizeiführung ausgetauscht werden. Es kann nicht sein, dass Opfer zu Tätern gemacht und dem braunen Pöbel national befreite Zonen eingeräumt werden. Es kann nicht sein, dass Flüchtlinge eingesperrt, Nazis dagegen im öffentlichen Raum fröhlich feiern und "demonstrieren" dürfen. Es kann nicht sein, dass "besorgte Bürger" ihren Alltagsfaschismus ausleben können und noch irgendjemand ihnen zuhört.

    Und wenn es wieder heisst, es gibt ja nur 20-25 % Nazis, wo ist eigentlich die Mehrheit, die Zivilgesellschaft ?

    • @60440 (Profil gelöscht):

      Wer Opfer und wer Täter ist, scheint hier nicht klar unterscheidbar. Eine Sippenhaft der Flüchtlinge ist die bequemste Lösung für die Nachfolgeorgane des DDR-Staatsapparates. Das ist fatal.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Als unbegleitete Jugendliche stehen sie unter der Aufsicht des Staates. Minderjährige können nicht einfach Alkohol trinken, an Plätzen rumlungern und gewalttätig gegen andere und die Polizei werden.

         

        Was wäre los, wenn eine Klasse auf Schulausflug so etwas abziehen würde, was würde man da wohl den verantwortlichen Aufsichtspersonen, den Lehrern sagen. Es wird also vollkommen richtig gehandelt.

  • Der Umgang mit Rechtsextremen - ganz speziell in Sachsen - ist durchgängig beschönigend, verharmlosend und immer irgendwie rechtfertigend. So schafft man die idealen Bedingungen für braune Zellen. Das alles ist zweifellos ein Ergebnis organisierten Handelns - auch und gerade, weil man immer noch regelmäßig nur den "Einzelfall" sehen will.