Kommentar Natomitgliedschaft der Türkei: Der schwierige Partner
Die Nato hat die strategische Partnerschaft mit der Türkei schon immer über ihre Werte gestellt. Das dürfte auch weiterhin für Konfliktstoff sorgen.
W äre die Nato die „Wertegemeinschaft“, als die sie sich gerne bezeichnet, hätte die seit 1952 währende Mitgliedschaft der Türkei längst suspendiert werden müssen. Doch weder die seit 1974 anhaltende völkerrechtswidrige Besetzung Nordzyperns durch türkische Truppen noch die schweren Menschenrechtsverstöße der Anfang der 80er Jahre herrschenden Militärjunta oder die blutige Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung lösten kritische Reaktionen der anderen Nato-Mitglieder aus.
Bereits im Kalten Krieg galt die Türkei als Vorposten der Nato am Schwarzen Meer als unverzichtbarer „strategischer Partner“. In dieser Rolle ist die Türkei für den Westen seit Ende der Blockkonfrontation sogar noch wichtiger geworden.
Für ihre militärischen Interventionen im Nahen Osten seit dem Golfkrieg von 1991 waren und sind die USA und US-geführte Koalitionen auch weiterhin auf die Nutzung der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik angewiesen. Das politische Erpressungspotenzial Ankaras ist mit den eskalierenden Konflikten im Nahen Osten ebenso stetig gewachsen wie die Zahl und die Schärfe der Widersprüche zwischen den Partnern.
Das zeigen der menschen- und völkerrechtswidrige Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei ebenso wie das feige Schweigen in westlichen Hauptstädten zu den Repressionsmaßnahmen der Regierung Erdoğan nach dem gescheiterten Militärputsch. Aktuell zeigt es sich auch in der Billigung der militärischen Offensive Ankaras gegen die syrischen Kurden, die doch zugleich die bislang effektivsten Bodentruppen gegen den – angeblich – gemeinsamen Hauptfeind „Islamischer Staat“ stellten. Dass Ankara den IS bis zu dessen erstem Anschlag auf türkischem Boden im Herbst vergangenen Jahres massiv unterstützt hatte, wird in westlichen Hauptstädten ebenso totgeschwiegen wie das ähnliche Verhalten des „Verbündeten“ Saudi-Arabien.
Doch die wachsenden Widersprüche zwischen der Türkei und dem Westen werden kaum zu einer „strategischen Partnerschaft“ mit Russland führen. Was die Präsidenten Erdoğan und Putin bei ihrem kürzlichen Treffen vereinbart haben, ist kaum mehr als ein taktisches Zweckbündnis. Auch Moskau hat kein Interesse am Entstehen eines kurdischen Staates.
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Die potenziellen Bruchstellen dieses Zweckbündnisses zeigten sich bereits in der lediglich konditionierten Zustimmung der Regierung Putin zur türkischen Militäroffensive gegen die syrischen Kurden („Mit der syrischen Regierung abstimmen!“). Doch mit ähnlichen taktischen Bündnissen dürfte der türkische Präsident auch künftig überraschen. Ein Arrangement mit seinem syrischen Amtskollegen und ehemaligen Urlaubspartner Assad, den er im Sommer 2011 über Nacht zum Feind erklärte, deutete Erdoğan bereits an.
Die Konflikte mit und in der Türkei nur mit der Person Erdoğans und seiner persönlichen Machtgier zu erklären griffe zu kurz. Immerhin findet der Präsident zumindest für seine Außenpolitik und auch für sein Vorgehen gegen die Kurden bislang mehrheitliche Zustimmung in der Bevölkerung.
Widersprüche werden nicht verschwinden
Auch unter einem Nachfolger Erdoğans würden die Widersprüche zwischen der Türkei und ihren Nato-Partnern nicht verschwinden. Denn der seit 15 Jahren erfolglos geführte „Krieg gegen den Terrorismus“ ist militärisch auch gegen den IS nicht zu gewinnen. Selbst dann nicht, wenn alle Akteure in Washington, Moskau, Ankara, Riad, Damaskus und Teheran, die sich verbal diesem Krieg verschrieben haben, tatsächlich an einem Strang ziehen würden.
Und selbst wenn eine türkische Regierung zur ursprünglichen Verhandlungspolitik Erdoğans mit den Kurden zurückkehren würde, bliebe das kurdische Konfliktpotenzial, solange nicht auch für die Zukunft der Kurden in den zerfallen(d)en Nationalstaaten Syrien und Irak eine befriedigende Lösung gefunden wird. Bis dahin dürfte die Türkei ein sehr schwieriger „strategischer Partner“ bleiben.
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