Kommentar Nahöstliche Zollfragen: Ein Urteil, keine Politik
Wer die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes als starkes Signal gegen die Siedlungspolitik Israels bejubelt, vergisst: Der EuGH ist nur ein Gericht, nicht der Ministerrat.
F ür alle, die die illegale israelische Siedlungspolitik verurteilen, ist das gestrige EuGH-Urteil eine Genugtuung. Es stellt fest, dass Sodabereiter, die in einer israelischen Siedlung in Ostjerusalem produziert wurden, nicht die gleiche Zollvergünstigung erhalten können wie Waren aus Israel.
Das heißt zunächst: Aus handelsrechtlicher Perspektive gehören die Siedlungen nicht zum israelischen Staatsgebiet. Und im zweiten Schritt: Waren aus widerrechtlich bebauten Gebieten werden nicht auch noch dadurch begünstigt, dass sie von der Einfuhrsteuer befreit sind.
Wer die Entscheidung als starkes Signal in der europäischen Außenpolitik bejubelt, vergisst aber eines: Ein Gericht ist kein Ministerrat.
ist EU-Korrespondentin der taz in Brüssel.
Die Juristen haben sich über Zollbestimmungen und Herkunftsbescheinigungen gebeugt und festgestellt, dass die Einfuhrpapiere die Vergünstigungen nicht rechtfertigen, da sie keine Angaben über den genauen Herkunftsort der Waren machen. Das schließt für die Zukunft nicht aus, dass die israelischen Behörden sich einen Verfahrenstrick einfallen lassen, der das formale Problem aus der Welt schafft. Wenn nicht, wird das die illegalen Siedlungen auch nicht stoppen, denn die finanziellen Einbußen sind marginal.
Wenn die EU mit ihrer Zollpolitik außenpolitisch etwas bewirken will, muss sie klar Stellung beziehen. Sie könnte zum Beispiel das Assoziationsabkommen mit Israel einschließlich aller Handelsvergünstigungen so lange aussetzen, bis Israel seine Zusagen erfüllt und die Siedlungstätigkeit auf palästinensischem Gebiet einstellt. Das forderten im Dezember mehrere Europaabgeordnete, nachdem ein Bericht über die aggressive Siedlungspolitik in Ostjerusalem bekannt geworden war.
Dazu aber müssten alle EU-Regierungen diese Linie unterstützen, auch die deutsche Bundesregierung. Ein Gericht kann den Außenpolitikern ihre Arbeit nicht abnehmen.
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