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Kommentar NSA-SpähaffäreDa kommt noch mehr

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der NSA-Skandal ist längt nicht geklärt. Doch zittern muss die Bundesregierung nur vor Edward Snowden und den Medien, nicht vor der Opposition.

Hautnaher Anti-NSA-Protest – hierzulande eher spärlich gesät Bild: dpa

K anzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) muss am Montag erneut im parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste aussagen. Vergangene Woche versuchte er, den NSA-Skandal für beendet zu erklären. Doch das war zu dreist und deshalb nicht erfolgreich. Er hatte letztlich die Opposition und die kritische Öffentlichkeit eher provoziert als ruhig gestellt.

Tatsächlich dürfte der NSA-Skandal noch lange nicht vorbei sein, auch, wenn die öffentliche Empörung momentan etwas abgegklungen ist. Die Überwachungspraktiken des US-Geheimdienstes NSA sind so exzessiv und werfen so viele Fragen auf, dass mit weiteren Enthüllungen zu rechnen ist.

So ist aus deutscher Sicht nach wie vor unklar, wie viele Kommunikationsdaten von Deutschen auf welchem Wege abgegriffen werden. Es ist unklar, wie lange die Daten von der NSA gespeichert und mit welchen Methoden sie ausgewertet werden. Man weiß jetzt nur, dass es nicht rund 500 Mio Datensätze pro Monat sind (sondern mehr oder weniger), weil diese Zahl etwas anderes beschreibt: die Menge der vom BND gesammelten und an die NSA weitergebenen Daten aus Afghanistan und Nordafrika.

Juristisch auf tönernen Füßen

Die Weitergabe der BND-Auslanddaten an die USA ist weder harmlos noch selbstverständlich. Selbst wenn die Daten nicht direkt zur Zielbestimmung für Drohnenangriffe verwendet werden können, so sind sie doch eine Hilfe, Verdächtige aufzuspüren, die dann getötet werden.

Außerdem wird langsam deutlich, dass die BND-Aktivitäten im Ausland juristisch auf tönernen Füßen stehen. Die Bundesregierung ignoriert einfach, dass die deutsche Staatsgewalt auch in Afghanistan und Nordafrika die Grundrechte achten muss.

Die bloße exzessive Überwachung durch die USA scheint die Leute nicht wirklich aufzuregen, wohl weil die USA fern ist und die Menschen kaum an die nächste USA-Reise denken. Auch eine missbräuchliche Weitergabe der NSA-Daten an deutsche Geheimdienste ist noch nicht belegt.

Wahlentscheidend wird die Geheimdienstüberwachung wohl nur, wenn mehr dazu kommt, zum Beispiel, dass die von der NSA gehorteten Daten nicht nur zur Terrorabwehr genutzt werden, sondern auch für illegitime Zwecke, etwa die Ausspähung der politischen Opposition in den USA und/oder in Deutschland.

Wenn Edward Snowden Belege hierfür hat, werden seine publizistischen Helfer sie noch vor der Bundestagswahl präsentieren. So können sie maximale politische und publizistische Wirkung erzielen. Ronald Pofalla muss vor dem Spiegel und dem Guardian zittern, nicht vor der Opposition im Parlamentarischen Kontrollgremium.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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12 Kommentare

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  • P
    Peterlustig

    Jetzt habe ich mal eine Frage, wen kann ich denn bei der Bundestagswahl wählen wenn ICh das nicht einfach hinnehmen möchte. Es geht hier meiner Meinung nach um eine der größten und wichtigsten Grundssatzfragen unserer Zeit. Und irgendwie scheint die Merkel dem ausweichen zu wollen, Steinbrück macht sich nur Sorgen um die Unternehmen aber was ist mit mir als Privatperson. Gibt es überhaupt eine Partei (außer den Piraten) die sich dagegen wehrt?

     

    Wenn ja welche? Was sagen die Grünen dazu und ist es realistisch, dass die etwas dagegen unternehmen oder wird das eigentlich sowieso weitergemacht?

  • "wenn mehr dazu kommt"

     

    Es ist eine grobe Illusion anzunehmen/vorzugeben, dass die NSA nur Daten aus der Ausspähung von Computernetzwerken anwendet.

     

    Alles, was elektromagnetische Strahlung aussendet, wird von der NSA eingeholt, und zwar Daten vom menschlichen Gehirn in hunderttausend von Fällen.

     

    Siehe z.B. hier zwei Artikeln von zwei weiteren NSA-Whistleblower, John St. Clair Akwei und Deep Thought.

     

    http://www.bibliotecapleyades.net/scalar_tech/esp_scalartech12.htm

    Ein Zitat: "NSA SIGINT can remotely (d.h.von Satelliten her) detect, identify and monitor a person's bioelectric field."

    http://deepthought.newsvine.com/_news/2013/07/15/19485087-can-a-satellite-read-your-thoughts-the-complete-technical-story-so-far

    Zitat: "Recently, thanks to Mr. Snowden, everyone has now been informed of programs such as PRISM, TEMPORA and the tapping of communications world-wide. All this info is swept up and fed into instances of the AI and cross-referenced with the info coming from EM sources.This will include realtime tracking of vehicles, humans, materials, weapons (including biological), mobile phones, laptops, tablets, WIFI, etc.

  • S
    Sowasvonegal

    Niemand muss da zittern. An SPD und CDU geht keine Wahl vorbei und damit ist das Thema Spionage schon erledigt. Niemand wird weniger Mails schreiben und seit 1993 habe ich mich gerade mal mit vier (!) Leute aus meinem Freundeskreis über PGP unterhalten können. Das Motto der C23 war "Wir haben verloren!" und damit ist alles gesagt. Gute Nacht, Wissensstandort, gute Nacht Privatheit - guten Morgen brave new world.

  • 500 Mio Datensätze jeden Monat das sind 6 Mrd. im Jahr ... rein statistisch wird jeder Deutsche 66 mal im Jahr ausspioniert und die Daten an die Geheimdienste dieser Welt verschachert! Alles ganz legal - sagt der Ronald wer da nicht auf dem Po fallat !!!

    • S
      scx
      @Christophe THOMAS:

      Wie oben im Artikel erwähnt, ist die Zahl 500 Mio die der Übergebenen Daten aus Afghanistan und Nordafrika. Die Daten, die von Deutschem Boden weitergegeben werden, könnten eine spürbar höhere Quantität aufweisen.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Die Taeuschungstaktik der USA liegt viel subkutaner. Bilder sind Karten. Wissenschaftlich sind Bilder und Karten synonym.

     

    Obama betreibt eine sehr effiziente und gezielte Kartenpolitik, naemlich mit was und wo er sich ablichten (oder auch blitzen) laesst. Bei unangenehmen Dingen tritt irgendwer der Administration auf, der dabei auch damit fotografiert wird. Unbekannte bleiben dazu nicht haengen bei den Leuten, sie vergessen.

     

    Obama tritt eben nicht vor Symbolen oder Gebaeuden der NSA auf oder in einer Drohnenfabrik etc. Stattdessen gehen Bilder Obamas auf Mandelas Leidensweg um die Welt. Obama verteilt gezielt falsche Karten. Was der betreibt kann man eben nicht Realpolitik nennen. Reinfallen tun massenweise deutsche Politiker. Wer sich auf falschen Karten orientiert haengt an den visuellen Faeden anderer.

     

    Wer das noch tiefer tut, kopiert und verschleiert gleichzeitig, glaubt sogar daran und findet nichts Falsches.

     

    Auch Snowden spielt staendig Karten aus. Die Karten gehoeren zum gleichen Spiel.

     

    Gegen das Spiel waren die gruenen Fundamentalisten glaubwuerdig, die Realos teilen sich Obamas Fotografen und Kamera.

    • @Andreas Urstadt:

      Auch Merkel treibt dieses durchsichtige Spielchen perfekt. Man sieht sie bei den Siegern im Fußball und auf Bildern zusammen mit den "Großen" aus Politik und Wirtschaft. So entsteht unterbewußt beim Betrachter der Eindruck, sie sei ein mächtiger Siegertyp. Aber Vorsicht! Auch Bilder nutzen sich ab. Wie war das noch als des Kaiser's neue Kleider fielen!?

  • WB
    Wo bleibt Angelas Machtwort?

    Friedrich ist genervt! Hat er nicht vor ein paar Tagen festgestellt, dass alles in bester Ordnung ist? Wieso glaubt ihr dem nicht?

  • M
    Meikel-FL

    Die Angela ist ja dabei, dass Thema tot zu ignorieren.

    Klappt ganz gut, denn im Wahlkampf ist die NSA nicht das große Thema und wird es wohl auch nicht mehr. Es sei denn, da kommt noch etwas Ungeheuerliches... Unsere Volksvertreter sind der Demokratie verpflichtet, aber bei diesem Thema (u. v. a.) merkt man das nicht...

    • S
      scx
      @Meikel-FL:

      Ich hoffe, daß, sollte die NSA-Affaire keine großen Auswirkungen auf das Wahlverhalten der Michelhorde haben, die Angelegenheit eben nach der Wahl die Köpfe unseren neuen/alten Regierung rollen läßt. Dann wählen wir später nochmal neu, und dann richtig.