Kommentar NPD-Verbotsverfahren: Demokratiefeindlich, nicht gefährlich
Ist das NPD-Verbotsverfahren mit dem Wahlverlust in Sachsen obsolet? In ihrem Niedergang ist die Partei kaum noch eine Gefahr.
S o viel ist klar: Nach den Sachsen-Wahlen ist die NPD weniger relevant als zuvor. Der Unterschied liegt nicht darin, dass die Nazipartei so viel Stimmen verloren hat, dass sie nun nicht mehr die 5-Prozent-Hürde schaffte. Entscheidend sind die Folgen der Wahl. Die Partei verliert ihr intellektuelles Kraftzentrum: Abgeordnetensitze, Mitarbeiter, Fraktionsgelder. All das durfte zwar nicht direkt für Parteiarbeit verwendet werden, strahlte aber natürlich aus.
Ist das vom Bundesrat eingeleitete Verbotsverfahren damit obsolet geworden? Formal ändert sich gar nichts. Der Antrag liegt in Karlsruhe weiter auf dem Tisch. Das Bundesverfassungsgericht muss über ihn entscheiden.
Auch der Bundesrat wird den Antrag nicht zurückziehen, wenn er seine eigene Argumentation ernst nimmt. Denn danach kommt es auf die Gefährlichkeit der NPD überhaupt nicht an. Welche Wahlergebnisse die NPD erzielt, wie desolat die Parteifinanzen sind – all das interessiert die Länderkammer nicht, für sie ist ein NPD-Verbot reine „Vorsorge“.
Letztlich kommt es auf den Maßstab an, den das Bundesverfassungsgericht anlegt. Wenn die Richter eine unmittelbare Gefahr für die Demokratie verlangen, wird der Verbotsantrag scheitern, schon vor der Sachsen-Wahl war die NPD schwach, zerstritten und im Niedergang, jetzt ist sie es erst recht. Lassen die Richter dagegen demokratiefeindliche Absichten genügen, dann ist das NPD-Verbot unvermeidbar. Ein Blick ins Parteiprogramm genügt.
Die Richter sollten daher das laufende Vorverfahren nutzen, sich über den Maßstab zu verständigen und diesen mitteilen. Wenn die Hürden hoch sind, ist das Verfahren wirklich obsolet. Dann könnte der Bundesrat den Antrag zurückziehen, bevor er anschließend abgelehnt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner