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Kommentar Multiresistente KeimeAb in den Stall

Kommentar von Hanna Gersmann

Die lebensbedrohlichen Keime vermehren sich erschreckend schnell. Die Politik muss jetzt dringend bei der Tierhaltung ansetzen.

Laborarbeit: eine Indikator-Kulturplatte zum Nachweis von resistenten Bakterien Foto: dpa

D ie klassische Medizin ist in Gefahr. Wer jetzt das Gesundheitsministerium übernimmt, muss sich darum kümmern. Er oder sie muss etwas dagegen tun, dass Menschen wegen eines Knochenbruchs ins Krankenhaus kommen, was eigentlich harmlos ist, dann aber plötzlich an einer Infektion sterben, weil gängige Antibiotika versagen. Er oder sie muss dafür über Ärzte und Krankenhäuser, über Desinfektionsmittel und Mundschutz hinaus denken und sich anlegen mit der Agrarindustrie.

Das wird nicht leicht. Doch das Ausmaß, wie sich die lebensbedrohlichen Erreger vermehren, ist erschreckend. Zumindest darüber dürften sich alle einig sein, seit Forscher diese Woche die Keime in Flüssen, Bächen und Badeseen gefunden haben. Gesunden Menschen machen sie erst einmal zwar wenig zu schaffen. Das kann aber schnell anders werden. Die Bakterien lauern im Körper, werden gefährlich, wenn man schwach ist, etwa operiert wird.

Schon heute sterben so allein in Deutschland jedes Jahr 15.000 Patienten. Im Jahr 2050 werden die Keime für den Menschen sogar tödlicher sein als Krebs, sagen Wissenschaftler voraus – wenn alles beim Alten bleibt, also bei der Überdosis an Antibiotika, die die Resistenzen provoziert.

Da muss die neue Regierung ansetzen, genauer: bei der Tierhaltung. Tierärzte verabreichen heute ein Mehrfaches an Antibiotika als Humanmediziner ihren Patienten. Sie geben sogar Reserveantibiotika, die eigentlich nur für den Notfall beim Menschen vorgesehen sind. Das hat vor allem damit zu tun, dass Tiere häufig zu eng stehen, auch mal in ihrem Dreck. Mit der starken Einsatz von Antibiotika verbreiten sich aber auch die gefährlichen Keime, etwa mit dem Schweine- oder Hähnchenfleisch, auch über die Gülle.

Das heißt: Wer im besten Sinne der Patienten Politik machen will, muss ab in den Stall, sich ums Tier kümmern. Anders gesagt: Gesundheitspolitiker müssen die industrielle Tierhaltung infrage stellen und mit ihrer Lobby streiten.

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taz-Autorin
War von 2002 bis 2013 in der taz, leitete dort zuletzt das Inlandsressort. Jetzt gehört sie zum Büro die-korrespondenten.de im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Sie schreibt vor allem über Umwelt-, Verbraucher- und Wirtschaftspolitik.
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7 Kommentare

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  • Die Schweinepest könnte bei der Eingrenzung des Problems eine ungeahnte Hilfe sein.

    • @Herbert Zahn:

      Es ist ein bißchen zynisch, ihr Kommentar. Auf jeden Fall haben die Hygienemaßnahmen seit dem Auftauchen der afrikanischen Schweinepest in Osteuropa etwas zugenommen. Nichts rein, nichts raus.

  • Sie wissen schon, dass die Menge der Antibiotika in der Tierhaltung in den letzten Jahren sehr stark abgenommen hat? Sie wissen schon, dass das in der Landwirtschaft sehr streng kontrolliert wird? Sie wissen, dass es ein internationales Monitoring gibt? Sie wissen, das Chlor auf Hühnchen gegen Keime helfen würde?

    Ihr Artikel ist reine Polemik gegen Tierhalter. Die würden übrigens gerne kleinere Einheiten halten, wenn es sich denn rechnen würde. Also: Außengrenzen der EU schützen, Standards vorschreiben und nicht multiresitente Keime vorschieben.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Merkel macht's, wollen wir wetten?

  • Da wird eine hoch gefährliche Problematik instrumentalisiert.

     

    Antibiotikagabe in der Tierhaltung ist nur ein Teil des Problems. Übermässige, sorglose Verschreibung bei z.B. normalen Virusinfektionen ist die Hauptursache.

    Antibiotika sollten nur bei strenger Indikation verordnet werden, bei unsachgemässer Verordnung sollte das Konsequenzen nach sich ziehen.

     

    Von dem Verkauf von Antibiotika in Supermärkten in vielen Ländern ganz zu schweigen..

    • @Klartext:

      Eine weltweite Apothekenpflicht für Antibiotika sollte man erwarten. Nun scheint das Zeug auch billig in kleinen Betrieben herzustellen sein, so dass man den Vertrieb und Verbrauch kaum kontrollieren kann. Mit medikamenten wird sowieso viel Schindluder getrieben (Fälschungen, falsche Wirkstoffe, abgelaufen, falsch gelagert).

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Klartext:

      Meines Wissens ist etwa die Zahl der von multiresistenten Keimen dahingerafften Menschen in Griechenland um einiges höher als hierzulande, was daran liegen soll, dass die griechischen Ärzte bei Krankheit viel eher Antibiotika verschreiben als deutsche Ärzte.

       

      Andererseits soll es ja einer Totaldesinfektion bedürfen, wenn man eine Truthahnbrust in seiner Küche seziert. Ich denke insofern, dass das Problem mindestens zweierlei ziemlich gleich schwerwiegende Ursachen hat.