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Kommentar Mord an Boris NemzowNeutrale Ermittler sind nötig

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Putin hat die Aufklärung des Mordes zur Chefsache erklärt. Das klingt gut. Damit ist aber kaum zu erwarten, dass auch in seiner Umgebung ermittelt wird.

Durch vier Schüsse getötet: Boris Nemzow (Archivbild, 2013). Bild: dpa

L ange waren sie Gegenspieler, Boris Nemzow und Wladimir Putin. Und lange schien es, als würde der Exgouverneur Nemzow, der mit einer Unterschriftenaktion gegen den Tschetschenienkrieg von sich reden gemacht hatte, Jelzins Nachfolger werden. Unter Jelzin war Nemzow Minister und stellvertretender Regierungschef. Doch 1999 machte der Geheimdienstler Putin das Rennen.

Nemzow waren mit der Ernennung von Putin als Nachfolger Jelzins zwar weitere Posten in der Führung des Landes verschlossen, das Ende seiner Karriere war Putins Machtantritt indes keinesfalls. Nemzow gehörte zu den Wortführern des Oppositionsbündnisses „Solidarnost“, kritisierte die Beteiligung russischer Militärs im Ukrainekrieg, galt als das Gesicht der Opposition gegen Wladimir Putin.

Nun muss in alle Richtungen ermittelt werden, also auch im Umfeld von Präsident Putin. Man mag zwar argumentieren, Putin sei nicht Nutznießer dieses Mordes, also könne sein Umfeld logischerweise den Mord an Nemzow auch nicht in Auftrag gegeben haben. Doch Feindschaft hat mit Logik wenig zu tun.

Wenn nun ausgerechnet Putin die Aufklärung des Mordes zur Chefsache erklärt, wird kaum zu erwarten sein, dass dies auch Ermittlungen in seinem Umfeld bedeutet. Wozu auch immer die Ermittlungen führen: In dieser Konstellation wird sich der Verdacht, der Mordauftrag könne direkt aus dem Kreml gekommen sein, nicht aus der Welt schaffen lassen.

Putin muss deutlich machen, dass er sich nicht von Rachegefühlen leiten lässt. Deswegen sollte er die Ermittlungen in neutrale internationale Hände geben. Und er sollte die ukrainische Pilotin Nadeschda Sawtschenko freilassen. Sollte diese in ihrem Hungerstreik sterben, könnten erneut Stimmen laut werden, die der russischen Führung unterstellen, sie lasse sich von Rachegefühlen leiten.

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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18 Kommentare

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  • SPIEGEL..Zitat: Während der Westen versucht, Russland zu isolieren, stellt sich China an die Seite Wladimir Putins. Hinter den Kulissen arbeiten Moskau und Peking bereits an Plänen für ein militärpolitisches Bündnis - eine Allianz, die die Kräfteverhältnisse auf der Welt dramatisch verändern kann. Zitat Ende

    Ich denke, China liegt vollkommen richtig: „Der Westen sollte sein Null-Summen-Spiel aufgeben und die tatsächlichen Sicherheitsbedenken von Russland in seine Überlegungen einbeziehen.“

    So sehen es auch die Experten der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die sehr plausibel beschreiben, warum der Westen an der Ukraine-Krise schuld ist. http://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/putin-reagiert-560/

    Trotzdem scheint auch die gesamte SPD-Führung nun in Russland „das Reich des Bösen“ zu sehen!

    Ist es bei Dr. Merkel anders? Fragte man deshalb schon am 16.10.2012: http://spiegelkabinett-blog.blogspot.de/2012/10/merkels-werdegang-einfach-nur.html

    Sollte man diese Frage nicht der “gesamten” Führungsriege der Gro Ko stellten?

  • Wenn man Bataillione wie Asow als "Regierungstruppen" bezeichnet die von Oligarchen besoldet werden, dann weiß man um was für eine Regierung es sich handelt. Vergessen wurden die fast 1 Million Flüchtlinge welche Russland aufnahm und die sind sicher nicht vor den Gräueltaten prorussischer Seperatisten nach Russland geflohen.

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    Der Beschuss einer Millionenstadt wie Donezk mit Artillerie und Bomben durch Kiews "Regierungstruppen"ist auch nichts anderes als ein Kriegsverbrechen was wohl genau so unter den Tisch landet wie Maidan Morde, Odessa Massaker und MH17.

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    Dieses Weißwaschen von Kiew, ob die totale Unterdrückung anderer Meinungen als Regime konforme, der Bann russischer Kunst und Kultur,der Entzug von Akkreditierungen von Journalisten, die Einstellung von Renten und sozialen Zahlungen, sowie Lohn und Gehalt an Bewohner der Ostukraine, das zeugt von gigantischen Menschenverachtung.

    • @GWalter:

      Sie beschreiben Kriegshandlungen! Krieg ist schrecklich, da haben Sie recht. Wer hat denn diesen Krieg vom Zaun gebrochen? Wer könnte wenn er wollte diesen Krieg beenden?

       

      Es läuft immer auf die selbe Person hinaus - wie auch immer man diesen Krieg betrachtet. Putin hält alle Fäden in der Hand...

    • @GWalter:

      Und die Ukrainer haben lange Gedächtnisse. Unterdruckt worden die Ukrainier - nicht die Russen. Oder haben Sie schon vergessen was in Sowjet Zeiten Gang und Gäbe war?

       

      Sie haben kein Verständnis von die Ukrainer - und alles was Putin macht ist Ihnen recht.

       

      Punkt.

    • @GWalter:

      "Vergessen wurden die fast 1 Million Flüchtlinge welche Russland aufnahm und die sind sicher nicht vor den Gräueltaten prorussischer Seperatisten nach Russland geflohen."

       

      Wie kommen Sie darauf? SOllten die dort bleiben wo die waren und sich abschlachten lassen? Die gehen dorthin wo die können - und damit belegen zu wollen das die Separatisten die "guten" sind, ist vorsichtig ausgedruckt, ziemlich schwach.

  • "Deswegen sollte er die Ermittlungen in neutrale internationale Hände geben"

     

    Ja klar, der Westen meint jetzt Russland vorschreiben zu können wie und mit wem ermittelt wird :-)

    • @fornax [alias flex/alias flux]:

      Aber nicht doch. Putin wird sich doch nicht dreinreden lassen, gegen wen er Schauprozesse führen läßt.

       

      Wo käme er denn da hin...

  • Die Chinesen ... haben die USA im Hinblick auf den US-Dollar ohnehin schon in der Hand wenn ich mir ihre Währungsreserven anschaue und die Tatsache, dass China inzwischen der größte Gläubiger Amerikas ist.

    Wenn sich Russland und China nun noch stärker verzahnen und auf der Weltbühne gemeinsam agieren, dann sehe ich für den Westen insgesamt auf Dauer schwarz.

  • SPIEGEL..Zitat: Während der Westen versucht, Russland zu isolieren, stellt sich China an die Seite Wladimir Putins. Hinter den Kulissen arbeiten Moskau und Peking bereits an Plänen für ein militärpolitisches Bündnis - eine Allianz, die die Kräfteverhältnisse auf der Welt dramatisch verändern kann. Zitat Ende

     

    Ich denke, China liegt vollkommen richtig: „Der Westen sollte sein Null-Summen-Spiel aufgeben und die tatsächlichen Sicherheitsbedenken von Russland in seine Überlegungen einbeziehen.“

     

    So sehen es auch die Experten der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die sehr plausibel beschreiben, warum der Westen an der Ukraine-Krise schuld ist. http://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/putin-reagiert-560/

     

    Trotzdem scheint auch die gesamte SPD-Führung nun in Russland „das Reich des Bösen“ zu sehen!

     

    Ist es bei Dr. Merkel anders? Fragte man deshalb schon am 16.10.2012: http://spiegelkabinett-blog.blogspot.de/2012/10/merkels-werdegang-einfach-nur.html

     

    Sollte man diese Frage nicht der “gesamten” Führungsriege der Gro Ko stellten?

    • @GWalter:

      Niemand sieht in Russland das Reich des Bösen. Die russische Bevölkerung leidet genauso unter der putinschen Oligarchenklicke, wie die Ukraine und andere unterdrückte Völker im putinschen Einflussbereich...

  • "Putin sollte die Ermittlungen in neutrale internationale Hände geben". Das klingt schön. Aber was bitte sind "neutrale internationale Hände"? Die USA, Deutschland, eine europäische Untersuchungsgruppe, China, ...???

    In der jetzigen Ost-West-Konstellation gibt es keine Neutralität und somit wäre das dümmste, was Putin machen könnte, die Ermittlungen an eine ausländische Untersuchungsgruppe zu geben.

     

    Und warum sollte Putin Nadeschda Sawtschenko frei lassen? Sie wird der Mittäterschaft an der Ermordung zweier russischer Journalisten beschuldigt. Bevor diese Anschuldigungen nicht widerlegt sind, gibt es keinen Grund diese Dame freizulassen. Oder werden in Deutschland etwa Mordverdächtige mal einfach so frei gelassen?

    Sich in einen Hungerstreik zu begeben, war die freie Entscheidung dieser Dame. Davon darf sich weder Politik noch Justiz erpressen lassen.

    • @exigent-x:

      Putin konnte bisher keinerlei Beiweise für die Anschuldigungen vorlegen - mal wieder ein typischer Schauprozess - und Sie tun so als wäre da auch nur irgendwo etwas rechtsstaatliches im Gange...

       

      Schämen Sie sich!

      • @Grisch:

        Warum sollte PUTIN Beweise vorlegen? Er ist kein Richter, sondern Politiker!

         

        Ob jemand schuldig ist oder nicht, entscheidet ein Gericht. Wenn Sie schon auf "Rechtsstaatlichkeit" hinweisen, sollten Sie das wissen. Bisher hat der Prozess nicht begonnen. Dort wird sich klären, ob diese Dame schuldig ist oder nicht.

         

        Einfach davon auszugehen, dass Nadeschda Sawtschenko unschuldig ist, weil Sie irgendwelche politischen Motive hinter der Verhaftung vermuten, hat jedenfalls mit Rechtstaatlichkeit NICHTS zu tun!

        • @exigent-x:

          Bei allen erforderlichen Respekt für Ihre Meinung: Putin entscheidet darüber ob jemanden für schuldig gefunden wird oder nicht.

           

          Die Richter führen nur das aus was Putins Regierung vorgibt. Es gibt keine unabhängige Justiz in Russland.

           

          Daher ist die Anforderung von Grisch passend. Nur was interessiert das ein Diktator?

  • „in neutrale internationale Hände“? Als ob es so etwas noch gibt?

  • Mir ist völlig unverständlich, wie jemand, der seine Sinne beisammen hat, behaupten kann, Putin profitiere nicht von dem Attentat. Nemzov war durch Weltbekanntheit geschützt, war der vielleicht bekannteste Oppositionelle, etc. pp. Jed/er der auf die nächsten Jahrzehnte in Russland Opposition machen möchte, wird sich doch denken MÜSSEN: Wenn Sie einen von dem Bekanntheitsgrad abknallen können, dann können sie kleine Leute doch erst recht umbringen. Dieser Tod ist eine KATASTROPHE für die russische Opposition.

    Und wie eigenartig, in einem funktionierenden Rechtsstaat käme kein Mensch auf die Idee, den Regierungschef zu verdächtigen. Seit wann kondolieren westliche Staatsleute der Mutter irgeneines auf der Brücke erschossenen Mannes?

    Putin aber kondoliert der Mutter und macht ein herzerreißendes medienhochgespultes Versprechen! Warum kommt eigentlich niemand auf die Idee mal zu fragen, wem das nützt?

    Und Putin hat damit natürlich genau das richtige getan, er weiß ja die Russen in der ganz großen Mehrheit sowieso hinter sich: Er hat seinen Sympatisianten eine schöne Geschichte gegeben, mit der sie von den eigenen Zweifeln ablenken können. Keiner seiner Anhänger muss da mehr die heile Putin-Welt in Frage stellen.

    Genau so geht der geniale Putinist mit der Situation umgehen, genau so - und zwar unabhängig davon, ob ihm dieser Mord auf dem Teller serviert oder ob er "nur" von ihm selbst angestiftet wurde...

     

    Aber nötig ist es nur, weil er schon längst bei Anhängern und Gegnern als einer bekannt ist, der die Opposition massiv bedrängt, einschüchtert - und WEIL ES SCHON DUTZENDE MORDE an Putingegner gab!

    • @Angelika Griehaber:

      " Nemzov war durch Weltbekanntheit geschützt, war der vielleicht bekannteste Oppositionelle, etc. pp. Jed/er der auf die nächsten Jahrzehnte in Russland Opposition machen möchte, wird sich doch denken MÜSSEN: Wenn Sie einen von dem Bekanntheitsgrad abknallen können, dann können sie kleine Leute doch erst recht umbringen."

       

      Dazu behauptet allerdings der taz-Korrespondent Klaus-Helge Donath, den ich bislang nicht als Putin-Fan wahrgenommen habe:

      "Die junge Generation kannte ihn nicht mehr. Viele haben das erste Mal auf den Demonstrationen gegen den Wahlbetrug bei den Dumawahlen im Winter 2011 von ihm gehört.....Boris Nemzow stand aber damals schon für eine längst untergegangene Epoche – die Zeit des Umbruchs der 1990er. Mit Alexei Nawalny hatte inzwischen ein neuer Kremlgegner die politische Bühne betreten...."

       

      Siehe

      http://www.taz.de/Portraet-Boris-Nemzow/!155574/

       

      Lügt Herr Donath Ihrer Ansicht nach?

      • @Age Krüger:

        Die Russen haben ihm aber nicht vergessen........