piwik no script img

Kommentar Merkels Reaktion auf OrlandoKeine große Solidaritätsgeste

Katrin Gottschalk
Kommentar von Katrin Gottschalk

Die Kanzlerin spricht von Toleranz anstatt von Akzeptanz. So garantiert man Lesben und Schwulen nicht die gleichen Rechte wie allen anderen.

In Deutschland blieb die große Trauer aus – selbst in der LGBT-Community Foto: dpa

S chön wäre gewesen: „Wir werden unser schwules und lesbisches Leben fortsetzen.“ Tatsächlich sprach Angela Merkel nur vom „offenen und toleranten Leben“, das von dem Attentat eines US-Amerikaners in einem LGBT-Club in Orlando nicht beeinflusst werde. Dass der Kanzlerin die Worte „schwul“, „lesbisch“ oder gar „LGBT“ nicht über die Lippen gehen in Zusammenhang mit einer großen Solidaritätsgeste, steht für ihre Politik.

Immer wieder forderte etwa der Lesben- und Schwulenverband die Kanzlerin auf, nicht von Toleranz zu sprechen, wenn es um Akzeptanz gehen müsse. Wer andere toleriert, kann mit ihnen ganz gut zusammenleben. Aber man garantiert ihnen nicht die gleichen Rechte. Oder um es mit den Worten der Kanzlerin zu sagen: „Für mich persönlich ist Ehe das Zusammenleben von Mann und Frau. Das ist meine Vorstellung.“

US-Präsident Obama reagierte ganz anders: Lesben, Schwule, Bisexuelle oder Transpersonen seien „fellow Americans“, Mitbürger_innen. Dass er genau benennt, wer in Orlando getroffen wurde, trägt dazu bei, die Opfer und ihre Identität sichtbar zu machen. Es ist ein wichtiger Schritt hin zu echter Gleichberechtigung.

Nicht nur Angela Merkel reagierte vergleichsweise verhalten auf den Anschlag in Orlando. Obwohl das Thema in den deutschen Medien seit Sonntagmittag nach und nach immer mehr Raum einnahm, blieb die große Trauer aus – selbst in der LGBT-Community. Ein paar Sträuße vor der US-Botschaft, ein Marsch von nur etwa hundert Personen durch Neukölln und Kreuzberg – während in London tausende Menschen auf die Straße gingen, um sich und das Leben zu feiern.

Vielleicht sitzt der Schock zu tief. In einzelnen Gesprächen fließen durchaus Tränen, kommt Verwunderung über die eigene Community zum Ausdruck – und wird Enttäuschung formuliert über eine Kanzlerin, die es noch immer nicht schafft, Schwulen und Lesben die gleichen Rechte zu garantieren wie allen anderen auch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Katrin Gottschalk
Vize-Chefredakteurin
Stellvertretende Chefredakteurin der taz seit April 2016. Vorher Chefredakteurin des Missy Magazine. Aufgewachsen in Dresden. Schreibt über Kultur, Feminismus und Ostdeutschland. In der Chefredaktion verantwortlich für die digitalen Projekte der taz. Jahrgang 1985.
Mehr zum Thema

35 Kommentare

 / 
  • Ja, das kann passieren. Auch der Mörder von Jo Cox hat die Achtung vor der körperlichen und seelischen Unversehrtheit eines anderen "nicht gewährt", obgleich Jo Cox selbst, ihr Mann, ihre beiden Kinder und alle, die ihr nahestanden, diese Achtung für sie einfordern.

     

    Es gibt zwei Arten von Mitbürgern:

     

    Die einen sehen den rechtlichen Rahmen unseres Zusammenlebens, der den Menschen z.B. die Unantastbarkeit ihrer Würde zusichert, als nicht verhandelbare Voraussetzung ihres eigenen Handelns. Für sie ist es selbstverständlich, dass jemand diese seine Rechte einfordert.

     

    Die anderen erkennen diesen rechtsstaatlichen Rahmen bereits nicht mehr an (vgl. bspw. Leipziger Mitte-Studie 2016). Für sie ist die Achtung der Würde des anderen also keine Voraussetzung ihres Handelns, und wenn jemand diese Achtung von ihnen einfordert, so betrachten sie dies als Anmaßung und überlegen sich, ob sie Achtung im Einzelfall großmütig "gewähren".

     

    Was macht nun also mit Gruppe II, deren Mitglieder die AGBs des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Deutschland aufgekündigt haben?

  • "Was macht ihr denn wieder für eine schrille Krakeelerei?"

    "Müsst ihr denn immer eine Extrawurst braten?"

    "Euer Problem ist jetzt auch nicht sooooo wichtig, dass man es den ganzen Tag rauf und runter durch Nachrichten und Kolumnen jagen muss!"

    "Eigentlich geht's Euch doch gut!"

    "Wir würden euch ja gerne tolerieren, wenn ihr es nicht ständig und überall einfordern würdet."

     

    Meine Erfahrung ist, dass die meisten Menschen nicht verstehen, was denn dabei eigentlich das Problem sei, wenn man in Gottes Namen halt dann eben nicht Hand in Hand durch die Stadt gehen kann. Drum erzähle ich mal, was für mich das Problem ist:

     

    Wenn ich mit meinem Partner durch die Stadt gehe, dann gibt es oft Momente, in denen ich den Impuls habe, ihm meine Liebe zu zeigen. Einfach so. Weil wir beide da sind. Weil es Sommer ist. Weil es schön ist mit ihm. Und ja - auch, weil ich gern der ganzen Welt zeigen will, dass ich mich darüber freue, dass wir ein Paar sind.

    Schwul? Oder einfach menschlich?

     

    Könnt Ihr Heteros es nachvollziehen, wenn ich Euch erzähle, dass in meinem bisherigen Leben Tausende solcher Impulse, die Hand meines Partners zu fassen, in Gefühle von Furcht, Sorge, Misstrauen, Trauer, Zweifel umgeschlagen sind?

     

    Jetzt könnt Ihr natürlich sagen: Naja, wir alle müssen im gesellschaftlichen Zusammenleben unsere Impulse kontrollieren.

     

    Ja, das stimmt. Aber ich unterdrücke den Impuls, die Hand meines Partners zu fassen, weil ich mich der Verachtung der anderen Menschen nicht aussetzen will. Verachtung meiner Person wohlgemerkt - nicht Missbilligung meiner Handlung. Also tue ich's meistens nicht, denn der Preis ist mir zu hoch.

     

    Und weil ich dies so erlebe, jeden Tag meines Lebens, seit ich denken und lieben kann, bin ich schrill, brate Extrawürste, treibe die Sau durchs Dorf, sag ich, dass es mir so nicht gut geht.

     

    Und ich fordere Achtung von Euch. Mir egal, ob Ihr das politisch korrekt / ideologisch / aufdringlich findet.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @mats:

      Wer Achtung fordert, muss damit rechnen, dass sie ihm nicht gewährt wird.

    • @mats:

      Danke, Mats für den klitzekleinen Einblick in unseren Alltag, den du anderen hier gewährst, jenen die sich mit voller Selbstgewissheit als fortschrittlich, links, aufgeklärt, liberal, weltoffen oder systemkritisch verstehen.

       

      Wir jammern nicht viel rum und begeben uns auch ungern in irgendeine Opferrolle. Diese Zeiten sind vorbei!

       

      Wir sind uns auch bewusst, dass wir auf eure Solidarität angewiesen sind, wenn´s um die Herstellung von Gleichstellung und Gleichberechtigung geht. Ab und zu, und da geht´s mir wie Mats ist man / frau schon etwas enttäuscht, dass wir da von Linken oftmals wenig bis gar keine Solidarität verspüren.

       

      Viel Spaß weiterhin beim „Ideologiekritik“ üben oder sich von "PC-Tugendwächtern-verfolgt-fühlen", Herr/Frau ATALAYA.

       

      Ich wende mich wieder dem Beratungsalltag mit unseren Traumata-gestressten Asylbewerbern aus dem Schwulen-Paradies Russland zu. Die Kerle sind fast alle nach körperlichen Attacken vor Zuständen geflohen, die maßgeblich ein Präsident zu verantworten hat, der eine rechte, völkisch-nationalistische Agenda durchzieht und trotzdem immer noch von einigen sich als „links“ begreifenden Leuten bei jeder Gelegenheit reingewaschen wird.

  • Ich habe zuvor auf die Ursache-Wirkungszusammenhänge in mühsamen Emanzipationsprozessen hingewiesen. Die Kodifizierung in Verfassungs- oder Gesetzestexten erfolgt zu irgendeinem historischen Zeitpunkt , wenn Mehrheitsentscheidungen oder Aushandlungsprozesse dies erlauben.

     

    Niemand hat behauptet, dass dann schon Akzeptanz bei allen hergestellt ist. Die geltende Steuergesetzgebung hat auch nicht die Illusion zur Folge, dass es keine Panama-Fans oder Uli Hoenesse mehr geben wird.

    • @Daniel L:

      nur zum Bezug, der Vollständigkeit halber, siehe ATALAYA ca. 13:35 Uhr

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Merkel taktiert: Sie schielt vor Ausbruch ihrer Emotionen nach rechts und stellt dann fest, dass sie diese lieber unterdrückt.

    Was sie nicht sagt, kann man ihr nicht vorwerfen.

    • @571 (Profil gelöscht):

      ... genau, so ist das Politik"geschäft".

       

      Deswegen wird die LGBT-Gemeinde bis zur BT- Wahl 2017 auf dem Munde führender CDU´ler auch kein Wort der Solidarität mehr hören ...

  • Oh Gott, die Obama-Bewundererfraktion!

     

    Ob der Drohnenmörder schönere Worte findet als die Bundeskanzlerin, man kann ja auch sehr wütend sein auf ein Land, dass es nicht hinkriegt Sturmgewehre aus Bürgerhand zu nehmen.

     

    WARUM soll sich die Bundeskanzlerin überhaupt zu den Vorfällen in Orlando äußern?

    • @Ansgar Reb:

      Das war ja nun ein klassisches ´What-aboutism?' Was hat der illegale Drohnenkrieg mit einem Hate-Crime und Fragen der angemessenen Reaktion darauf zu tun? Solche Reiz-Reakation-Postings kenne ich eher von ganz rechts aus dem Netz.

       

      Sie haben noch vergessen die gesamte Imperialismustheorie miteinzubauen...

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Verwischen tun den Unterschied jene, die Akzeptanz als ein Menschenrecht sehen, das sie glauben, diskursiv und staatlich einklagen zu können. Das hat mit heteronormativen Codes formal betrachtet gar nichts zu tun. Man sucht lediglich nach einem Grund, Merkel oder anderen etwas zu unterstellen, so auch in diesem Artikel.

     

    Es gibt kein Recht darauf, Befindlichkeiten zum Gesetz zu machen. Die Freiheit besteht darin, dem anderen seine Redefreiheit zu lassen und ihn nicht auf einen konkreten Sprachgebrauch zu vergattern, der ohnehin selten deckungsgleich mit dem ist, was eine Person zum Thema denkt oder fühlt. Hier gerät der Wunsch nach politischer Korrektheit zur lingualen Diktatur.

     

    "Respekt" ist ebenso ein Wort, das seit einigen Jahren überstrapaziert und geradezu aggressiv begrifflich erobert wird. Laut Duden ist Respekt die 1. auf Anerkennung, Bewunderung beruhende Achtung vor jemandem, 2. die aufgrund von jemandens höherer, übergeordneter Stellung empfundene Scheu, die sich in dem Bemühen äußert, bei dem Betreffenden kein Missfallen zu erregen.

     

    Keine der beiden Beschreibungen trifft auf die Situation zu. Respekt wird nicht geschuldet, Respekt verdient man sich oder erzeugt ihn durch "höhere" Stellung. Dass "Respekt" unter Kaiser Wilhelm ebenso aufdringlich eingefordert und (vor allem gegenüber dem im weiteren Sinne Soldatischen) ausgesprochen wurde wie heutzutage, sollte zu denken geben.

     

    Aber statt den Begriff sich zu erarbeiten, wird er schlicht soweit zurechtgebogen, bis er dazu instrumentalisiert werden kann, sich selbst zu erhöhen und andere ob ihrer fehlenden Compliance zu diskrimieren.

     

    Mag sein, dass Merkel und Co. in Bezug auf LBGT Vorurteile haben, die sich in ihrer Sprache offenbaren. Mag aber auch sehr gut sein, dass sie einfach nicht so beliebig mit den Begriffen der deutschen Sprache umgehen.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Akzeptanz von Menschen mit anderer Hautfarbe, von Frauen oder von Schwulen & Lesben drückt sich darin aus, dass gesellschaftliche Veränderungsprozesse sich nach langen aufklärerischen Kämpfen um Anerkennung und Gleichberechtigung auch in Verfassungs- und Gesetzestexten wiederspiegeln. Sie können noch so verkrampft versuchen den Begriff „Respekt“ nur eindimensional auszulegen und, du liebe Güte, gleich Kaiser Wilhelm bemühen. Auf diese Form von Respektsbezeugung pfeife ich. Hier geht es um das Menschenrecht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz und die Achtung der Menschenwürde nach Art. 1 GG.

       

      Konservative Großgrundbesitzer in den Südstaaten der USA mussten nach 1865 irgendwann mal „akzeptieren“, dass die Gesellschaft das Sklavenhaltertum mehrheitlich nicht mehr hinnimmt, ebenso wie verbohrte Konservative nach 1918 feststellen mussten, dass Frauen auch intelligente Lebewesen sind und daher ihnen das Wahlrecht eingeräumt wurde. Lernprozesse, Erkenntnisgewinn. Kein Konservativer will das heute zurückdrehen. Es wurde über die Zeit hinweg akzeptiert und diese betroffenen Gruppen werden respektiert als Gleichberechtigte. Seinen Niederschlag findet dies in Recht und Gesetz. Das Heiratsverbot für uns Schwule und Lesben wird irgendwann auch fallen, wenn man die stringente Argumentation des Bundesverfassungsgerichts der vergangen 15 Jahre zu allen LGBT-Themen analysiert. Kein Schwuler wird gezwungen werden zu heiraten, keinem Hetero wird was entzogen.

       

      Die Gesellschaft ist viel weiter. Die Zustimmungswerte in Umfragen zur „Ehe-für-alle“ in der BRD liegen in dem Prozentbereich mit dem sich die katholischen Iren mit großer Mehrheit für Akzeptanz, Respekt und Mitmenschlichkeit per Referendum ausgesprochen werden.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Daniel L:

        Sie schreiben komplett an dem vorbei, was ich geschrieben habe. Die Akzeptanz drückt sich keineswegs in Gesetzestexten aus. Wenn dies so wäre, bedürfte es keiner Gesetze. Ich lege auch den Begriff Respekt keineswegs eindimensional aus, sondern ich kritisiere seine Umdeutung. Das ist Ideologiekritik, mit der Sie offenbar wenig am Hut haben.

         

        Die Sklaverei wurde überdies abgeschafft, weil sie sich ökonomisch nicht mehr rechnete. Natürlich waren auch hier eingefleischte Vorurteile dafür verantwortlich, dass sie sich in manchen Gegenden länger hielt.,

    • @849 (Profil gelöscht):

      Sie betrachten also die sexuelle Orientierung eines Menschen, den Gegenstand seines Begehrens als eine Befindlichkeit? Etwas, was er sich aussuchen kann? Und Recht ist immer positives Recht. Es ist also verhandelbar. Das Recht einer Majorität ergibt nicht aus dem schlichten Tatbestand der Majorität. Legitimität kann ein Gesetz nur durch Verfahren bekommen. Und die Vorstellung einer Frau Merkel, das Ehe etwas zwischen Mann und Frau sein sollte, ist schlicht und ergreifend Privatsache. Die Zeiten ändern sich, und wir, in ihr, mit ihr. Alte Schwule haben sich noch als 175er bezeichnet. Fragen Sie mal Udo Walz. Es hat Zeiten gegeben, da sind Schwule in das KZ gegangen, nur weil sie schwul waren. Es geht hier nicht um Respekt. Es geht um Gleichbehandlung. Lesen Sie den verlinkten Artikel hier aus der "Welt". Der beschreibt sehr gut, um was es hier geht. Man muss nichts unterstellen. Die gesellschaftliche Realität spricht eine deutliche Sprache.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @higonefive:

        Man kann schlichterdings kein Gesetz machen, dass alle dazu zwingt, Homosexuelle zu akzeptieren. Man kann nur den Rahmen dafür setzen, dass sie dieselben Rechte wie alle anderen haben. Dagegen habe ich nichts geschrieben. Aber es ist bezeichnend, dass bei vielen Leuten immer Trigger ausgelöst werden, sobald sie etwas lesen, was ihnen irgendwie verdächtig vorkommt. Erst lesen und denken, dann schreiben!

  • Wenn Frau M.´s Bauchgefühl mal wieder stärker ist als der Verstand.

     

    Die Tatsache, dass der inhaltliche Unterschied zwischen „Toleranz“ und „Akzeptenz“ im Zusammenhang mit schwul-lesbischen Themen so en passent verwischt wird, sagt vieles aus über einen Diskurs, der von heteronormativen „Codes“ geprägt ist.

     

    Und darin kommt eben auch zum Ausdruck, dass ein dritter Begriff mit hineinspielt: Respekt oder konkret eben der mangelnde Respekt gegenüber einer Bevölkerungsgruppe, die von Konservativen nach wie vor herabgestuft wird, die man glaubt qua Parteiprogramm zu Bürgern zweiter Klasse machen zu können mittels Ehe- und Adoptionsverbot. LGBT-Diskriminierung als CDU/CSU/AfD-Markenkern.

     

    In Anbetracht der CDU-Profilierungsbemühungen nach ganz rechtsaußen haben Schwule von den Parteien rechts der SPD/Grüne/FDP nicht zu erwarten. Volker Beck, den ich ich sehr schätze, darf schon mal die „Sprachregelung“ vorbereiten, wenn die Grünen nach dem Abzeichnen des CDU/CSU/Grüne- Koalitionsvertrags vom November 2017 das CDU-Diktat schlucken müssen und die Öffnung der Ehe+Adoptionsrecht von Merkel & Seehofer per Delete-Taste eiskalt aus dem Vertrag geschmissen wird.

    • @Daniel L:

      Ich springe mal über meinen Schatten und erlaube mir einen Artikel aus dem Hause Springer zu verlinken.

      http://www.welt.de/politik/ausland/article156196248/Es-ist-nicht-eure-Welt-die-hier-zerschossen-wurde.html

       

      Er bietet einen kleinen Einblick in die Gefühlswelt der LGBT-Community nach Orlando und hebt auf das Unverständnis der „Mehrheitsgesellschaft“ ab. Ein sehr persönlicher Beitrag eines schwulen Feuilletonisten, der an dieser Stelle zwar eingesteht die Grenze zwischen Professionalismus & Betroffenheitsverlautbarung zu überschreiten aber wenn dies offen geschieht, ist es ein ehrlicher Diskussionsbeitrag.

      • @Daniel L:

        10.000+. Danke für den Link.

        • @higonefive:

          high-five :)

  • Und das Problem, in einer Nussschale, abseits der einfachen Antworten:

     

    „…Mein realistischer Standpunkt kontrastiert stark mit dem eines theologischen Absolutismus, vielleicht am besten zusammengefasst mit der berühmten Aussage Dostojewskis in ‚Die Brüder Karamasov’: „Wenn es keinen Gott gibt, dann ist alles erlaubt.“ Die Abwesenheit eines transzendentalen, universalen Maßverhältnisses zieht nicht die Abwesenheit von Maßverhältnissen überhaupt nach sich. Die Zerstreuung von Maßverhältnissen quer zu einer Sphäre zwischen den Objekten – in der wir und alle anderen Objekte gefangen sind, von zweischaligen Weichtieren des Meeres bis hin zu vielgestaltigen Konfigurationen kosmischen Staubs – konterkariert die Möglichkeit jeder vertikalen, unilateralen oder sogar bilateralen Normativität, es stellt das Normative präzise als horizontal und multilateral heraus. Wir können vielleicht die Aussage des Mitya aus Dostojewskis Roman stattdessen so lesen: „Wenn es keinen Gott gibt, dann ist nichts [einfach] erlaubt.“…“

     

    Harmon, Justin L., „The Normative Architecture of Reality: Towards an Object-Oriented Ethics“ (2016).Theses and Dissertations-Philosophy. Paper 9; S. 2f. http://uknowledge.uky.edu/philosophy_etds/9.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Toleranz kann man in einem demokratischen Staat einfordern, Akteptanz nicht. Die kann sich nur ergeben, z.B. durch Erfahrung im Miteinander. Wer Akzeptanz dennoch einfordert, ist selbst der Intoleranz verdächtig.

     

    Toleranz schlicht als Duldung abzutun, ist zudem vollkommen untriftig. Toleranz ist eine aktive Haltung, andere in seinem Sosein gelten zu lassen. Dass aus einer solchen Haltung resultieren solle, dass man anderen nicht dieselben Rechte garantiert, ist eine Zirkelargumentation: man macht sich einfach einen negativen Begriff zurecht und lädt diesem dann die Schuld auf.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Ihre Antwort zeigt, dass bestimmte Analysen und Denkweisen immer noch ausgeschlossen sind, nicht zugelassen werden dürfen. „Toleranz“ ist nicht ein negativer Begriff, er muss aber gesehen werden dürfen als das was er auch sein kann, nämlich ambivalent und dann eben auch fragwürdig, d. h. des Fragens (Hinterfragens) wert.

      Diese „Toleranz“ kann dazu führen, dass ich, Krankenpfleger, von einem Kollegen, heterosexuell, am Ende seiner Laufbahn immerhin Stationsleiter geworden, zu hören bekam: „Ich würde das nicht noch einmal machen, Krankenpflege. Man bekommt keine Anerkennung für seine Leistung, und als Mann gilt man eh als schwul.“ Ein anderer Kollege, offen schwul lebendstellte in einer Diskussion, bei aller „Toleranz“, in der es um Toleranz gegenüber einer Orientierung, eines Lebensentwurfes ging, und in der die Äußerung kam: „ihr habt doch hier nichts mehr auszustehen“, dieses in Frage, aufgrund eigener Erfahrungen. Noch ein anderer Kollege, auch schwul, berichtete von seinem Coming Out, und äußerte die immensen Schwierigkeiten, die er dabei hatte, auch einer gesellschaftlichen Verfasstheit gegenüber. Er kam zu dem Schluss, dass er keinem den Rat dazu geben würde, angesichts seiner Erfahrungen, und dass demgegenüber ein Leben im Geheimen auch nicht mehr Druck machen würde.

      Bei der sexuellen Orientierung geht es nicht um eine politische Orientierung oder einen modischen Geschmack. Es geht um das Kernsein eines Menschen. Und dafür darf man nicht nur „Toleranz“ einfordern in einer demokratischen Gesellschaft, die sich als aufgeklärt betrachtet, sondern dann eben vor allem auch Akzeptanz. Barack Obama, auch ein Minoritärer, sagte: „fellow americans“. Zirkelschluss ist etwas anderes.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @higonefive:

        Was hat "fellow Americans" mit Akzeptanz zu tun? Habe ich ein Problem damit, Schwule oder Lesben als deutsche Mitbürger zu bezeichnen? Gewiss nicht!

         

        Das "Kernsein" eines Menschen ist zudem ganz gewiss nicht seine sexuelle Orientierung. Aber mal davon abgesehen: gegenüber jedweder Orientierung oder jedwedem wie auch immer definiertem "Kernsein" kann niemand von irgendwem Akzeptanz verlangen. Niemand muss etwa fundamentalistische Christen oder Muslime akzeptieren, auch wenn diese ihre Überzeugungen für ihr "Kernsein" halten. Ich muss ihnen vielmehr mit einer Haltung begegnen, die sie nicht von vornherein als nicht gesellschaftsfähig abstempelt, also offen sein für die "Be-gegnung" und das "Er-fahren" mit und durch sie. Nur so können beide Seiten sich verständigen und sich vielleicht auch zu akzeptieren lernen.

         

        Dergleichen nennt sich Toleranz, nicht Akzeptanz. Das Einfordern von Akzeptanz, um es noch deutlicher zu sagen, ist für mein Dafürhalten antidemokratisch und antiaufklärerisch und daher gefährlich!

         

        Zwar kann ich gut verstehen, dass Schwule und Lesben gern akzeptiert sein möchten, aber dazu ist ein Klima der Toleranz erforderlich. Wer meint, dieses durch (öffentlichen oder agitatorischen) Druck, Zwang oder ähnliches erzeugen zu können, fördert das Problem, das er beklagt, statt es zu lösen.

  • Ich kann dieses schwammige, verzagte Wie-kann-ich-nur-jaaaaa-niemandem-auf-die-Füße-steigen-Toleranz-Gedöhns nicht mehr hören!

     

    Sexuelle Identität ist weder toleranzbedürftig noch überhaupt Gegenstand von Toleranz, ebenso wenig wie die Augenfarbe eines Menschen, das Wetter von gestern oder die Tatsache, dass die Erde der dritte Planet im Sonnensystem ist. Ob wir's tolerieren oder nicht: das juckt das Universum überhaupt nicht. Tolerieren kann/muss man Meinungen, Überzeugungen, Verhaltensprinzipien.

     

    Aber meine Liebe ist keine Meinung.

     

    Es ist Teil der jahrtausendealten Infamie, die Liebe eines Menschen zu einem anderen als verhandelbaren Teil seiner "Weltanschauung", "Sitte" oder "religiösen Überzeugung" zu kategorisieren – wofür man ihn dann schon mal bei lebendigem Leibe (und im Namen eines Propheten oder Messias) verbrennen kann.

     

    Meine Liebe ist keine Überzeugung.

     

    Und die entscheidende Frage ist keine weltanschauliche, sondern eine unseres Gesellschaftsvertrags: Wollen wir unsere Werte einer freien und gerechten Gesellschaft verteidigen, dazugehörig auch den gesellschaftlichen Schutz der körperlichen und seelischen Integrität jedes einzelnen – Ja oder Nein? Frau Merkel: Ja oder Nein?

     

    Meine Liebe zu meinem Mann ist keine Meinung. Ist keine Überzeugung. Ist kein Verhaltensprinzip. Ist keine Weltanschauung, keine Sitte und keine Religiosität. Ich wurde geboren, und wie ich mich und die Welt vorfand, war ich entbrannt in Sehnsucht nach diesem Mann. Und schließlich fand ich ihn – unter Milliarden. Ich pfeife auf Ihre Toleranz, Frau Merkel, denn ich habe den Segen des Einen, sei sein Name nun Jhwh, Allah oder Gott. Und mit seinem Segen auf mir werde ich lieber mit einer Kugel im Bauch enden, als um die "Toleranz" irgendeines Menschen zu betteln.

     

    Wer ist mit mir? Wer ist gegen mich? Bekennt Euch!

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @mats:

      Jede Identität ist toleranzbedürftig, wenn sie sich im gesellschaftlichen Kontext entfaltet. Das gilt für Paarbeziehungen wie für Beziehungen zwischen Menschen ganz allgemein.

  • Toleranz: „Achtung und D u l d u n g gegenüber anderen Auffassungen, Meinungen und Einstellungen.“ Oder: „das Maß, in dem etwas von einem Standardwert abweicht.“ Das ist der Unterschied zu Barack Obama, der von MitbürgerInnen sprach und deren Lebensentwurf nicht nur duldete, sondern von einer Gleichwertigkeit sprach, ihn als Möglichkeit anerkannte. Wer nur duldet, „toleriert“, auch eine Liebesfähigkeit, die nur das gleiche Geschlecht meinen kann, warum auch immer, spricht Menschen ihr Ganzsein ab. Fortpflanzung allein kann aber nicht das Ziel von Sexualität, von Liebesfähigkeit sein. Sie dienen, das kann man schon bei den Bonobo-Affen beobachten, vor allem der Stabilisation einer Gemeinschaft. Auch Heterosexuellen kann man dann im Umkehrschluss ihr Ganzsein absprechen.

     

    Wenn man näher hinschaut, sieht man den Besuch des ‚Pulse’, mehrmals, das Sich betrinken. Der einsame Wolf. Man kann auch anderes hineininterpretieren. Den Ekel, den Selbsthass, angesichts eines Begehrens, das keinen Ausdruck finden darf angesichts der Erwartungen der Eltern, der Religion und der Gesellschaft. Ein Selbsthass angesichts eines Begehrens, das als Defekt wahrgenommen wird, der sich in einer Abwärtsspirale hin zu einem ins grenzenlose erweiterten Selbstmord entwickelt, selbst an seinem Ende noch Camouflage betreibend in seinem Bekenntnis zur IS.

     

    Toleranz. Der Attentäter von Orlando hatte zum Schluss wahrscheinlich keine Toleranz mehr, sich selbst gegenüber. Für mich ist es ein fragwürdiges Wort geworden.

  • Wer möchte große Solidaritätsgesten und für was? Und von welchem 'wir' sprecht ihr bei der taz eigentlich immer? Ich bin als Schwuler jedenfalls exakt genauso erschüttert wenn 50 heterosexuelle Menschen sterben. Mir geht es echt gehörig auf den Zeiger in diesen identitären Debatten als Teil eines 'wir' vereinnahmt zu werden. Ein Mensch ist ein Mensch und ein getöteter Mensch ist einer zuviel. Kommt mal in der Aufklärung an und nehmt den Rechtsstaat ernst. Ich möchte von Gesetz und Staat nicht benachteiligt werden, das fordere ich von Merkel. Vereinnahmende, vermeintlich liebevolle Gesten, in denen meine Identität irgendeiner Gruppe oder community zugeschlagen wird. NEIN, danke!

  • Bei dem Gewähren von gleichen Rechten geht diese Kanzlerin eben sehr selektiv vor.

     

    Das Beispiel Flüchtlinge macht zudem deutlich, dass sich sehr schnell ändern kann, wem dieses "Privileg" aus Merkels Sicht jeweils zugestanden wird und wem nicht....

  • "Toleranz anstatt von Akzeptanz" ein bisschen was von Goethe und schon hat man was schlaues gesagt.

     

    Was Frau Merkel noch so toleriert hat und es dann akzeptiert hat können wir in Büchern und sogar in Wikipedia nachlesen und schon ist dieser sazt nur noch Schall und Rauch.

  • Mit latent kann man die Anti-Merkel-Haltung der Autorin nicht mehr beschreiben.

     

    „offenen und toleranten Leben“

    ist nicht unbedingt sonderlich konkret, aber daraus eine Ausgrenzung von Schwulen und Lesben herauszulesen ist schon ein Kunststück.

  • Tja, hat eben nur LGBT getroffen, die gehören eben auch nicht wirklich zu dem wundervollen "WIR"!

     

    Entlarvend und zum Kotzen!

  • Zitat: Schön wäre gewesen: „Wir werden unser schwules und lesbisches Leben fortsetzen.“ Tatsächlich sprach Angela Merkel nur vom „offenen und toleranten Leben“

     

    Aber wir sind nunmal nicht alle schwul und lesbisch. Das so zu formulieren wäre schlichtweg die Unwahrheit. Wenn manchen Leuten Offenheit und Toleranz füreinander nicht mehr genug ist, dann weiß ich nicht, welche Art von Gesellschaft die sich vorstellen. Man sollte vielleicht einfach mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Schon, aber sie hat damit "Orlando" außen vor gelassen und - mit Verlaub - ausweichend und unaufrichtig generalisiert und damit den Betroffenen ihre Anteilnahme regelrecht verweigert.

      • @571 (Profil gelöscht):

        Na, wer Merkels Anteilnahme braucht, kann einem nur Leid tun.

  • Frau Merkel ist keine autokratische Herrscherin, die irgendetwas "garantiert" oder "garantieren" könnte.

    Wer das von ihr erwartet, sollte sich über einen Umzug nach Peking, Moskau oder Ankara informieren.

    Dann hätte er/sie die Gewähr, dass die vom "Volk" geliehene Macht derart übergriffig gebraucht würde, wie gewünscht.

     

    Was ich aktuell erwarte: Eine Reaktion des Bundespräsidenten.