Kommentar Merkels Flüchtlingspolitik: Abschottung mit menschlichem Antlitz
Angela Merkels perfekt inszenierter Auftritt verblasste schon nach einem Tag. Seehofer und Frontex holten die Kanzlerin in die Realpolitik zurück.
S ie strahlte nur einen Tag. So schnell ist das schöne Bild einer konsequenten Kanzlerin mit komplett zufriedener Gefolgschaft selten in seine weniger schönen, komplizierten Einzelteile zerfallen wie bei diesem CDU-Parteitag.
Schon einen Tag nach Angela Merkels perfekt inszeniertem Auftritt samt Kuscheln mit Plüschwolf traten zwei eher unsympathische Wachhunde ins Bild, die all die Widersprüche der deutschen Flüchtlingspolitik deutlich machten: Horst Seehofer und die EU-Grenzschutzbehörde Frontex.
Direkt nachdem die CDU das unfreundliche Wort „Obergrenze“ rhetorisch umschifft hatte, forderte sie der Chef der Schwesterpartei wieder ein. Was auch sonst, da die CSU dies gerade erst beschlossen hatte? Und direkt nachdem Merkel ihre sommerliche Grenzöffnung mit einem „humanitären Imperativ“ begründet hatte, kündigte die EU-Kommission neue „Eingreiftruppen“ zum Schutz der Außengrenzen an, die im Notfall auch gegen den Willen der Grenzstaaten eingesetzt werden sollen.
Wer sich nun fragt, wie das alles zusammenpassen soll und wo da Merkels Linie verläuft, wird feststellen: Die gibt es nicht mehr. Merkel ist wieder ganz die Alte: die Einerseits-andererseits-Kanzlerin und Sowohl-als-auch-Parteichefin, die sich so wenig wie möglich festlegt.
Einerseits: Keine Abschottung! Andererseits: Mehr Abschiebungen, mehr Grenzschutz!
Nach monatelanger Kritik hat Merkel nun versprochen, zu versuchen, die Zahl der Flüchtlinge „spürbar zu verringern“. Das ist der kleinste Nenner, der die Union halbwegs eint. Aber wie sie die Zahl verringern will?
Tja. Vorerst nicht mit harten Maßnahmen an den deutschen Grenzen, dafür an den EU-Grenzen. Ist das humaner? Wohl kaum. Aber: Wer in Europa könnte eine humanere Politik durchsetzen?
Was Merkel versucht, ist im EU-Vergleich immer noch ehrenwert: Zu retten, was zu retten ist vom guten Willen aus dem Sommer – aber die Grenzen des politisch und praktisch Machbaren beachten.
Das ist zu wenig, um alle Flüchtlinge angemessen zu versorgen. Aber viel mehr als die anderen zu leisten bereit sind. Und auf eine Kanzlerin zu hoffen, die mehr als Merkel schafft, ist Utopie.
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