Kommentar Mehr Lohn auf Flughäfen: 26,7 Prozent mehr für Sicherheitsleute
Die Warnstreiks haben sich gelohnt: Der Gewerkschaft Verdi ist ein guter Abschluss gelungen – vor allem für die Beschäftigten im Osten.
E s ist ein Tarifabschluss, der auf den ersten Blick erstaunt: Dass sich die Löhne für das Sicherheitspersonal an den deutschen Flughäfen in den kommenden drei Jahren um bis zu 26,7 Prozent erhöhen werden, ist schon außergewöhnlich.
Keine Frage: Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat allen Grund, sich über das Ergebnis des von ihr mit harten Bandagen geführten Arbeitskampfs zu freuen. Die Warnstreiks in Frankfurt, München, Düsseldorf oder den Berliner Flughäfen haben sich für die Beschäftigten im wortwörtlichen Sinne ausgezahlt.
Allerdings lohnt eine genauere Betrachtung. Denn die Gehaltssteigerungen fallen je nach Bundesland äußerst unterschiedlich aus. So erhalten viele Beschäftigte im Westen gerade mal 3,5 Prozent im Jahr mehr. Hauptprofiteure der erreichten Einigung sind demgegenüber die Sicherheitskräfte im Osten, die einen jährlichen Zuwachs von bis zu 9,77 Prozent verzeichnen können. Und das ist gut so.
Denn 28 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es schlicht nicht mehr zu rechtfertigen, dass der Stundenlohn eines Luftsicherheitsassistenten am Flughafen Leipzig/Halle um 2,35 Euro niedriger liegt als der seines Kollegen in Dortmund oder Düsseldorf. Der jetzt erzielte Abschluss führt dazu, dass wenigstens bis zum Jahr 2021 dieser unhaltbare Zustand endlich beendet wird.
Mit der jetzt erzielten Einigung kommt es zum ersten bundesweiten Entgelttarifvertrag in der Luftsicherheit. Zuvor gab es nur regionale Abschlüsse, was auch der Hintergrund für die bisherigen exorbitanten Gehaltsunterschiede ist. Denn damit waren sowohl der jeweilige gewerkschaftliche Organisierungsgrad und die damit verbundene regional stark divergierende Kampffähigkeit der Beschäftigten als auch die Relevanz der Flughäfen in dem entsprechenden Bundesland ausschlaggebend.
So entfaltet es zwar einen enormen Druck, wenn dem Frankfurter Flughafen mit seinen mehr als 38.300 Starts und Landungen pro Monat die temporäre Stilllegung droht. Das sieht jedoch bei dem Flughafen Erfurt/Weimar, der nur knapp über 10.000 Flugbewegungen im Jahr verzeichnet, ganz anders aus.
Auf den kleinen Regionalflughäfen in Mecklenburg-Vorpommern werden jährlich insgesamt rund 327.000 Passagiere abgefertigt, München kommt allein auf 44,6 Millionen Passagiere. Entsprechend unterschiedlich sind die Auswirkungen im Falle eines Streiks.
Da jetzt erstmals auf Bundesebene verhandelt wurde, konnte Verdi diesmal zu zeitgleichen Warnstreiks sowohl an den großen als auch an den kleinen Flughäfen der Republik aufrufen. Die Folge waren massive Flugausfälle. Hunderttausende Passagiere waren davon in der ersten Januarhälfte betroffen. Das hat Wirkung gezeigt.
Paradoxerweise wurde jetzige Erfolg von Verdi erst durch ein fragwürdiges Manöver der Arbeitgeber möglich. Denn die haben 2017 die Flugsicherheit in einen eigenständigen Bundesverband ausgegliedert und zudem bundesweite Verhandlungen durchgesetzt.
Der Gewerkschaft sollte es dadurch verunmöglicht werden, weiterhin in großen Bundesländern wie NRW die schlagkräftigen Sicherheitsbeschäftigten an den Flughäfen mit ihren weit weniger gut organisierten und entsprechend kaum streikfähigen Kolleginnen und Kollegen aus dem klassischen Wach- und Sicherheitsgewerbe gemeinsam für bessere Löhne streiten zu lassen. Diese Form des solidarischen Arbeitskampfs haben die Arbeitgeber erfolgreich unterbunden.
Aber dafür zahlen die privaten Securityunternehmen verdientermaßen nun einen Preis. Was Kötter, Klüh, Securitas & Co. offenkundig nicht bedacht haben: Gleichzeitig verschafften sie Verdi die Möglichkeit, die Macht des Sicherheitspersonals an den großen Flughäfen im Westen zugunsten der schlechter bezahlten Beschäftigten im Osten einzusetzen. Und genau das hat die Gewerkschaft ausgesprochen wirkungsvoll getan. Chapeau!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?