Kommentar Manning-Urteil: Alibijustiz für den guten Ruf
Das Urteil ist politisch und unrecht. Der Freispruch vom Vorwurf der „Hilfe für den Feind“ ist nur ein billiges Zugeständnis, um den Schein der Demokratie zu wahren.
D as Urteil gegen Wikileaks-Informant Brad Manning erfüllt verdächtig genau die politischen Anforderungen der Obama-Regierung. Der Freispruch vom Vorwurf der „Hilfe für den Feind“ steht wie ein kleiner Sieg der Verteidigung da – aber das spricht schon Bände darüber, woran die Öffentlichkeit sich inzwischen gewöhnt hat.
Der Vorwurf war von Beginn an absurd. Und so scheint es fast, als sei die Entscheidung der Richterin aus der vergangenen Woche, diesen Anklagepunkt nicht fallen zu lassen, lediglich mit dem Ziel getroffen worden, Manning im abschließenden Urteil wenigstens in diesem Punkt freizusprechen. Das sieht besser aus.
Die Obama-Regierung hat mit ihrem exzessiven Vorgehen gegen Whistleblower international viel schlechte Presse geerntet. Der Fall Brad Manning, der lange in Isolationshaft saß, bevor der Prozess auch nur begann, sorgte dafür, dass NSA-Enthüller Edward Snowden weltweit auf Verständnis stieß, als er sich rechtzeitig absetzte. Nicht gut für die USA.
Insofern musste der Manning-Prozess jetzt zwei Dinge gleichzeitig erfüllen: Das Urteil musste drastisch genug sein, um Whistleblower abzuschrecken, außerdem aber zeigen, dass auch im Militärprozess alles mit rechten Dingen zugeht. Ein Freispruch vom weitreichendsten Anklagepunkt bei gleichzeitigem Schuldspruch in allen anderen erfüllt genau das.
Das für Zufall zu halten wäre blauäugig. Zu Recht erinnert der Filmemacher Michael Moore in der Huffington Post daran, dass sämtliche wegen Kriegsverbrechen im Irak oder Afghanistan belangten Soldaten zusammen nicht so lange einsaßen, wie Bradley Manning allein sitzen wird – auch in diesen Fällen erfüllte die Militärjustiz ihre Funktion. Alibijustiz nach außen, keine Verunsicherung der Truppe nach innen. Militärjustiz ist politische Justiz. Sie ist Unrecht.
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