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Kommentar MahnmalDie vergessenen Opfer

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Besser spät als nie: Der Staatsakt zur Einweihung des Denkmals für Sinti und Roma wird dazu beitragen, dass das Grauen als Mahnung begriffen wird.

S iebzig Jahre nach dem Massenmord an den Juden ist der Antisemitismus in Deutschland geächtet. Einige Neonazis mögen weiter von einer Judengefahr faseln. Eine leider nicht unerhebliche Minderheit der Bundesbürger mag immer noch gewissen antisemitischen Stereotypen nachhängen. Doch der Staat, seine Politiker und alle gesellschaftlich relevanten Kräfte sind sich darin einig, dass der Judenhass keinen Platz in Deutschland haben darf.

Der Holocaust gilt auch als Verpflichtung, antisemitische Tendenzen nicht zuzulassen.

Siebzig Jahre nach dem Massenmord an Sinti und Roma wird an diesem Mittwoch das zentrale Mahnmal zur Erinnerung an die Ermordung dieser Minderheit eingeweiht. Die Kanzlerin wird eine Rede halten und wohl die richtigen Worte finden – über die Vergangenheit.

Bild: taz
KLAUS HILLENBRAND

ist Leiter des Ressorts taz.eins.

Doch im Gegensatz zum Judenhass sind die Ressentiments gegen „Zigeuner“ heute keineswegs nur Angelegenheit einer Randgruppe. Auch Regierungspolitiker und viele gesellschaftlich relevante Kräfte scheuen sich bis heute nicht, Vorurteile gegen Sinti und Roma zu verbreiten.

Wenn Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) laut den „Asylbetrug“ anprangert, den Menschen aus Serbien und Mazedonien mit ihrer Einreise nach Deutschland begingen, dann vermeidet er zwar das Wort „Zigeuner“.

Jeder weiß aber ohnehin, wer gemeint ist. Hätte es der Minister etwa gewagt, so gegen jüdische Kontingentflüchtlinge aus der Sowjetunion zu polemisieren?

Das „fahrende Volk“, so wird insinuiert, droht aus den Balkanschluchten hervorzubrechen, unseren Wohlstand zu gefährden und die Mülltrennung zu missachten. So wird die Stigmatisierung einer Minderheit weiterbetrieben, die im Gegensatz zu den Juden auch noch das Pech hat, weder Nobelpreisträger noch einen deutschen Außenminister in ihren Reihen zu haben.

Bei Sinti und Roma ist keine christlich-jüdische Tradition in Sicht, die es zu wahren gilt. So hat diese Minderheit wenigstens das Glück, nicht philosemitisch umarmt zu werden.

Natürlich ist es dennoch richtig, wenn Kanzlerin und Präsident aus der Einweihung des bescheidenen Denkmals einen Staatsakt machen.

Jede Sekunde, die von diesem Ereignis in der „Tagesschau“ zu sehen ist, kann zumindest ein bisschen dazu beitragen, dass die Mehrheit in diesem Land endlich begreift, was die Deutschen diesem Volk angetan haben. Besser Jahrzehnte zu spät als nie.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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4 Kommentare

 / 
  • DN
    Dr. Nathan Warszawski

    "Doch im Gegensatz zum Judenhass sind die Ressentiments gegen „Zigeuner“ heute keineswegs nur Angelegenheit einer Randgruppe. Auch Regierungspolitiker und viele gesellschaftlich relevante Kräfte scheuen sich bis heute nicht, Vorurteile gegen Sinti und Roma zu verbreiten."

    Der Satz ist nur richtig, wenn man Juden von Israel trennt. Genauso leicht lässt sich das Christentum von Jesus abspalten.

     

    http://www.ruhrbarone.de/roma-und-sinti-muessen-kontingentfluechtlinge-werden/

  • U
    Ute

    Früher sprach man von der chrislich-abendländischen Tradition, aber mit Kohl und Merkel hat man es nicht mehr so mit den alten Römern und vor allem Griechn,

    die man früher für den geistigen Ursprung ausgab.

     

    Wo und wann in diesen Traditionen Fremde willkommen oder stehts "Barbaren" waren, steht sowieso auf einem anderen Blatt.

     

    Aber das ist für den Hillenbrand schwer zu begreifen, der scheitert ja schon an wenigen Zeilen von Günter Grass.

  • O
    oranier

    "Bei Sinti und Roma ist keine christlich-jüdische Tradition in Sicht, die es zu wahren gilt."

     

    So müssen Sie das mal machen: die Momente christlicher Tradition bei den "Zigeunern" einfach für null und nichtig erklären, das ist bestimmt dazu angetan, die Vorurteile zu zerstreuen!

    http://www.frankreich-sued.de/pilgerstaetten/Les-Saintes-Maries-de-la-Mer/Les-Saintes-Maries-de-la-Mer.htm

     

    Im übrigen ist die Rede von der "christlich-jüdischen Tradition" bloßes Gewäsch, das verdecken soll, dass die "christliche Tradition" darin besteht, dass das Christentum von vornherein, seit es sich vom Judentum getrennt, extrem antijudaistisch und antisemitisch war.

     

    "Jede Sekunde, die von diesem Ereignis in der „Tagesschau“ zu sehen ist, kann zumindest ein bisschen dazu beitragen, dass die Mehrheit in diesem Land endlich begreift, was die Deutschen diesem Volk angetan haben."

     

    Die Mehrheit in diesem Land begreift das gewiss, aber es ist ihr vermutlich scheißegal,. Sie steht im Gegenteil, Knüppel bei Fuß, bereit, "diesem Volk" erneut Leid anzutun. Daran ändert derartige Symbolpolitik und daran ändert das Fernsehen gar nichts.

     

    Es würde sich stattdessen gehören, dass Merkel Friedrich umgehend entlässt und eine Asyl- und Flüchtlingspolitik durchsetzt, die den Normen des humanitären Völkerrechts entspricht.

     

    Verspricht sie solches etwa an dem Mahnmal?

  • IQ
    Ignaz Quadratwurzel

    Die gar diese Kanzlerin soll die richtigen Worte über die Vergangenheit finden?

     

    Massenarbeitslosigkeit und Hunger waren die Wegbegleiter und eben auch Wegbereiter für ein „in den Abgrund“ gerissenes Europa.

    Ebenso bestand die Sonderrolle Deutschlands darin, vom rassistischen Dünkel der anderen Mächte spätestens nach dem ersten Weltkrieg insoweit unmittelbar ausgeschlossen zu sein, als diese ihn in der Welt des Kolonialismus auch nach 1918 weiter ausleben konnten, Deutschland aber nicht.

     

    Doch war dieser Rassismus ideologische Rechtfertigung und damit Fundament für einen Kolonialismus, der eigenen Reichtum, Wirtschaftskraft und Macht begründete, die es in ihrer Gesamtheit auch einfacher machten, die eigene Bevölkerung großzügiger an dem gewonnenen Früchten teilhaben zu lassen und damit sicherer im eigenen Sattel zu sitzen.

    Dieser Rassismus war allgemein in Europa, und nicht auf Deutschland beschränkt, verbreitet.

    Es ist eine bezeichnende Aussagen, wenn erklärt wird, das Deutsche Reich habe die von ihm im Osten eroberten Gebiete wie „Kolonien“ behandelt – nur lagen diese Gebiete eben nicht mehr außerhalb Europas.

     

    Die eigene Bevölkerung war in früheren Jahrhunderten unmittelbares Objekt von Ausbeutung und eines ihn rechtfertigenden, sortierenden Menschenbildes, das ein „Höher- und ein Niedrigstehen“ festsetzte, um die eigene Stellung zu legitimieren.

    In diesen Jahrhunderten waren es oft und grundlegend auch nicht Juden oder „fahrendes Volk“, die als unterste Stufe der Entrechteten galten.

     

    Der Nationalsozialismus war auch ein Versuch, an der Weltordnung zu rütteln und sie umzustürzen. Aber nicht, um sie zu reformieren oder zu verbessern, sondern um das Deutsche Reich an seine Spitze zu setzen, andere Mächte zu verdrängen und ihre Rolle zu übernehmen und man darf fragen, für wen er dadurch und durch diese Seite interessant wurde.

     

    Somit wurden die „rassisch“ Verfolgten und Ermordeten auch Opfer jener, die glaubten, sie sollten und könnten sich der Nazibewegung wegen dieses angestrebten Umsturzes der Weltordnung bedienen.

     

    Was also war der Kern für das, was die „richtigen Worte“ zu beschreiben hätten,

    Wobei anzumerken ist, dass zuallererst der Opfer zu gedenken ist – aber nicht auch der Täter?

     

    Wie wollte man dies mit einem Denkmal zum Ausdruck bringen?

     

    Es wird sicher kein Objekt sein können, bei dem wirtschaftliche und politische Macht in den Händen Weniger verherrlicht wird, von dem Rassismus stets ablenkt.

     

    Und das soll von Frau Merkel vorgetragen werden?