Kommentar Mahnmal Breitscheidplatz: Kein Riss. Eine Narbe
Die Lesart des Terrormahnmals als Riss spaltet. Eine Narbe verheilt, auch wenn sie schmerzt.
Nun ist es da: das Mahnmal, das auf dem Breitscheidplatz an die furchtbare Tat des Terroristen Anis Amri erinnern soll – und an die zwölf Menschen, die er dabei aus dem Leben riss. Als Riss wird die sich über den Boden ziehende Erinnerungslinie oft bezeichnet, ganz offiziell auch auf der Internetseite der Stadt Berlin.
Doch das Bild ist kein gutes: Zu nahe liegt die Idee von dem Riss, der durch eine Gesellschaft geht, die nun auch schon häufig in Berichten über das Mahnmal Verwendung findet. Und schnell zu der Frage führt, zwischen wem er denn besteht, dieser „Riss“ in der Gesellschaft? Welche Teile wurden hier auseinandergerissen? Etwa Muslime und solche, die es nicht sind?
Das träfe nicht die Realität. Unzählige Male haben auch Muslime gegen den Terror auf dem Breitscheidplatz und anderswo demonstriert – auf den vielen Kundgebungen der BerlinerInnen ebenso wie mit eigenen Mahnwachen. Der Terror trifft sie wie jeden anderen Bürger und jede andere Bürgerin – vielleicht mehr, denn ihre Religion, ihr Glaube wird dafür missbraucht.
Treffender ist deshalb das Bild einer Narbe, die etwas wieder verbindet, was eine Verletzung erlitten hat. Die vielleicht nie ganz verschwindet, manchmal schmerzt, aber dennoch keine dauerhafte Trennung zwischen zwei Seiten bedeutet, sondern eine Wunde, die wieder zusammenwachsen, also heilen kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?