piwik no script img

Kommentar Macron und EuropaVision statt Technokratie

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Patriot mit Weitblick: Vor Studierenden wirbt der französische Präsident für einen neuen Anlauf zu einem wirklich geeinten Europa.

Ein Mann und seine Vision im Rücken Foto: reuters

Ich bin gekommen, um von Europa zu sprechen“, sagte Emmanuel Macron in der Sorbonne leise und bescheiden. Sehr rasch wurde am Dienstagnachmittag der Kontrast deutlich zwischen der Einleitung und der politischen Ambition, mit der der französische Präsident im historischen Hörsaal die mehrheitlich jungen ZuhörerInnen faszinierte.

Er hätte, wie vor ihm Martin Luther King, ihnen zurufen können: „I have a dream!“ Sie hatten eine Vorlesung erwartet, Macron aber sprach von einer Vision, die er hat. Diese ist nicht neu, aber in Europa hatte man sie vergessen oder bereits in den Mülleimer der Geschichte entsorgt.

Man hatte sich zu sehr an langweilige, technokratisch wirkende Äußerungen über die EU gewöhnt, und auch an die wie ein Refrain kommende Resignation, dass alle Einigungsbemühungen am nationalen Egoismus scheitern müssten. Macron aber schlägt keine kleinen Kompromisse vor, um allen denkbaren Einwänden Rechnung zu tragen, sondern einen europäischen Quantensprung. Die Zeit der übervorsichtigen Trippelschritte ist vorbei: Macron will angesichts der Herausforderungen durch Klimawandel und Globalisierung gemeinsam mit absehbar größerem Erfolg zu machen, was jeder Mitgliedstaat heute eher schlecht als recht versucht.

Eine europäische Nation? Das hat er so nicht gesagt, aber letztlich gemeint, und für einen französischen Patrioten ist das eine erstaunliche Form der Selbstüberwindung. Macron stellt alle Partnerregierungen, und allen voran Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, vor ihre Verantwortung.

Eine europäische Nation? Für einen französischen Patrioten ist das eine erstaunliche Selbstüberwindung

Dass Merkel vor heiklen Verhandlungen mit zum Teil euroskeptischen Koalitionsparteiführern steht, ist nicht sein Problem. Die Herausforderung, jetzt entweder die Europa-Idee abzuschreiben oder wirklich damit Ernst zu machen, geht alle an. Macron jedenfalls möchte seinen „Traum“ teilen, damit dieser ein Projekt wird. Die „Alternative“, der aggressive Nationalismus in Form des Rechtspopulismus, trampelt bereits in die Realpolitik.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Europa sollte eher zurückgeschraubt als mit aller Macht weiter in diese Richtung gepusht werden. Wertegemeinschaft, Handel usw. - alles o.K. Aber ständig bemüht man das längst vergessene europäische Friedensargument um arglose idealistische Leute zu glühenden Verfechtern eines undemokratischen Monstrums zu machen. Man schickt da so einen Schönling vor, der "leise spricht" (supi), um uns dieses Zwangsgebilde zu verkaufen. Die neuerdings so verteufelte Kategorie "Nation" versucht man mit der ach so himmlischen Vision "Europa" zu diskreditieren - als wäre das etwas anderes, nur weil es noch größer, noch abgehobener, noch bürgerfremder ist. Was bitte soll an dieser Art Riesennation Europa besser sein? Wenn die Nation schon schlecht ist, dann ist eine Riesennation noch schlechter. No.

  • Grosse Worte der Mächtigen... Macron, Merkel... / Juncker, Schulz, Tusk... (die Aktiven... / die, eher, schon mit üppiger Rente Entsorgten...)

    Sollen wirklich Einzelpersonen, die EUropa gestalten?! Wen ja(?!), wie soll man die dazu Fähigen finden? Sie dazu bringen?

    • @vjr:

      (upss, korriegert)

       

      Grosse Worte der Mächtigen... Macron, Merkel... / Juncker, Schulz, Tusk... (die Aktiven... / die, eher, schon mit üppiger Rente Entsorgten...)

      Sollen wirklich Einzelpersonen die EU, das EUropa, gestalten?! Wen ja(?!), wie soll man die dazu Fähigen finden? Sie dazu bringen?

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Wenn man in die Niederungen des realpolitischen Sumpfes hinabsteigt, stellt sich die Frage, wer will denn schon Macrons Europa? Nicht das seiner Rede- das würden viele wollen-, nein, sondern das, dass seine Regierung gerade zusammenschustert.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Er kann ein wirklich großer Präsident werden.

    • @60440 (Profil gelöscht):

      Wie die davor?

  • Qui. J'avais Rêvé. I dreamed a dream!

    Chapeau & Könnte - Gehen!

     

    If!! - Roll over&out Zéro noir &

    Angie light - & now - forget your gun!

    &

    (ps Ha noi. Kretsche - gell!

    Jetscht kannscht mal bede!;)) &

    Dank im Voraus! & nochens -;)

    Mit Niels Bohr -

    "Ich gab gehört - es soll helfen!

    Auch wenn frauman nicht dran glaubt!;)"