Kommentar Machtkampf in Ägypten: Das Verschwinden der Liberalen
Das Militär ist in seinem Führungsanspruch bestätigt und toleriert keine Kritik. Die Demokratiebewegung sollte sich Sorgen machen.
E xdiktator Husni Mubarak wird aus der Haft entlassen und in ein Militärkrankenhaus gebracht, die führenden Muslimbrüder mitsamt des gewählten Präsidenten Mohammed Mursi sitzen hinter Gittern. Mit dieser Entscheidung demonstriert das Militär seine nun wieder unangefochtene Macht. Fast ist alles wieder so wie vor dem 11. Februar 2011. Und dieses Mal hat die Massenbewegung Tamarod – Rebellion – mitgeholfen, die Islamisten zurück in den Untergrund zu zwingen, und sie hat die Militärs in ihrem Führungsanspruch bestätigt.
„Das Volk und die Armee Hand in Hand“ – so lautete die naive Parole der Revolutionäre. Auch wenn juristisch noch nicht alles ausgestanden ist für die Familie Mubarak, die Botschaft ist klar: Das alte Regime ist zurück. Es sorgt für die Seinen. Wehe dem, der das zu kritisieren wagt.
Es geht dabei nicht um die Frage, ob ein alter Mann wie Mubarak vielleicht tatsächlich Haftverschonung bekommen sollte. Oder um juristische Spitzfindigkeiten wie die maximale Dauer der Untersuchungshaft. Die allmächtige Armeeführung, die sich sonst auch nicht um rechtliche Grundsatzfragen schert, hätte die Entlassung verhindert, wenn ihr das opportun erschienen wäre. Mursi wird schließlich auch ohne Rechtsbeistand an einem unbekannten Ort festgehalten.
Die Mursi-Gegner und die vermeintliche Demokratiebewegung, die das herrschende Militär unterstützen, sollten Mubaraks Haftentlassung unbedingt als Warnung begreifen. Es besteht kein Zweifel mehr daran, dass die Armee der falsche Bündnispartner ist.
Die Herrschaft Mursis war verheerend. Die eifrige Islamisierung hat viele liberale Ägypter zu recht schockiert. Aber was bedeutet „liberal“ noch, wenn bei Bedarf das Massaker am politischen Gegner gutgeheißen wird?
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