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Kommentar Lokführer- und PilotenstreikStreik, Macht und Risiko

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Mit ihren weitreichenden Streiks riskieren die Spartengewerkschaften, sich auf längere Sicht selbst überflüssig zu machen.

Nach den Lokführern streiken nun auch die Lufthansa-Piloten. Bild: reuters

D arf eine Spartengewerkschaft die Bahn ein ganzes Wochenende lang lahmlegen, ja die Reisenden „in Geiselhaft nehmen“, wie in maßloser Übertreibung behauptet wird? Die Antwort ist einfach: Ja, sie darf. Es gibt kein Gesetz, das regeln würde, dass vom Streikrecht nur große Gewerkschaften Gebrauch machen dürften. Es gibt auch keinen Rechtsanspruch der Bevölkerung darauf, von einem Streik unbehelligt und von nerviger Warterei verschont zu bleiben. Streikrecht geht vor, und das ist auch gut so.

Eine ganz andere Frage ist, ob Lokführer oder Piloten eine weise Entscheidung treffen, wenn sie für gewaltigen Frust unter den Reisenden sorgen. Einerseits verfügen solche Berufsgruppen über eine stärkere Macht als etwa Verwaltungsangestellte, weil ihr Streik die Öffentlichkeit viel direkter berührt. Andererseits aber spielen die Gewerkschaften dabei auch mit der Macht des Wettbewerbs. Bisherige Bahnfahrer wechseln auf den Fernbus, genauso wie Lufthansa-Flieger auf die Konkurrenz umbuchen. Man mag fragen, warum sich die Gewerkschaften um das Wohl der Unternehmen sorgen sollten, die im Arbeitskampf ihre natürlichen Gegner sind. Doch an diesem Wohl hängt letztlich auch das der Arbeitnehmer.

Sollten Busunternehmen in der Folge ihren Marktanteil steigern, wäre es logisch, wenn die Bahn die Zahl ihrer Züge verringern würde. Dann aber brauchte es auch weniger Lokführer. Wenn die Lufthansa vergleichsweise höhere Passagekosten tragen muss, dann verliert sie Marktanteile – und benötigt weniger Piloten.

Kurzfristig mögen solche Streiks daher die Macht der Gewerkschaft wie die Gehälter ihrer Mitglieder mehren. Doch auf längere Sicht hin riskieren sie mit Großstreiks, dass sie den Ast absägen, auf dem sie selbst sitzen. Verwaltungsangestellten kann das nicht so leicht passieren.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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9 Kommentare

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  • Was kommt als nächstes? Vorschläge das Streikrecht einzuschränken? Streik ist ein Grundrecht! Auch wenn es manchmal unbequem ist!

    • @shosel taz:

      Bei dem Streik der Piloten geht es vielleicht auch zum Teil um die Übergangsversorgung, aber das ist nur ihr rechtlicher Vorwand, um den Streik zu legalisieren. In erster Linie geht es den LH Piloten darum, wie der LH Vorstand seine Flugzeuge einsetzt und wen er ins Cockpit setzt (Wings, Jump). In der aktuellen VC Tarif Info wird einzig aus diesem Grund zum Streik aufgerufen! Das Thema Übergangsversorgung wird hier nicht erwähnt! Nun ist es aber in Deutschland so, dass Arbeitnehmer nicht versuchen dürfen mit einem Streik in die Unternehmenspolitik einzugreifen. Die Piloten verstoßen mit dem Streik also gegen das Grundgesetz!!! Natürlich sind die Piloten schlau genug offiziell die Übergangsversorgung zum Thema des Streiks zu machen. Leider sind sie nicht schlau genug, um zu verstehen, dass kein Fluggast mehr bereit ist den Piloten diese Spitzengehälter von 25000€ im Monat zu finanzieren. Wenn LH überhaupt noch eine Chance im Wettbewerb mit arabischen und anderen Konkurrenten haben möchte, dann fordert das unter anderem auch eine bezahlbare Cockpitbesetzung. Eurowings oder CityLine Piloten, die für LH fliegen sind genauso gut ausgebildet, könnten aber mit ihren in der Spitze 10000€ bis 12000€ im Monat(damit läßt sich auch sehr gut leben und sogar eventuell eine Rückstellung für die Zeit zwischen Job und Rente bilden) dem Unternehmen ganz entscheidend dabei helfen gegen die große Konkurrenz zu bestehen. Man müßte sie eben auf größeren Fugzeugen und längeren Strecken einsetzen. Leider sind die streikenden Piloten eher dazu bereit die ganze LH in die Insolvenz zu treiben, als in Zeiten, wo das Unternehmen sparen muß, kleine Zugeständnisse zu machen bzw. sich einfach mal aus der Unternehmenspolitik rauszuhalten!

      • @P Paula:

        Lach. Ein Streik greift immer in die Unternehmenspolitik ein. Auch die Ausgestaltung von Lohnhöhe und Arbeitsbedingungen sind Unternehmenspolitik und wird in vielen Punkten durch Tarifverträge geregelt. Und ja, auch wenn man als Pilot durch billigere Piloten ersetzt werden soll, ist das ein Grund, einen Arbeitskampf zu führen.

         

        Wer will, dass Mitarbeiter/Angestellte auch mehr auf das Wohl des Unternehmens achten, muss diese auch an einem großen Teil der Gewinne beteiligen. Wenn jemand weiß, dass er nicht nur in schlechten Zeiten den Gürtel enger schnallen muss, sondern auch in guten Zeiten etwas vom Gewinn abbekommt, dann ist der Verzicht viel leichter zu ertragen und macht dann auch Spaß.

        • @Sven Buchien:

          Klar, für Tarifpolitik darf man streiken, für Unternehmenspolitik nicht!

          Wenn die Piloten die unternehmenspolitischen Ziele in ihren Vorderungskatalog aufnehmen und dann streiken, dann ist das ein Wilder Streik. Verboten :-)!

          Außerdem, wir haben ja gerade schlechte Zeiten! Bodenpersonal ist mit ca 15€ die Stunde zu teuer und wird ausgelagert! Da sind die Forderungen aus den eigenen Reihen der LH Familie schon ein Schlag ins Gesicht. Danke Thomas, Benjamin, Frank, ...

          • @P Paula:

            Ich glaube du verstehst nicht, dass Tarifpolitik zur Unternehmenspolitik gehört. Und Gewerkschaften handeln nicht nur den Tarif aus, sondern auch die Arbeitsbedingungen (Manteltarifvertrag) - wenn jetzt Piloten durch günstigere Kollegen ersetzt werden sollen, dann geht das hier um Arbeitsbedingungen und um den Tarif. Es sind also genau die Bereiche, die durch die Gewerkschaften abgedeckt sind.

             

            Wenn es denn der Wirtschaft so schlecht geht, frage ich dich, warum sich die großen Vermögen weiterhin vermehren? Warum immer noch Gewinne abgeschöpft werden können? Konnte die Lufthansa in den letzten Jahren Dividende an ihre Aktionäre zahlen? Wenn ja, ist da noch genügend Gewinn übrig, der an die Arbeitnehmer umverteilt werden kann.

  • kurzfristig schaden sich beide jedenfalls im Hinblick auf die öfffentliche Meinung. Wenn Frau Nahles demnächst ein - m.E. im Ansatz falsches - Gesetz zur Tarifeinheit vorlegt, wird es öffentlich viel Zustimmung geben von genervten Bahnfahrern und Fliegern. Das war schon mal anders.

     

    Was ich am Gesetz falsch finde: es ist absurd, dass nur die größte Gewerkschaft für alle verhanden soll, es müssten schlicht alle Gewerkschaften eines Betriebes gemeinsam auf einer Seite sitzen. Und vor allem: die "Verhältnismäßigkeit" von Streiks müsste klarer definiert und eingegrenzt werden. Streiks, die vor allem auf "Fernwirkung" zielen, müssten im Zweifel zu Schadensersatz verpflichen.

    • @Dr. McSchreck:

      Na super, dass wäre dann das aus für Streiks. Wenn Gewerkschaften immer im Hinterkopf haben, dass es da eventuell Schadensersatzansprüche gibt, dann werden sie nicht mehr streiken. Dann kannst du Gewerkschaften gleich abschaffen und dich dem Ausbeutungssystem der Unternehmen gleich hingeben.

      • @Sven Buchien:

        Schadensersatz soll es ja nur geben, wenn ein Streik bewusst diejenigen schädigt, die überhaupt nicht am Verhandlungstisch sitzen. Das heißt zum Beispiel beim Streik des Wachpersonals fand ich es völlig absurd, dass bevorzugt an Flughäfen gestreikt wurde, obwohl die Flughäfen oder die Fluggesellschaften überhaupt keine Chance hatten, auf den Lohn der Wachleute Einfluss zu nehmen.

         

        Bei den Lokführern ist es anders. Die treffen ihren Abeitgeber und nur mittelbar den Bahnkunden, aber das geht nun mal nicht anders.

  • Das ist jetzt nicht euer ernst, oder? Ihr wollt den Arbeitskampf Delegitimieren, indem ihr darauf hinweist, dass dadurch Arbeitsplätze verloren gehen könnten? Schon einmal darüber nachgedacht, dass die Bahn ebenso in diesem Wettkampf steht, wenn die Bahnen rollen? Wenn sie mal nicht in der Werkstatt stehen, weil die DB wieder einmal auf Verschleiß gefahren ist? Wenn die Bahnen mal nicht unpünktlich kommen, weil auf den Strecken mal wieder etwas nicht funktioniert, weil zu viele Dinge zentralisiert wurden? Die Fernbusse wollen ihren Marktanteil auch dann vergrößern, wenn man nicht gestreikt wird und spätestens wenn im Fernbusbereich einmal gestreikt wird, gleicht sich alles wieder aus. Ja, auch Busfahrer können streiken, auch Busfahrer können mehr Lohn verlangen. Komisch, oder?