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Kommentar Linksradikalen-RazziaVergesst die Linken nicht!

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Bundesanwaltschaft stuft die RAZ, die bisher mit kleinen Brandanschlägen auffiel, als „kriminelle“ und nicht als „terroristische“ Vereinigung ein. Bravo!

D as Timing macht stutzig. Ausgerechnet einen Tag bevor die Bund-Länder-Experten-Kommission „Rechtsextremismus“ ihren Abschlussbericht vorlegt, durchsucht die Bundesanwaltschaft mit 300 Polizisten die Wohnungen von mutmaßlich militanten Linksradikalen. „Vergesst die Linken nicht!“ Ist das die Botschaft, die hier gesetzt werden sollte? Oder: „Wir werden nie wieder etwas unterschätzen“?

Zunächst ist anzuerkennen, dass die BAW gelernt hat. Sie stuft die „Revolutionären Aktionszellen“ (RAZ), die bisher vor allem mit kleineren Brandanschlägen in Berliner Stadtteilen auffiel, als „kriminelle“ und nicht als „terroristische“ Vereinigung ein.

In früheren Fällen, etwa beim mutmaßlichen Vorgänger „militante gruppe“ (mg), musste die BAW erst vom Bundesgerichtshof (BGH) darauf aufmerksam gemacht werden, dass Brandsätze gegen Gebäude und Sachen nicht geeignet seien, den Staat „erheblich zu schädigen“. Diesmal wurde zu Recht auf die Terror-Stigmatisierung verzichtet.

Bild: privat

ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Trotzdem erklärte sich die Bundesanwaltschaft für zuständig – wegen der besonderen Bedeutung des Falls. Angesichts der verschickten Patronenhülsen – sie gingen an Innenminister Friedrich (CSU) und Vizegeneralbundesanwalt Griesbaum, verbunden mit der Ankündigung, die nächsten Patronen kämen „per Express“ – ist auch das nicht abwegig. Hier wird mit tödlicher Gewalt zumindest gedroht. Das ist mehr als lokal relevante Propaganda mit kriminellen Mitteln.

Ob jetzt aber wirklich gegen Verdächtige ermittelt wurde oder ob nur relativ wahllos linke Wohnungen und Zentren ausgeforscht wurden, wie die Betroffenen kritisieren, das wird wohl erst die spätere Überprüfung beim 3. Strafsenat des BGH erweisen. Er hat die Bundesanwaltschaft schon öfter in die Schranken verwiesen. Seltsames Timing von Hausdurchsuchungen ist allerdings nicht verboten.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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15 Kommentare

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  • VM
    victor marx

    ja,ja,ja die gewalt gegen polizisten steigt stetig. Aber wieviel gewalt üben bullen gegen friedliche demonstranten aus, um demos vozeitig zu beenden. Zuletzt geschehen, bei der Rosemarie F. demo.

  • H
    Hannes

    @ viccy:

     

    Wer verharmlost hier Steinwürfe gegen Polizisten? Wenn Sie diese (wie andere hier) unbedingt auf eine Stufe mit massenhaften erfolgreichen Morden stellen, sind Sie es, der Mord verharmlost, vorsätzlich und skrupellos.

     

    Herzlichen Glückwunsch, sie sind offensichtlich ein Sympathisant von Mördern. Wie kommt's?

  • O
    ole

    @tazleser

     

    "Ich finde linksradikale müssen genauso bekämpft werden wie rechtsradikale..."

     

    Ha ha - der war gut.

  • V
    viccy

    Also wer Steinewürfe auf Polizisten verharmlost, weil das nur Polizisten sind oder weil die Polizisten ja "nicht mal gestreift" werden, der ist irgendwie ein bisschen abgestumpft, oder?

  • I
    Ingo

    @Tim Leuther:

    Nirgendwo, auch nicht in dem Artikel, steht, daß "terroristisch" eine Steigerungsform von "kriminell" ist. Bei der Definition geht es nicht um die Schwere der Tat sondern um die Motivation und die möglichen Auswirkungen. Ein Pirat, der ein Containerschiff kapert, tut das, weil er sich bereichern möchte. Ob damit der Eigner oder ein Staat geschwächt wird, ist ihm egal. Darum ist das Kriminalität und kein Terrorismus. Wenn ein Angriff auf einen Staatsvertreter stattfindet, der möglicherweise dazu geeignet ist, diesen oder andere Staatsbedienstete zu beeinflussen, dann KANN (muß aber nicht) das als Terrorismus gewertet werden.

     

     

    @Nicht Relevant:

    Ich möchte linksradikale Taten nicht beschönigen, aber die offizielle Statistik ist ungeeignet zur Beurteilung der Lage. Einerseits werden Würfe jeglicher Art von Gegenständen bei Demonstrationen als versuchte Körperverletzung/Mord gewertet, auch wenn die Gegenstände die Polizisten nicht mal streifen. Andererseits werden viele Angriffe von rechten als unpolitisch gewertet, je nachdem wie es den Polizisten paßt, die das Protokoll aufnehmen. Die eigentliche Zahl liegt viel höher. Im Übrigen wäre es auch interessant, wenn man in der Statistik die versuchte oder tatsächliche Körperverletzung nach Polizisten und Normalbürgern unterscheidet. Denn von seiten der Linken richtet sich die Gewalt gegen Personen fast ausschließlich gegen die Polizei - ein Normalbürger hat da nichts zu befürchten. Und die Polizei macht wie gesagt da gerne größere Vorwürfe als es im Falle eines Normalbürgers je in die Statistik fließen würde.

     

    Zum Schluß noch die Frage:

    Wie sieht es nicht bei (angeblich) versuchtem Mord sondern bei tatsächlichem Mord/Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge aus? Ich denke, da wird sich auf der linken Seite in den letzten 20 Jahren keiner finden. Auf rechter Seite liegt das aber im dreistelligen Bereich.

  • O
    ole

    Die Bundesanwaltschaft wollte eigentlich sagen: Sorry Leute, falsche pol. Einstellung.

  • T
    tazleser

    Ich finde linksradikale müssen genauso bekämpft werden wie rechtsradikale und islamisten!

    Sind alles gewalttätige Verbrecher unjd müssen entsprechend behandelt werden!

  • J
    Jörg

    @Nicht Relevant

    Was soll dieser dämliche Kommentar. Stellen Sie doch einfach die AUSGEÜBTEN Morde, gegenüber. Diese sind Fakten und keine obskuren Statistiken. Sie verharmlosen rechte Morde in über 150 Fällen seit der Wiedervereinigung. Von der linken Seite her gibt es keinen einzigen Fall. Brauner Troll, oder was?

  • V
    vic

    Morde von rechts sind erstmal kein Problem, da gegen Ausländer.

    Drohungen von links dagegen gehen gar nicht, da gegen deutsche Institutionen.

  • NG
    Na gut

    Bevor sich der intellektuelle Bürgerliche in einen Herzkasper verrennt: Die TAZ ist halt ne linke Tageszeitung... mit allen parteiischen Konsequenzen. Was bei den einen schlecht ist, wird bei den anderen verharmlost. Alle anderen machen das genauso. Es gibt keine objektive Meinung... Und: je mehr parteiisch, desto weniger glaubwürdig.

  • S
    Sondermann

    Ich schließe mich Celsus an: ein vortrefflicher Kommentar von Christian Rath! Gerade deshalb, weil er nicht bissig polemisiert, sondern sich um sachliche Aufklärung bemüht.

     

    Liebe KommentatorInnen, die Begriffe kriminell und terroristisch im StGB gilt es schlichtweg zu unterscheiden. Natürlich kann mensch stets Beispiele finden, wo Kriminelle schlimmer sind als TerroristInnen - und umgekehrt. Aber was sagt das aus? Ebensowenig wie die Aufrechnung von linker gegen rechte Gewalt.

  • NR
    Nicht Relevant

    Gut, jetzt wird linke Kriminalität halt wieder verharmlost. Und das ein paar Tage nachdem die diesjährige Polizeistatistik mehr versuchte Morde von linker als von rechter Seite auswies.

     

    Als wäre das eine besser als das andere.

     

    Bravo, Taz.

  • TL
    Tim Leuther

    Ich finde es falsch das "terroristisch" eine Steigerungsform von "kriminell" sein soll. Das ist sprachmantscherei die einfach keinen Inhalt hat.

     

    Leute die Autos anzünden damit die Leute wo nicht hinziehen agieren terroristisch, Leute die Containerschiffe Karpern wegen Lösegeld agieren kriminell. Natürlich ist letzteres schlimmer. Aber manche kriminelle sind eben schlimmer als andere terroristen.

  • V
    vielleicht

    wollte die BAW einfach nochmal unmissverständlich darlegen, was der bürgerliche Staat toleriert (erschossene Ausländer) und was nicht (sachschäden an arbeitsämtern).

     

    dieser kommentar hätte echt um ein vielfaches bissiger ausfallen müssen, ich frag mich echt, welches selbstbild deutsche journalistInnen so haben..

  • C
    Celsus

    Wie immer ein guter und sehr treffender Artikel von Christian Rath.