Kommentar Linkspartei zur EU-Wahl: Nur ein Formelkompromiss mehr
Die modifizierte EU-Kritik der Linken ist nicht ehrlich. Sie verdeckt, dass der postnationale und der linkspopulistische Flügel einfach nicht zusammenpassen.
D ie Linkspartei hat sich pünktlich zu ihrem Parteitag geeinigt. Ihre EU-Kritik im Wahlprogramm klingt für den linken Flügel noch immer scharf genug und für die Pragmatiker ausreichend ressentimentfrei und offen.
Das ist keine Überraschung: Dieses Vorgehen passt exakt zu dem Muster, mit dem die Linkspartei ihre Konflikte stillzulegen pflegt. Auch als ihre damalige Chefin Gesine Lötzsch Wege zum Kommunismus suchte, reagierte die Partei erst auf massive öffentliche Erregung, korrigierte sich langsam und einigte sich am Ende auf irgendeine Formel.
Diese disziplinierte Selbstbefriedung ist, gerade wenn Wahlen anstehen, rational. Denn Wähler mögen keine zerstrittenen Parteien. Ehrlich aber ist der formulierte Kompromiss in Sachen Europa nicht. Denn er verdeckt, was kaum vereinbar ist.
Parteichefin Katja Kipping hält die EU für ein postnationales und damit linkes Projekt – natürlich reformbedürftig, aber im Grundsatz verteidigenswert. Auf dem linken Flügel sehen das viele komplett anders. Dass die EU im ersten Leitantrag als „neoliberal, militaristisch und weithin undemokratisch“ charakterisiert wurde, war kein Unfall.
Sahra Wagenknecht hält diese Kennzeichnung noch immer nur für etwas ungelenk, aber im Kern für zutreffend. Deshalb sind Wagenknecht & Co. auch strikt gegen mehr Einfluss der EU auf nationale Politik. Wer so redet, ist sehr weit entfernt von Kippings Internationalismus und ziemlich nahe an AfD-Parolen.
Es geht nicht um semantische Feinheiten, sondern um Differenzen ums Ganze. Will die Linkspartei auf immer linkspopulistische Dagegen-Partei bleiben – oder proeuropäische Reformpartei sein? Die internen Sprachregelungen lassen diese Frage offen. Irgendwann wird die Partei sich entscheiden müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin