Kommentar „Legida“: Leipzig ist nicht Dresden
Auch in der Messestadt gibt es Rassisten und Spießer. Doch die Anti-„Legida“-Demo hat gezeigt: Leipzig ist weltoffener als die Rivalin an der Elbe.
Leipzig zeigt, wie´s geht!“ So treffend ließe sich der Spruch der Dresdner „Pegida“-Organisatoren abwandeln, mit dem sie auch an Lokalpatriotismus appellieren. Denn erwartungsgemäß bereiteten die Leipziger dem „Legida“-Pendant zu Dresden schon beim ersten Anlauf am Montagabend eine herbe Niederlage. Allein das Zahlenverhältnis von etwa zehn zu eins von Gegendemonstration zum „Abendspaziergang“ spricht für sich.
Tatsächlich hat sich das überall mehr oder weniger ausgeprägte Grummeln der verängstigten Deutschen nicht zufällig zuerst in Dresden artikuliert. Die höfische Residenz wurde schon in den Anfängen des Journalismus zu Zeiten der Aufklärung als geistig besonders rückständig verspottet. Künstler fühlten sich vom Pathos dieser Stadt ebenso angezogen wie abgestoßen. Heute fällt bei Gesprächen mit Auswärtigen meist schon zu Beginn ein Satz des Bedauerns, „mit welchen Pegida-Problemen Ihr Euch da herumschlagen müsst“.
Wenn nun Leipzig schon beim ersten Versuch, auch hier mit deutschnationalen Parolen Welt- und Flüchtlingskonflikte lösen zu wollen, die Kräfteverhältnisse gegenüber Dresden umkehrt, so schwingt zu einem guten Teil auch die Rivalität mit der Landeshauptstadt mit. Leipzig empfindet sich seit jeher eher als aufgeklärte Bürgerstadt, war durch Messen, Universität, Kunst, Verlage und auch den Empfang des Westfernsehens auch in der DDR die weltoffenere Stadt.
Nicht unterschlagen werden darf aber, dass auch hier kleinbürgerliche Ressentiments gegen Fremdes und gegen jede Störung des Spießerdaseins anzutreffen sind. Gegen die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen bildeten sich in den vergangenen Jahren Bürgerinitiativen, die geplante Moschee spaltet die Stadt. Mehr als Dresden ist Leipzig auch eine Stadt sozialer Gegensätze.
Umso bemerkenswerter ist die fröhliche, intelligente und kulturvolle Mobilisierung gegen die Verdauungsprobleme von Legida am Montagabend. Schon vorher war aber klar, dass die Demonstranten mit einem positiven Weltbild hier in der Mehrzahl sein würden. „Sachsen ist nicht nur Dresden!“, rief Integrationsministerin Petra Köpping ins Mikrofon.
Was die konkurrierenden Städte verbindet, ist der hohe Anteil junger Akademiker, die die Proteste wesentlich tragen. Offenbar lösen sich Studierende wieder von der ihnen nachgesagten politischen Abstinenz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht