Kommentar Lage in Afghanistan: Geklappt hat nur der Abzug
Die Taliban stehen vor Kundus. Gescheitert ist das Konzept der „Entwicklungshelfer in Uniform“. Nicht der einzige Fehler der deutschen Afghanistan-Politik.
D ie Kämpfe am ehemaligen Bundeswehr-Hauptstützpunkt in Afghanistan werfen ein bezeichnendes Licht auf die Resultate der deutschen Mission am Hindukusch. Obwohl der Kampfeinsatz ganz offiziell für beendet erklärt wurde, geht der Krieg ja nicht nur in Kundus weiter.
Der Krieg eskalierte sogar weiter, was sich an den jährlich steigenden Zahlen seiner zivilen Opfer ablesen lässt. Mehr Sicherheit hat die Nato-geführte Internationale Sicherheitsunterstützungsstreitmacht Isaf – als deren Teil die Bundeswehr operierte – den Afghanen also nicht gebracht.
Mit ihrem jahrelangen Leugnen, dass in Kundus überhaupt Krieg herrscht, trug die Bundesregierung indirekt auch zu den gegenwärtigen militärischen Rückschlägen bei. Hätte man sich anfangs um die Sicherheit gekümmert und etwa Milizen entwaffnet, hätte die neue Regierung besser arbeiten können. Später konnten so stattdessen die Taliban ihre örtlichen Strukturen unter der Nase der Bundeswehr und diverser deutscher Geheimdienste etablieren.
Gescheitert ist auch das Berliner Konzept von der Bundeswehr als „Entwicklungshelfer in Uniform“. Gedacht als Alternative zum Antiterrorkrieg von George W. Bush, haben die mit viel (Selbst-)Lob bedachten Entwicklungsprojekte die afghanische Zivilbevölkerung nicht auf die Seite der neuen Regierung in Kabul gezogen.
Der deutsche Einsatz, von der Bundeswehr und den gern vergessenen Zivilisten, hat sicherlich das Leben vieler Afghanen verbessert. Die gegenwärtigen Kämpfe – in Kundus und landesweit – lassen es aber durchaus fraglich erscheinen, ob das nachhaltig sein wird.
Als bei der Übergabe des Standorts Kundus im Oktober des vergangenen Jahres an die afghanischen Streitkräfte ein deutscher Offizier sagte, man habe nun „Operation Abzug“ erfolgreich abgeschlossen, da sprach er möglicherweise von der einzigen wirklich gelungenen bundesdeutschen Operation in Afghanistan.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator