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Kommentar Kurden-Referendum im IrakKeinen Rückschritt akzeptieren

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Überall herrscht Einigkeit: Ein kurdischer Staat ist nicht akzeptabel. Mit welchem Recht wird Kurden versagt, was Palästinensern zugestanden wird?

Warum kein Kurdistan? Foto: dpa

P rovokativ, gefährlich, destabilisierend – so wird das kurdische Unabhängigkeitsreferendum im Nordirak beschrieben. Von Washington über Brüssel bis nach Ankara und Teheran ist man sich einig, dass ein kurdischer Staat inakzeptabel ist.

Warum eigentlich? Mit welchem Recht wird den Kurden verweigert, was beispielsweise den Palästinensern selbstverständlich zugestanden wird? Die Kurden haben, anders als die Palästinenser, eine eigene Sprache. Sie sind, anders als die Palästinenser, keine Araber, sondern ein eigenständiges und klar unterscheidbares Volk in der Region. Sie haben, anders als die Palästinenser, eine halbwegs funktionierende Demokratie und staatliche Institutionen entwickelt – sogar ohne EU-Dauersubventionierung. Die Führung der Kurden bringt das Kunststück fertig, ihre Bevölkerung und sogar Minderheiten, die in ihr Gebiet geflohen sind, aufzunehmen und vergleichsweise gut zu behandeln.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Palästinenser mögen ihre eigenständige Identität erst im Konflikt mit Israel entwickelt haben – dennoch ist sie heute ein Fakt, und ihnen steht trotz ihrer korrupten, undemokratischen und zerstrittenen Führung ein eigener Staat zu. Aber den Kurden genauso.

Der internationalen Gemeinschaft mögen die Unabhängigkeitsbestrebungen gerade äußerst ungelegen kommen. Niemand kann sich dar­über freuen, dass der Irak auseinanderbricht. Aber die Vorstellung, dass die Kurden sich wieder in den Status quo einfügen, nachdem der Staat sie im Kampf gegen den IS alleingelassen und ihnen auch ansonsten nichts anzubieten hat, ist unrealistisch.

Die Kurden werden keinen Rückschritt akzeptieren. Eine weitreichende Autonomie wäre immer noch eine Option. Aber Bagdad und die internationale Gemeinschaft werden sich schon etwas Besseres einfallen lassen müssen als bisher, wenn sie die Kurden von einem eigenen Staat abbringen wollen.

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Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
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9 Kommentare

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  • Es geht auch moderater:

    Der syrische Außenminister hat der kurdischen Minderheit unlängst Gespräche über die Autonomiefrage angeboten. Die syrischen Kurden hingegen verzichten schon seit langem auf die Forderung nach staatlicher Unabhängigkeit.

    (https://www.jungewelt.de/artikel/318922.damaskus-bereit-mit-kurden-zu-verhandeln.html)

  • Das ist eines der Dauergrundübel: es reicht nicht, Türke zu sein, man muss auch noch Kurde sein. Es reicht nicht, Spanier zu sein, man muss auch noch Katalane sein etc. etc.

  • "Mit welchem Recht wird den Kurden verweigert, was beispielsweise den Palästinensern selbstverständlich zugestanden wird?"

     

    Einzig und allein mit dem Recht des Iraks auf Bestand seiner Staatlichkeit. Friedliebende Kurden und friedliebende Araber wollen sich zur Abwechslung mal gegenseitig ein bischen die Köpfe einschlagen. Multikulti im Irak. Der Rest der Welt sollte sich da vollkommen raushalten.

  • Die Beispiele oben sind schon ok,

     

    aber den Bayern wird keine Abstimmung untersagt. Höchstens von der Bayrischen Regierung, die Angst hat, Restdeutschland würde einer Abspaltung sofort zustimmen...

  • Vermutlich bezieht die Autorin ihre Informationen nur aus der TAZ.

    Deshalb weiß sie wohl auch nicht, dass

     

    1.Die Kurden etwas haben, was sich zu Geld machen lässt. Nämlich Erdöl. Was soll aus dem Irak werden, wenn die Erdöl-Einnahmen aus Kurdistan nicht mehr in die irakische Staatskasse fließen?

     

    2.Es nach der angenommenen Gründung eines Staates „Kurdistan“ erst richtig losgehen würde. Dann würde dieser Staat versuchen, die Kurdengebiete des Irans und der Türkei ebenfalls zu vereinnahmen. Die Krim lässt grüßen! Die Regierungen der Türkei und des Irans haben das sehr wohl verstanden und sind deshalb strikt gegen einen Staat „Kurdistan“

     

    3.Den Palästinensern übrigens keineswegs von allen das Recht auf Eigenstaatlichkeit zugestanden wird. Man möge nur mal in Israel nachfragen.

  • Vielleicht sollte man erst einmal recherchieren bevor man eine einseitige Stellungnahme verfasst. Die Kurden haben keine eigene Sprache: es gibt 4 Dialekte: Kurmandschi, Sorani, Zazaki und Gorani. Kurmandschen und Sorani können sich nur sehr mühsam verständigen. Die Kurden sind bei weitem nicht so homogen, wie hier einfach behauptet wird. Zwischen syrischen, türkischen und irakischen Kurden herrschen historische Feindschaften, die in die heutige Zeit transportiert wurden. Irakische und türkische Kurden streiten sich heftig über das Verhältnis zur Türkei, die PKK wird von den Irakern als politischer Fremdkörper empfunden.

  • Überall herrscht Einigkeit? Also in Schottland finden die Kurden schon Unterstuetzung, der SNP-Europaabgeornete Alyn Smith "respect the legitimate right to self-determination" und sowohl im National als auch im Herald gibt es zum Referendum regelmaessige und sympathische Berichterstattung...

  • Mit welchem Recht wird den Kataloniern ein eigener Staat versagt? Mit welchem Recht wird die Abstimmung auf der Krim ignoriert? Mit welchem Recht wird in Bayern eine Abstimmung untersagt? Warum kriminalisiert Frankreich Gespräche über eine Unabhängigkeit der Savoie? Mit welchem Recht den Kurden in der Türkei? Und warum war das im Kosovo in Ordnung und in der Slovakei richtig?

    Das Völkerrecht ist von den Staaten gemacht worden. Denen ist die eigene Territorialität wichtiger als das Selbstbestimmungsrecht ihrer Bewohner. Doch es gibt auch andere Stimmen, die das Selbstbestimmungsrecht als Menschenrecht sehen: https://dezayasalfred.wordpress.com/2017/09/23/media-statement-violation-of-the-right-of-self-determination-of-the-catalan-people/

    Verlogen ist es aber, selektiv bei nicht befreundeten Staaten das Selbstbestimmungsrecht zu betonen und bei befreundeten Staaten das Völkerrecht hoch zu halten. Das ist unglaubwürdig und schäbig. Wir brauchen stattdessen klar Maßstäbe, welche Mehrheiten und welche Bedingungen für eine Loslösung reichen. Wer Menschenrechte nach Belieben einsetzt - nicht der Menschen willen sondern der eigenen politischen Agenda wegen - entwertet die Menschenrechte. Das ist der Grund warum dann bei anderen Themen wie z.B. Flüchtlinge Menschenrechte Glaubwürdigkeit verloren haben.

     

    Merkel steht für eine Politik des Opportunismus. Jedes Argument ist nur dann gültig, wenn es dem eigenen Machterhalt dient. Da sind die radikalen Rechten scheinbar konsequenter.

    • @Velofisch:

      "Wir brauchen stattdessen klar Maßstäbe, welche Mehrheiten und welche Bedingungen für eine Loslösung reichen."

       

      Nein, brauchen wir nicht. Wir können uns bei solchen Konflikten völlig raushalten. Es geht uns nichts an, ob auf der Krim, in Spanien oder im Irak das Selbsbestimmungsrecht zum tragen kommt.

       

      Wir haben nämlich keine besseren Maßstäbe zur Beurteilung dieser Frage als die betroffenen Völker selbst.

       

      Was ist so schlimm daran, wenn d zu irgendeiner Weltfrage mal seinen Senf nicht dazugibt?