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Kommentar Krieg in SyrienWaffenruhe bleibt zweifelhaft

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Das Land ist weit und die Waffen werden wie angekündigt an vielen Orten nicht schweigen: Das wissen Assad, Putin und Erdoğan auch selbst.

Friedensengel mit Hindernissen Foto: ap

D ie Regierungen Putin, Erdoğan und Assad haben eine „landesweite Waffenruhe“ für Syrien verkündet. Das wäre eine wunderbare Neujahrsbotschaft, insbesondere für die bislang überlebenden Kriegsopfer unter der syrischen Zivilbevölkerung. Wenn sie denn wahr würde. Doch daran gibt es leider erhebliche Zweifel.

Denn zugleich mit der landesweiten Waffenruhe verkündeten die drei Regierungen die „fortgesetzte militärische Bekämpfung der Terroristen“ in Syrien – also des „Islamischen Staat“ (IS), des syrischen Al-Qaida-Ablegers (ehemals al-Nusra) und anderer islamistischer Gewaltakteure, die in der Summe derzeit noch über 50 Prozent dieses Landes kontrollieren.

An diesem Zielkonflikt scheiterten bereits in den letzten zwölf Monaten alle Bemühungen der USA und Russlands um eine dauerhafte Waffenruhe. Zumal sich die beiden Großmächte über den Charakter der militärisch besonders potenten „Islamischen Armee“ und anderer Rebellengruppen nie einigen konnten. Sind das „legitime Oppositionsgruppen“ (Washington), die auch in Vereinbarungen über eine Waffenruhe eingebunden und an Verhandlungen mit der syrischen Regierung beteiligt werden müssen?

Oder handelt es sich bei diesen Rebellengruppen wegen ihrer nachweislich engen ideologischen und operativen Verbindungen zu al-Qaida um „Terroristen“ (Mokau), die weiterhin militärisch zu bekämpfen sind? Diesen Dissens haben auch die Regierungen Erdoğan, Putin und Assad nicht überwunden.

Laut Putin wurden „die wichtigsten Rebellengruppen“ mit insgesamt rund 62.000 Kämpfern an der Vereinbarung über die Waffenruhe beteiligt. Die „Islamische Armee“ mit ihren knapp 15.000 Mitgliedern ist nicht dabei. Weitere Zweifel am Eintreten einer landesweiten Waffenruhe weckt die Ankündigung der Regierung Erdoğan, sie werde auch den Krieg gegen die von Kurden besiedelten Regionen – weiteren 10 Prozent des Landes – fortsetzen.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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2 Kommentare

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  • Ich finde es immer etwas merkwürdig, wenn Sätze wie '... und anderer islamistischer Gewaltakteure, die in der Summe derzeit noch über 50 Prozent dieses Landes kontrollieren...' auftauchen. Die kontrollierte Fläche sagt in einem Land mit einem grossen Wüstenanteil rein gar nichts, führt aber für Unwissende zu einer sehr falschen Einschätzung. Hier wäre eine echte Angabe, nämlich wieviel Prozent der Bevölkerung hier wohnen, deutlich sinnvoller.

  • „ ...handelt es sich bei diesen Rebellengruppen wegen ihrer nachweislich engen ideologischen und operativen Verbindungen zu al-Qaida um „Terroristen“ (Mokau), die weiterhin militärisch zu bekämpfen sind?“

     

    Nunja, Moskau meint, dies könne man mit dem „Aleppo-Test“ leicht herausfinden. Die, die dortblieben und sich ergaben, waren „moderat“ und die, die in die Busse nach Idlib stiegen, wohl eher dschihadistisch. Interessanter Standpunkt ...

     

    Aber die Trennung von „Moderaten“ und „Dschihadisten“ war nur einer der zwei wesentlichen Stolpersteine für eine russisch-amerikanisch Vereinbarung. Der zweite war, daß die Obama-Administration die CIA und Teile des Pentagon nicht mehr unter ihrer vollen Kontrolle hatte. Während Kerry und Lawrow verhandelten, freuten sich im Hintergrund die NeoCons schon auf den Wahlsieg Clintons. Dann könnten sie den Russen und dem Iran endlich mal zeigen, wo der Frosch die Locken hat.

    Und als dann im September wider Erwarten doch ein Waffenstillstand verhandelt wurde, da wurden eben „versehentlich“ mal 100 Soldaten der syrische Armee in Deir ez-Zor plattgemacht.