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Kommentar KrankenkassenbeiträgeWo bleiben die Arbeitgeber?

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Der Anstieg der Kassenbeiträge wird allein von den Arbeitnehmern getragen. Es ist Zeit, die paritätische Finanzierung wieder einzufordern.

Wir liegen alle in einem Bett: Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Foto: prokop / photocase.de

W enn es um das Gesundheitssystem geht, herrscht in Deutschland ein Widerspruch: Da werden Versorgungsmängel beklagt, Budgetierungen gegeißelt, da wird vor Rationierungen gewarnt. Aber wenn dann ab 2016 Beiträge steigen und vielleicht 15 Euro mehr im Monat fällig werden für die gesetzliche Krankenkasse, geht das Gemosere los und die Rechnerei, ob man schnell zu einer billigeren Kasse wechseln sollte, die ihre Beiträge nur um monatlich 5 Euro erhöht.

Dabei haben Beitragserhöhungen weniger mit schlechtem Wirtschaften einer Krankenkasse zu tun; sie können auch auf einen hohen Anteil an Hochrisikopatienten zurückzuführen sein, die Hunderttausende Euro im Jahr kosten, oder auf steigende Arzneimittelausgaben für teure Krebsmedikamente oder einen hohen Anteil chronisch Kranker. Etwas mehr Kassensolidarität wäre also nicht schlecht. In einer alternden Gesellschaft mit medizinischem Fortschritt ist ohnehin zu erwarten, dass die Beiträge zur Gesundheitsversorgung steigen werden.

Allerdings rückt ein Punkt jetzt wieder zu Recht in den Mittelpunkt der Gerechtigkeitsdebatte, und das ist die zunehmend unparitätische Finanzierung der Kassenbeiträge. Die Arbeitgeber zahlen gegenwärtig einen Beitrag von 7,3 Prozent des Bruttolohns für ihre Beschäftigten, die Arbeitnehmer hingegen tragen bei der teuersten Versicherung ab kommendem Jahr 8,8 Prozent vom Brutto an Beitragslast. Der Arbeitnehmerbeitrag wird steigen, der Beitrag der Arbeitgeber ist hingegen eingefroren.

Vor dem Jahr 2005 wurden die Kassenbeiträge und ihre Erhöhung immer genau hälftig zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt. Doch im Zuge der Debatte über die hohen Lohnnebenkosten, die seit den Zeiten der Massenarbeitslosigkeit in den 1990er Jahren an Fahrt gewann, wurde die paritätische Finanzierung nach und nach ausgehebelt, um die Unternehmen zu entlasten. Zuletzt geschah das auch mit Zustimmung der SPD in der Großen Koalition.

Aber die Zeiten ändern sich. Die Zahl der Arbeitslosen ist gesunken, hohe Lohnkosten sind im Moment kein vordringliches Thema. Ein günstiger Zeitpunkt also, die paritätische Finanzierung der Kassenbeiträge wieder einzufordern. Die SPD, durchaus anpassungsfähig, wittert ein Thema für den kommenden Wahlkampf, und das zu Recht.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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7 Kommentare

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  • Weder im Kommentar von Barbara Dribbusch noch in den Beiträgen auf der Seite 3 wird das Grundproblem der Krankenversicherung auch nur erwähnt: die unsinnige und ungerechte Zweiteilung in gesetzlich und privat Versicherte. Die Privaten dürfen sich die Jungen, Gesunden und Gutverdienenden aussuchen und sich dem solidarischen Gedanken verweigern. Gäbe es e i n e Versicherung für a l l e und die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze, ginge man endlich mal die Pharmaindustrie an, dann sähe es um die Finanzen der dann existierenden einen Kasse nicht schlecht aus.Heute können sich ganze Berufsgruppen mit eigenen berufsständischen Versicherungen entziehen. Das mag der persönlichen Eitelkeit, dem Status- und Prestigedenken nützlich sein, ist aber im Wortsinne sozial schädlich.

    Nur: Daran will keine der Bundestagsparteien - vielleicht mit Ausnahme der Linken; ich weiß es nicht - etwas ändern. Dass die SPD jetzt wieder - vorsichtig - zur alten paritätischen Beitragszahlung zurück will, wäre ja schon mal ein klitzekleiner Fortschritt. Aber erstens wäre auch das typisch Sozis: ein wenig Korrektur, ohne das Problem grundlegend anzugehen. Darüber hinaus glaube ich dieser band rein gar nichts mehr. Wie oft hat die SPD schon gelogen bzw. an unsozialen Gesetzen (mit-)gestrickt! Außerdem sei an den Satz vom ollen Müntefering erinnert: es sei unfair, die SPD an ihren Wahlversprechen zu messen.

    Helmut Hesse, Erftstadt

    • 2G
      2730 (Profil gelöscht)
      @Helmut Hesse:

      Das schöne Modell der e i n e n Versicherung für a l l e gab's schon mal. Es heißt National Health Service und produziert vor allem unnötige Kosten und Ärztemangel.

  • "Aber die Zeiten ändern sich. Die Zahl der Arbeitslosen ist gesunken, hohe Lohnkosten sind im Moment kein vordringliches Thema."

    Genau falsch. Die Arbeitnehmer wollen Solidarität, mehr Verdienst und wenig Arbeitslosen. Kosten steigern bedeutet wenige Einstellungen. Punkt.

  • 1. Die größten Kosten verursachen:

    a) eine teure Maschinen-Medizin von oft recht zweifelhaftem Nutzen für die Patienten

    b) die unsinnige Verschreibung von z.T. sogar erst krankmachenden Medikamenten

    Folge: Mehr Geld verbessert die Gesundheitsversorgung nicht wirklich - im Gegenteil

    2. Viele Ärzte sind zugleich auch Arbeitgeber und daher an einer paritätischen Kostenverteilung auch überhaupt nicht interessiert. Sie nutzen ihren erheblichen Einfluß auf die Politik auch dementsprechend.

    3. Sehr viele Ärzte nagen trotz Beitragserhöhungen seit Jahren schon am Hungertuch und können wegen der Fallpauschalen nur noch durch falsche Abrechnungen oder allzu gutgläubige Privatpatienten profitieren.

    4. Aus den Punkten 1 -3 folgt, dass die Beitragserhöhungen völlig unbegründet sind.

    • @Rainer B.:

      Ich vergaß noch einen sehr wichtigen Punkt unter 1.:

      c) Aufbau und Unterhaltung einer gigantischen zentralen Datenerfassung, die nicht nur gegen die elementaren Interessen und den erklärten Willen vieler Patienten erhoben werden, sondern auch im Vergleich zu den anfallenden Kosten keinerlei Nutzen bringen - ausser natürlich für die Firmen, die damit beauftragt wurden.

      • @Rainer B.:

        Gigantisch ist sicherlich übertrieben. Auf einer kleinen Festplatte passt vielleicht schon mindestens ein ganzer Linie auf Aktenordner. Und letztere wollen auch immer schön mit dem Handwagen von Haus A nach Haus B in Zimmer 3 geschoben werden. Facharzt abc muss sich nätürlich gedulden bis Facharzt def fertig ist.

        Gestiegen sind vor allem die Erfassungen im Rahmen des Qualitätsmanagement. Das QM keinen Nutzen bringt halte ich für eine Steile These.

        • @Rudolf Fissner:

          Es geht um die sogenannte "Gesundheitskarte", für die nach Informationen meines Arztes gerade ein zentrales Rechenzentrum aufgebaut wird. Da wird nicht etwa eine kleine Festplatte von Haus A nach Haus B geschoben. In Zukunft soll dort jeder Arzt mit der Patientenkarte Zugriff auf alle Diagnosen, Arztbriefe und Medikationen des betreffenden Patienten erhalten. Der Patient selbst wird natürlich vom Zugriff auf seine vollständigen Daten ausgeschlossen bleiben. Da wird sich doch jeder in Zukunft sehr genau überlegen müssen, ob und mit welchem Leiden er überhaupt noch zum Arzt gehen kann. Das ein Qualitätsmanagement keinen Nutzen bringt, hab ich nirgendwo behauptet. Die Frage ist nur, wem es auf wessen Kosten nutzt und wem eben nicht.