Kommentar Korruption Spanien: Über die Verhältnisse gelebt
Die spanische Regierungspartei Partido Popular hat jahrelang illegalen Parteispenden erhalten. Darüber könnte Regierungschef Rajoy nun stürzen.
W ir haben über unsere Verhältnisse gelebt.“ So heißt es vonseiten der spanischen Regierung des konservativen Mariano Rajoy immer wieder, wenn die Axt am Sozialsystem angesetzt wird. Das klingt wie Hohn angesichts der nun aufgetauchten Dokumente.
Denn diese zeigen, dass die Regierungspartei Partido Popular (PP) ihrer Parteiführung jahrelang reichliche Zusatzsaläre beschert hat. Das Geld, das aus illegalen Parteispenden stammte, wurde den Empfängern monatlich in Briefumschlägen zugesteckt. Auch Regierungschef Rajoy soll über 25.000 Euro jährlich unter der Hand empfangen haben.
Die Spanier warten bisher vergebens auf Erklärungen seitens der Regierung. Im Radio sind immer wieder die Sätze zu hören, die Rajoy einst seinem ehemaligen Kassenwart Luis Bárcenas, der das System der Umschläge erfunden haben soll, widmete. Von einem hochverdienten, unschuldigen Parteimitglied ist da die Rede.
ist Spanien-Korrespondent der taz.
Das war vor vier Jahren, als die Richter ihre Ermittlungen gegen Bárcenas aufnahmen. Er ist in einen anderen großen Korruptionsskandal verwickelt, den sogenannten Fall Gürtel. Millionen flossen über ein ausgefeiltes System illegal in die Kassen der PP und die Taschen von Parteifunktionären. Bárcenas selbst hat in der Schweiz 22 Millionen Euro geparkt.
Rajoy scheint den Skandal aussitzen zu wollen. Das schadet Spanien. Denn das mühsam wiedererrungene Vertrauen der EU und der Finanzmärkte ist zu zerbrechlich, um Zweifel an der Ehrlichkeit des Regierungschefs, seiner engsten Vertrauten und der Partei als solcher zu vertragen. Im Interesse Spaniens muss Rajoy, noch bevor er am Montag nach Berlin reist, zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Sollten sie sich als wahr erweisen, muss er zurücktreten – aber nicht, ohne zuvor Neuwahlen anzusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül