Kommentar Klimawandel: Der Katastrophe ins Auge blicken
Der Klimawandel schreitet noch schneller fort als erwartet. Weil es schon unsere Kinder und Enkel treffen wird, kann die Klimadebatte nicht ehrlich genug geführt werden.
Reiner Metzger ist stellvertretender Chefredakteur der taz.
Einer der renommiertesten Klimaforscher kommt zu alarmierenden Ergebnissen: Die Wirkungen des Treibhauseffekts schaukeln sich doppelt so schnell hoch, wie bislang in den aktuellen theoretischen Modellen vorausgesehen wurde. Kurz: Es wird alles noch viel schlimmer, als bislang erwartet.
Das bedeutet, dass die Ziele der Klimapolitiker längst nicht mehr ambitioniert genug sind. Denn selbst wenn sich die Industrieländer auf die geplante Beschränkung des Kohlendioxidausstoßes einigen, würde das Eis der Erde trotzdem größtenteils abschmelzen, der Meeresspiegel noch in diesem Jahrhundert um mehrere Meter steigen. Einigen Experten und Politikern sind diese Daten nicht sehr willkommen. Sie fürchten, dass mit dermaßen schlechten Nachrichten der Schwung erlahmen könnte, sich überhaupt noch gegen die Erderwärmung zu stemmen - wenn der Kampf ohnehin aussichtslos ist, warum nicht sich in das Unvermeidbare ergeben und hemmungslos den letzten Tropfen Öl und den letzten Krümel Kohle verheizen? Das aber wäre die falsche Schlussfolgerung.
Mit den neuen Forschungsergebnissen rückt die Klimakatastrophe näher an uns heran: Sie wird nicht mehr nur unsere Ururenkel treffen, sondern schon unsere Kinder und Enkel. Die Klimadebatte kann daher gar nicht ehrlich genug geführt werden. Nur wenn auch dem letzten US-Präsidenten, Konzernchef oder europäischen Vielflieger die Dramatik der Situation klar ist, wird es - auch gegen die einflussreiche und weltweite Energielobby - zu den nötigen Vereinbarungen kommen.
Nötig wäre dabei eine stärkere Zusammenarbeit mit den Schwellenländern. Ohne China, Indien und Brasilien wird es nicht klappen, das Klima zu retten. Für ein Exportland wie Deutschland geht es dann ans Eingemachte. Denn diese Länder werden von den reichen Ländern als Ausgleich für ihre Anstrengungen den Transfer von hochmoderner und überlebenswichtiger Technik fordern. Klimaschutz statt Patentschutz, für Windenergie oder Solarzellen, zum Energiesparen: Das ist starker Tobak für unsere Industrie. Es wird uns aber wohl nicht viel anderes übrig bleiben. REINER METZGER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mögliches Ende des Ukrainekriegs
Frieden könnte machbar sein
Musks AfD-Wahlempfehlung in der „Welt“
Rocky Horror Springer Show
Syrische Regierung und die Frauen
Sie sind zu Recht beunruhigt
Windräder auf Hochtouren
Neujahr war zu 125 Prozent erneuerbar
Bundestagswahl 2025
Etwas tun macht glücklich
Todesgefahr durch „Kugelbomben“
Bombenstimmung nach Silvester