piwik no script img

Kommentar KlimagipfelUnd er bewegt sich doch

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die Staatschefs haben nichts erreicht. Trotzdem war der Gipfel ein Erfolg: Klimapolitik steht wieder oben auf der Agenda. Die Wirtschaft ist gespalten.

Schornsteinpanorama nahe Delhi: Der Gipfel hat auch die Industrie zu mehr Beschäftigung mit dem Klimaschutz herausgefordert Bild: ap

E s gibt einen Satz, der den zum Klimagipfel angereisten Staatschefs bei Strafe verboten werden sollte. Er lautet: „Die Zeit zum Handeln ist jetzt!“ Das stimmt seit 20 Jahren und deshalb überhaupt nicht mehr. Seit dieser Zeit haben sie und ihre Vorgänger das Problem beschrieben und sind dann nach Hause gefahren, um vor der Lobby der Industrie und den eigenen Wählern zu kuschen. Ein paar Monate später stehen sie dann wieder vor einem Auditorium und sagen: „Die Zeit zum Handeln ist jetzt!“

Der Sondergipfel von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in New York war da keine Ausnahme. Erfahrene Beobachter können die Redetexte von Obama, Cameron und Co bis ins Detail mitschnarchen. Trotzdem sind die internationalen Verhandlungen sinnvoll, denn auch wenn es bei globalen Problemen nicht weitergeht, muss weiter geredet werden. Trotzdem kann man dabei wahnsinnig werden. Und trotzdem war der Gipfel ein Erfolg.

Denn er hat das Thema nicht nur wieder auf die oberste politische Agenda gesetzt – eine Entwicklung, der sich nur die Klimaschurkenstaaten Australien, China, Kanada, Russland und Deutschland entzogen haben – er war auch der Anlass für die bislang größte Klimademo überhaupt. Die Hunderttausenden von Menschen, die überall auf der Welt auf die Straßen gingen, sind eines der wenigen Hoffnungszeichen in der Klimapolitik.

Nicht, weil 600.000 Menschen die Welt verändern, wenn sie kein Auto mehr fahren – sondern weil sie laut und deutlich Druck für eine bessere Politik machen. Man sollte nicht unterschätzen, welchen Einfluss Demonstranten auf die Stimmung in einer demokratischen Gesellschaft haben – und wie sehr Aktivisten in Ländern wie China oder Indonesien ermutigt werden, wenn sie sich global vernetzt fühlen.

Gleichzeitig hat der Gipfel auch die Industrie herausgefordert, sich wieder mit dem Zombie-Thema Klimawandel zu beschäftigen. Natürlich sitzen die Spin Doctors der Ölkonzerne, der Autobauer und Agrarindustrie in den New Yorker Hinterzimmern dabei, wenn die Politiker reden. Aber die Kluft zwischen den Industrien, die vom Klimaschutz profitieren und denen, die solange wie möglich den Planeten toasten wollen, wird immer deutlicher.

Schulterschluss mit Hunderttausenden: Laurent Fabius, Jane Goodall, eine Stoffkuh, ein Stoffaffe, Al Gore, Bill de Blasio und Ban Ki-moon bei der Großdemo vor dem Gipfel Bild: ap

Wenn nicht nur die Umweltschützer dazu aufrufen, ihr Kapital aus Kohle und Öl abzuziehen, sondern die Entscheider über Billionen von Dollars ins Grübeln kommen, dann ist etwas gewonnen. Und wenn ein Teil der Industrie offen fordert, es müsse einen verlässlichen Kohlenstoffpreis und Investitionssicherheit geben, dann nähern wir uns einer Lösung.

Und die könnte so aussehen: Die weltweite Klimabewegung reanimiert sich selbst; unter ihrem Druck sehen Politiker, dass sie es sich bloß mit einem Teil der Wirtschaft verscherzen, wenn sie Klimaschutz ernst nehmen. Dann könnten sie das tun, was Angela Merkel so hasst: Ein Risiko eingehen und eine Entscheidung fällen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • sensationell auf den punkt gebracht

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Das Thema steht bei Merkel und Gabriel sicherlich weit oben auf der Agenda, doch mit dem falschen Vorzeichen: sie wollen unsere Wirtschaft vor Konsequenzen "schützen". Schön wär's wenn der Druck von außen auf unsere Politiker zunehmen würde, doch die haben ein zu dickes Fell.

  • Der aktuelle Status unterscheidet sich inhaltlich keineswegs vom Status in der Vergangenheit. Die Klimakonferenzen dienen dem Nachweis, dass die Regierungen nicht untätig sind, während sie real nichts tun. Das ist seit 20 Jahren so, und daran wird sich nichts ändern. Sollte es Tendenzen geben DASS sich etwas ändert, stehen Lobbyorganisationen wie der Donors Trust ebenso bereit wie die Industrien selbst. Die Koch-Brüder in den USA sowie Exxon werden Milliarden in die "Klimaskeptiker"-Szene pumpen.

    Das ganz läuft genau so wie bei der Kampagne gegen die Schädlichkeit des Rauchens. und diverse Personen (z.B. Fred Singer) und Institute (z.B. das Heartland Institute) sind bekanntlich bei beiden Kampagnen involviert.

    Langer Rede kurzer Sinn: Passieren wird auch in Zukunft - wie immer - gar nichts. Alles andere ist Augenwischerei.

    • @Kaboom:

      na ganz so schlimm ist es ja auch nicht. es geht zwar laehmend langsam, aber es passiert schon etwas. bei den tabakkonzernen, bei den energieunternehmen (RWE, vattenfall..) und hoffentlich auch bald bei der atom- und erdoelkonzernen