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Kommentar Klage wegen AutobahnmautNur ein bisserl Wahlkampf

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Mit der Klage gegen die deutsche Autobahnmaut gibt sich die SPÖ proeuropäisch und europakritisch zugleich. Hat es wirklich nichts mit der Wahl zu tun?

„Das ist eine reine Ausländermaut“: Österreich klagt gegen Deutschlands Autobahnmaut Foto: dpa

D ass Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) seine Klage gegen die deutsche Autobahnmaut gerade jetzt einbringt, habe laut seiner eigenen Ansage aber nichts mit den Nationalratswahlen zu tun, die in drei Tagen stattfinden. Man muss ihm das glauben. Wie viele Wähler wissen schon, welcher Partei der sonst wenig auffällige Minister angehört? Und Autobahnen waren in diesem Wahlkampf bislang kein Thema.

Außerdem stimmt es, dass die Verfahrensfristen den Termin vorgeben. Denn die drei Monate, die die EU-Kommission Zeit hatte, Einwände gegen die Pläne zu erheben, sind abgelaufen. Im Mai hat die Kommission kosmetische Reparaturen am Gesetz zum Anlass genommen, Alexander Dobrindts liebstes Kind abzusegnen. Jetzt werden nicht mehr alle deutschen Autofahrer mit exakt dem Gegenwert der Jahresmaut entlastet. Was bleibt, ist die Bevorzugung der motorisierten Deutschen gegenüber allen Ausländern, die die Autobahn benutzen werden. Leichtfried: „Das ist eine reine Ausländermaut.“

Leichtfried sieht den Umgang mit seiner Klage als „Nagelprobe für das europäische Rechtsverständnis“. Und er weiß den Europarechtler Walter Obwexer auf seiner Seite. Der verweist auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg, wenn er Österreich gute Chancen prognostiziert. Österreich und fast alle Nachbarländer kassieren – teils weit saftigere – Gebühren für ihren Autobahnen. Aber nirgends werden die Einheimischen geschont. Es geht also ums Prinzip. Solange die neue niederländische Regierung sich dazu nicht äußert, bleibt Österreich das einzige Land, das sich nicht geschlagen geben will.

Die SPÖ gibt sich proeuropäisch, aber gleichzeitig im Detail europakritisch. Am Streit um die Maut kann man nachvollziehen, wie die großen Länder es sich im Zweifel richten können. So wird der Konflikt zu einem Duell des Wiener David gegen den Berliner – oder besser Münchener – Goliath. Also vielleicht doch ein bisschen Wahlkampf.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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3 Kommentare

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  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Die Einzigen, die ihr lächerliches Wahlkampfsüppchen mit der Ausländermaut seinerzeit gekocht haben, waren Alexander Doofbrindt (Parteijargon) und die CSU. Selbstredend ist die Maut europarechtswidrig, das haben die Experten des Deutschen Bundestages von Anfang an gesagt. Soie bleibt es auch, trotz ein bisschenKosmetik.

    Sie bringt auch kein Geld ein, sondern nur Verluste.

    Aber egal.

    Der Bundesverkehrsminister kriegt ja auch sonst nichts auf die Reihe (katastrophale Autobahnprivatisierung, Dieselskandal).

    Deswegen ist er ja auch unverzichtbar für die CSU in Berlin und darum gerade erst zum Landesgruppenchef der Gurkentruppe aufgestiegen.

  • Defakto handelt es sich um eine Umstellung der Finanzierung der Autobahnen. Und das man dann eben auch die Kfz-Steuer anpasst, wenn man deutliche Belastungssteigerungen vermeiden will ist doch nur konsequent.

     

    Denn Fakt bleibt, aktuell sind es die Einheimischen die einseitig mit den Kosten der Straßen belastet sind, obwohl sie nicht die alleinigen Nutznießer sind. Denn Deutschland ist Transitland. Und wenn ich denke was ich allein in diesem Urlaub an Maut und Gebühren in Europa gelassen habe, finde ich die Umstellung der Finanzierung richtig. Und nichts anderes ist die Maut. Egal was man sonst von Dobrindt so halten mag.

  • Tu felix Austria quere! Du aber glückliches Österreich klage!