Kommentar Kirche und Bildung: Unangebrachte Gottesfurcht
Zwar kehren immer mehr Menschen den Kirchen den Rücken zu. Im Gegenzug kapern die Kirchen im großen Stil die Bildungsinstitutionen des Landes.
D ie Kirchen sind auf dem Rückzug? Schön wär’s. Zwar kehren immer mehr Menschen den Kirchen den Rücken, zwar sinkt die Zahl der Taufen und die der Messbesucher kontinuierlich. Aber im Gegenzug kapern die Kirchen im großen Stil die Bildungsinstitutionen des Landes. Das Kalkül ist klar: Je jünger, desto formbarer ist ein Mensch. Einer Gesellschaft, die sich als säkular versteht und Religion als Ausdruck einer mündigen Entscheidung des Einzelnen, ist das nicht würdig.
Beispiel Kitas: Sosehr christliche Hardliner auch gegen die Fremdbetreuung von Kleinkinder wettern – vom Ausbau der Plätze profitieren vor allem kirchliche Träger. Der Anteil der unter Dreijährigen in konfessionellen Einrichtungen nahm von 21 Prozent im Jahr 2006 auf jetzt 26 Prozent zu, die Zahl der christlichen Kitas ist um 116 Prozent gestiegen.
Beispiel Schulen: Obwohl die Schülerzahl sinkt, eröffnen kirchliche Träger neue Einrichtungen. Ihre Chancen wittern sie vor allem im Osten Deutschlands, wo sich der Staat aus der Bildung zurückzieht. Mit Zwangsreligionsunterricht in dünn besiedelten Landstrichen fallen sie über eine eigentlich mehrheitlich konfessionslose Bevölkerung her und bejubeln die ersten Neugetauften.
ist Bildungredakteur im taz-Inlandsressort.
Besonders rückständig ist NRW: Ein gutes Drittel der Grundschulen ist den Kirchen ausgeliefert. Es geht, wohlgemerkt, um eine staatliche Einrichtung, in die die Kirchen aus ihren eigenen vollen Kassen keinen müden Cent stecken.
Dass Missionierung mit Steuermitteln nicht zeitgemäß sein kann, sollte sich von selbst verstehen. Doch was macht Rot-Grün? Verhandelt brav mit den Kirchen, um ja nichts gegen deren Willen zu entscheiden. Mehr Konfrontation mit der Glaubenslobby wäre durchaus angebracht. Bildungspolitik sollte nicht von Gottesfurcht bestimmt sein.
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