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Kommentar Kirche in RusslandStaatliche Verdunkelung

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Wer nichts mit der Kirche anfangen kann, hat es in Russland schwer. Das hat weniger mit Religion als mit Herrschaftsansprüchen zu tun.

Ruslan Sokolowskij und seine Mutter vor Gericht Foto: Reuters

D er Hype ist verflogen. Die Jagd mit dem Smartphone nach den harmlosen Pokémon-Monstern gehört längst der Vergangenheit an. Nur in Russland führen die Fantasiegeschöpfe noch ein Eigenleben. Soeben wurde Jurastudent Ruslan Sokolowskij zu dreieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Er hatte es gewagt, in einer Kathedrale nach den Figuren zu suchen, und bei der Gelegenheit die Existenz des Schöpfers infrage gestellt.

Agnostiker oder Atheisten wie Sokolowskij haben es in Russland zurzeit schwer. Vor kurzem war es noch andersrum. Da musste sich verstecken, wer sich zum wahren Glauben bekannte. Indes auch der Glaube kann Mode sein. Verfolger von einst wurden über Nacht zu Exegeten der Heiligen Schrift.

Dabei ging einiges schief. Statt Theologie obsiegte im dritten Jahrtausend in Moskau wiedermal der Obskurantismus.

Die reaktionäre Strategie des Machterhalts verkauft der Kreml der Welt nun als originären Beitrag zur Wahrung traditioneller Werte. Als rettendes Prinzip vor Globalisierung, Vermischung, ja – sagen wir es doch offen – dem westlichen „Satanismus“.

Er glaubte an die Rechtsstaatlichkeit

Staat und Kirche ziehen dabei an einem Strang. Die Trennung zwischen beiden kennt Russland nicht wirklich. Die Kirche ist eine staatliche Agentur mit ideologischem Herrschaftsauftrag.

Die Verwirrungsstrategie ist von außen nur schwer zu durchschauen. Zumal Achtung und Anstand vor Glauben und Gläubigen Kritiker zur Zurückhaltung mahnen. Nur sind es diese westlichen Kategorien der Toleranz, mit denen Russland geschickt sein politisch-ideologisches Geschäft betreibt.

Obskurantismus im Staatsgewand ist kein juristisches Lehrfach, lediglich eine Frage russischer Lebenserfahrung.

Jurastudent Sokolowskij hielt es nicht für möglich, dass ein Pokémon-Spieler in einer Kirche zu mehreren Jahren Lagerhaft verurteilt werden könnte. Im Glauben an Russlands Rechtsstaatlichkeit wollte er den Gegenbeweis antreten. Schließlich ist Russland laut Verfassung ein weltlicher Staat. Obskurantismus im Staatsgewand ist kein juristisches Lehrfach, lediglich eine Frage russischer Lebenserfahrung.

Sokolowskijs Weg zu Gott ist verbarrikadiert. Selbst wenn die Richter eines Tages in der Hölle schmoren.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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2 Kommentare

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  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Deutschland: "Für Störung der Religionsausübung sieht das Gesetz einen Strafrahmen zwischen Geldstrafe und drei Jahren Haft vor."

  • "Sokolowskijs Weg zu Gott ist verbarrikadiert. Selbst wenn die Richter eines Tages in der Hölle schmoren."

    ??? Was soll ich denn da anderes heraushören als die gleiche Religionshörigkeit und -fanatismus, der Sokolowski zum Verhängnis wurde? Vielleicht gibt es einfach sehr viele Menschen die keine Lust mehr haben, bei dieser christlichen Sektenkultur mitzumachen und sich ihr Leben davon negativ beeinflussen zu lassen? Damit meine ich nicht den harmlosen positiven Glauben an Gott, die christlichen Werte usw, sondern deren Missbrauch für Macht und männliche Dominanz.

    Ich bezweifle erheblich, dass Sokolowski nach dieser Geschichte noch ein Interesse an diesem Gott Russlands hat - vielleicht auch gar kein Interesse mehr.

    Russland greift hier zu mittelalterlichen Mitteln, kann sich in eine Reihe stellen mit Erdogan, der den Islam missbraucht und Menschen gegeneinander aufhetzt, um davon politish zu profitieren. Mit den eigentlichen Religionen hat das nicht mehr viel zu tun.