Kommentar Kinderpornografie: Absurde Lethargiedebatte
Die Diskussion um Kinderpornografie ist absurd. Viel wichtiger für Union und SPD wäre das Thema Finanzkrise.
Ralph Bollmann leitet das Parlamentsbüro der taz.
Es waren geradezu Festspiele des Aktionismus, mit denen Union und SPD am Mittwoch ihren angeblichen Kampf gegen Kinderpornografie in Szene setzten. Kabinettsbeschluss am Morgen, Pressekonferenz am Mittag, dann Aktuelle Stunde im Bundestag: Fast schon zwanghaft klammert sich die Koalition an dieses Thema, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Da spielt es keine Rolle, dass die zuständigen Ministerinnen sich nicht einig sind und ein Gesetz damit in weiter Ferne liegt. Zu glücklich waren die Regierenden, überhaupt ein Thema für die Kabinettssitzung zu finden. Noch am Wochenende hatte es ganz danach ausgesehen, als müssten die Minister ohne Beschlüsse auseinandergehen.
Dabei ist die aufgeregte Debatte über die schwarz-rote Selbstblockade einigermaßen absurd. Das Thema, nach dem die Regierung händeringend sucht, gibt es längst: Es ist die Krise. Opel-Sanierung oder HRE-Enteignung böten nicht nur Stoff für Diskussionen von morgens bis abends, Tag für Tag. Sie hätten diese Debatten auch bitter nötig. Alternativkonzepte für den Umgang mit der Bankenkrise werden derzeit allenfalls auf den hinteren Seiten der Wirtschaftsteile vertieft diskutiert. Auf der politischen Oberfläche gibt es dagegen, wenn überhaupt, nur sachfremde Scheingefechte um Kampfbegriffe wie Enteignung.
Dass andere Gesetzesvorhaben ein halbes Jahr vor der Wahl nicht recht vom Fleck kommen, ist hingegen kein Novum in der bundesdeutschen Parlamentsgeschichte. Es ist auch kein Spezifikum der großen Koalition, und eine Tragödie ist es erst recht nicht. Im Gegenteil. Gerade beim Thema Kinderpornografie zeigt sich, wie fatal sich kurzfristiger Wahlkampfaktionismus auswirken kann: Während einerseits Experten die Vorschläge der Familienministerin für weitgehend wirkungslos halten, warnen andererseits Datenschützer vor einem Einfallstor für willkürliche Zensur im Netz. Bei solchen Schnellschüssen sollte man lieber froh sein, wenn das eine oder andere Politikfeld für den Zugriff des Gesetzgebers gesperrt bleibt.
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