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Kommentar KindergartenSpielend aufgeholt

Wolf Schmidt
Kommentar von Wolf Schmidt

In Kindergärten zu investieren, heißt in bessere Bildung zu investieren. Und das zahlt sich volkswirtschaftlich aus.

Dass der Kindergarten weit mehr ist als eine elternentlastende Bastelstube für die Kleinsten, sollte man in Deutschland eigentlich niemandem mehr erklären müssen. Wie bedeutend er allerdings für den späteren Schulerfolg der Kinder ist - und wie entscheidend damit für die soziale Durchlässigkeit der Gesellschaft insgesamt -, ist offenbar noch nicht bei allen angekommen. Denn in Deutschland gilt nach wie vor: Wer sein Kind in den Garten schickt, muss bezahlen. Und das schreckt oft genau diejenigen Eltern ab, deren Kinder am meisten von den Bildungsangeboten im Kindergarten profitieren würden.

Wie eine vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung veröffentlichte Studie nun deutlich gezeigt hat, gleicht der Kindergarten Bildungsdefizite bei Kindern aus sozial benachteiligten Familien aus. Und verhindert so den Weg in die Bildungsarmut. Aber: Das gelingt laut der Untersuchung nur, wenn die Kinder auch die vollen drei Jahre im Kindergarten sind. Ein Jahr Reinschnuppern reicht nicht aus.

Die Schlussfolgerung ist klar: Die Politik sollte endlich den kompletten Kindergartenbesuch zumindest kostenlos machen, vom dritten bis zum sechsten Lebensjahr. Bisher ist in einzelnen Bundesländern lediglich das letzte Jahr gratis. Alles andere ist dem guten Willen der Kommunen überlassen. Von 0 Euro bis knapp 4.000 Euro Gebühr für zwei Kinder pro Jahr ist alles drin.

Billig wäre der kostenlose Kindergarten freilich nicht zu haben. Experten schätzen die Kosten auf mehr als 3 Milliarden Euro pro Jahr. Doch gleichzeitig wäre es eine Investition, die sich voll auszahlt. Denn die Bildungsverlierer von heute sind die Hartz-IV-Empfänger von morgen. Wer bereits zu Beginn der Schulzeit hinterherhinkt, hat im sozial undurchlässigen deutschen Bildungssystem nur wenig Aussicht auf Erfolg. Je früher hier eingegriffen wird, desto besser. Doch anstatt über solch sinnvolle Investitionen in die Bildung zu sprechen, wird in diesen Tagen wieder über milliardenschwere Steuersenkungen diskutiert. Den Schwächsten bringt das nichts.

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Wolf Schmidt
Inlandsredakteur (ehem.)
Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.

3 Kommentare

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  • WL
    Wolfgang Lörcher

    Herr Schmidt hat es erfasst, die Steuersenkungen bringen denen, die es wirklich nötig hätten rein gar nichts. Das verhält sich mit den Kindrgelderhöhungen fast genauso. Wer wenig oder gar nichts verdient, zahlt keine Steuern, wer von Sozialhilfe abhängig ist, bekommt das Kindergeld von seinen Leistungen abgezogen.

    Eine Streckung der Steuersätze und eine höherer Spitzensteuersatz bei Extremverdienern, würde meiner Meinung nach, mhr Sinn ergeben.

    Eine rhöhung des Geldanspruchs bei Hartz IV käme auch denen Zugute, die jetzt knapp über der Einkommensgrenze für die Gewährung staatlicher Zuschüsse liegen.

  • JN
    jean-gert nesselbosch

    4000 euro als obergrenze ist etwas zu niedrig gegriffen. wir zahlen im jahr 4800 euro fuer die betreuung unserer jetzt dreieinhalb jaehrigen tochter in einem elterninitiativkindergarten in berlin. womoeglich hat der author nur die beitragsliste des senats gesehen, dann kommts mit der obergrenze von 4000 euro hin. es ist allerdings so, dass freie traeger im allgemeinen noch eine pauschale fuers kochen und putzen hinzunehmen, und dann ist man locker mit den genannten 5 riesen dabei. ausserdem : die inanspruchnahme eines teilzeitplatzes (bis 7 stunden oder so) ist mitunter faktisch unmoeglich,

    da der jeweilige traeger ueber die runden kommen muss, und ausschliesslich ganztages-vertraege abschliesst. das heisst : selbst wenn man sein kind bloss 5-6 stunden in der kita laesst, bezahlt man fuer 9 stunden. so sieht's aus.

  • H
    Henrik

    Eigentlich musste man ein scritt weiter gehen: Kindergarten zur pflicht machen. Vor ein par Jahren hat der chef der Generalstaab in Dänemark genau das gefordert. Der grund: Bei bewertungen von die Reultaten der Musterung - die alle junge dänische Männer machen müssen - wurde es klar, das Jungs, die ein Kindergarten besucht hätten, in die Intelligenz-test deutlich besser abgeschnitten als die, die nicht in Krippe und Kita waren.

    Deswegen wurde die Generäle zu laute Verteidiger die Erzieherinnen - obwohl genau diese zwei berufe sich nicht gerade lieben.