Kommentar Kampf gegen IS: Deutschland muss sich erklären
Die Kämpfer in Kobani brauchen Unterstützung. Nur mit dem Finger auf Erdogan zu zeigen, ist zu billig. Aus Berlin kommt nur betretenes Schweigen.
W arum unternimmt die Welt nicht mehr, um den Kurden in Kobani zu helfen, damit die Grenzstadt nicht in die Hände der Dschihadisten vom Islamischen Staat fällt? Klar ist, dass der Vormarsch der IS-Milizen nicht allein durch Luftangriffe der USA zu stoppen ist und dass die Kämpfer dort Hilfe brauchen. Doch von Ankara über Washington bis Berlin gibt es nur widersprüchliche und verdruckste Erklärungen, es überwiegt betretenes Schweigen.
Am einfachsten scheint es, die Türkei würde mit ihren Soldaten über die Grenze marschieren, dem Spuk ein Ende machen und die IS-Milizen zurückdrängen. Die Türkei aber scheut diesen Schritt. Und auch die syrischen Kurden und die PKK, mit der sie verbündet sind, misstrauen einem Einmarsch der Türkei, weil sie fürchten, diese würde die syrische Kurdenregion unter ihre Kontrolle bringen. Stattdessen wollen sie direkte Waffenlieferungen. Das wiederum wird die Türkei niemals zulassen, ihrem Friedensprozess mit der PKK zum Trotz.
Dass die Türkei es nicht schafft, sich mit den syrischen Kurden gegen den IS zu verbünden, ist ein Trauerspiel. Nur mit dem Finger auf Erdogan zu zeigen, ist aber zu billig. So oder so muss er fürchten, dass der Konflikt auch auf sein Land übergreift. Und die Konsequenzen eines türkischen Einmarschs sind auch für die Nato, deren Mitglied die Türkei ist, kaum absehbar. Denn damit würde sie erstmals mit Bodentruppen in den syrischen Bürgerkrieg eingreifen. Aber mit welchem Ziel? Und was werden Russland und der Iran, die Assad noch immer unterstützen, dazu sagen? Sie drängen schon lange darauf, den syrischen Diktator aus der Schusslinie zu nehmen.
Die Menschen von Kobani drohen zwischen diesen Interessen zerrieben zu werden. Mit ihrem Angriff haben die IS-Milizen ihre Gegner erfolgreich paralysiert. Sollten sie die Stadt erobern, wäre das ein riesiger propagandistischer Erfolg. Aber auch für viele Kurden ist Kobani zum Symbol geworden. Sie fühlen sich verraten, und ihre Wut entlädt sich auch auf deutschen Straßen.
Die Bundesregierung muss deshalb erklären, warum sie zwar den Kurden im Nordirak Waffen liefern konnte, ihr jetzt aber die Hände gebunden sind. Das ist sie der Öffentlichkeit schuldig. Und sie muss ihre humanitäre Hilfe für die über eine Million syrischer Flüchtlinge, die in der Türkei gestrandet sind, verstärken. Denn da kann sie etwas tun.
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