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Kommentar Japan und SüdkoreaDeutschland ist kein Vorbild

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Die Geschichtsbewältigung zwischen Südkorea und Japan funktioniert nicht. Deutschland gilt dort als positives Beispiel — und das ist falsch.

Gemeinsames Grinsen am 21. März .2015: Japans Außenminister Fumio Kishida (l.) und sein südkoreanischer Amtskollege Yun Byung-Se. Foto: dpa

S üdkorea und Japan streiten seit Jahren über ihre gemeinsame Vergangenheit. Es ist für beide beschämend, dass sie sich nicht einigen können. Die Hauptverantwortlichen sitzen in Japan, wo Geschichtsrevisionisten in den höchsten Kreisen sitzen. Das führt dazu, dass Entschuldigungen von japanischer Seite nur als halbherzig wahrgenommen werden.

In den letzten Jahren ging der Streit vor allem um das Thema der Zwangsprostituierten, die von Japans Armee im Zweiten Weltkrieg versklavt worden waren. Südkorea spricht von 200.000 Frauen, während in Japan deren Zahl kleingeredet oder ihre Existenz bestritten wird. Jetzt hat sich der Streit auf das Thema Zwangsarbeiter ausgedehnt.

Den Versuch, Industrieanlagen zum Welterbe erklären zu lassen, ohne auf die Ausbeutung von Zwangsarbeitern hinzuweisen, sollte man Tokio nicht durchgehen lassen. Die historischen Standards der Unesco müssen höher sein als die selektive Wahrnehmung rechter Japaner. Dabei ist auch Korea etwa beim Umgang mit der eigenen Diktaturvergangenheit zu kritisieren, ganz abgesehen von den Geschichtsverfälschungen in China, das immer wieder versucht, Japan vorzuführen.

Koreaner und Chinesen verweisen gern auf Deutschland, das sie als Vorbild empfehlen. Deutschland hat bestimmt manches besser gemacht. Trotzdem taugt es nicht als Vorbild – und sollte sich aus Scham über die eigene Geschichte mit Belehrungen zurückhalten. Auch in der hiesigen historischen Aufarbeitung gibt es immer wieder Fehltritte.

Genannt seien nur die ausstehende Entschuldigung für den Völkermord an den Herero oder die Bezeichnung des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof wegen seiner Rolle bei der Luftbrücke als „Tempelhofer Freiheit“, was die Existenz des einstigen Konzentrationslagers dort ausblendet.

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Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
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11 Kommentare

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  • Wer aus Deutschland hat denn belehrt oder dafür Vorbereitungen getroffen?

  • Deutschland taugt nicht als Vorbild?

    Kurios, meiner Ansicht nach gibt es kein Land das sich seiner Vergangenheit so sehr bewusst ist und das sich so sehr um Aufarbeitung und Aufklärung bemüht hat und immer noch bemüht (also 70 Jahre später nach wie vor).

     

    Es mag eine Menge Dinge geben die ich in Deutschland nicht mag, aber die Geschichtsaufarbeitung gehört garantiert nicht dazu. Man vergleiche sie mit irgendeinem anderen Land und man wird sehen: wir stehen wahrlich nicht schlecht da. Vietnam? Stalin? Chinesisch-japanischer Konflikt? Frankreich und Algerien? Die Niederlande und die Kolonialherrschaften? Großbritannien und Indien/Pakistan? Türkei und die Armenier?

     

    Ich hab wirklich selten so einen Unfug gelesen wie diesen Kommentar, da scheint jemand überhaupt keine Bildung in Bezug auf die Situation in anderen Ländern zu haben. Ich persönlich würd mich ja informieren bevor ich einen Artikel verfasse und nicht erst im Anschluss aber hey, das mag nur meine Arbeitsweise und Denkweise sein :)

    • @Lofwyr Dunkelzahn:

      Vietnam? Sie meinen in diesem Fall wohl die USA.

       

      Im Übrigen scheint unsere vorbildliche Aufarbeitung nicht viel gebracht zu haben, wenn man an Nazional Befreite Zonen, Sarrazin, Pegida, NSU, brennende Flüchtlingsheime und an die generelle Rassistendichte in Volk wie Staat denkt.

       

      Der Schoß ist fruchtbar noch.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Dresden 1945. Der Luther vor der zerstörten Frauenkirche fiel vom Sockel, lag mit dem Gesicht in den Trümmer. Da hätte er bleiben sollen, als Sühne für seinen Antisemitismus, für seine Frauenfeindlichkeit und den Verrat an den Bauern.

         

        Sogar die DDR-Oberen hoben ihn wieder auf den Sockel. Und bald wird ihm gesamtdeutsch gehuldigt werden: "500 JAHRE REFORMATION". Auf einem Banner, weil verknüllt, sah das R fast wie ein D aus...

  • Wieso nicht direkt ein Artikel über deutsche Versäumnisse diesbezüglich, die es ja nun wirklich zu genüge gibt? Wäre m.E. angebrachter als mit Japan und Korea anzufangen, nur um dann von hinten durch die Brust ins Auge mit Deutschland (das - rein nach Absätzen - immerhin zu 40 % das eigentliche Thema ist) zu enden.

    • @sart:

      Wieso kein direkter Artikel über deutsche Versäumnisse? Ganz einfach: Taz-LeserInnen sind mehrheitlich aus der Schule raus. Sie wollen keine Zeigefinger mehr. Sie wollen, dass die Anderen noch dümmer sind als sie. Dann geben sie sich Mühe, ihren Vorsprung auszubauen. Wenn man sie direkt "anmacht", machen sie bloß "dicht".

  • Geschiche naja jeder dreht sie so hin, wie er sie braucht, Verbrecher werden zu Helden, Helden zu Verbrechern, jeder Nation hat eine Leichen im Keller, und wer ist nun derjenige, der sich zu seinen Verbrechen bekehrt gerade hat man Luxemnburg und seine jüdischen Mitbürger m Visir auch kein Ruhmesblatt!

    • @Georg Schmidt:

      Nun, die meisten Nationen haben halt ein paar Millionen Leichen weniger im Keller als wir.

  • Deutschland ist kein strahlendes Vorbild, aber immerhin gibt es hier Geschichtsbücher, die die europäische Geschichte der letzten Jahrhunderte doch immerhin so darstellen, dass man wichtige Fakten zu Opfern und Tätern aufnehmen kann. Ich sage nicht, dass sie neutral sind oder "die Wahrheit" enthalten. Aber immerhin doch einige wichtige Fakten.

     

    Im Unterschied zu Japan, in dem so fast jede Täterschaft grundweg geleugnet wird. Ich bin zwar kein Fan der deutschen Gedenktag-Betroffenheits-Kranzkultur, aber im Vergleich zu Japan ist Deutschland auf jeden Fall ein brauchbares Vorbild für die ersten, wichtigen Schritte, die seit Jahrzehnten überfällig sind.

    • @Wu:

      Einspruch, Euer Ehren!

       

      Deutschland taugt nicht als Vorbild, da bin ich ganz einverstanden mit Sven Hansen. Allerdings nur deshalb nicht, weil Vorbilder für Erwachsene grundsätzlich Blödsinn sind. Genau so sehr, wie eine "kollektive Scham".

       

      Deutschland kann sich gar nicht schämen. Es ist kein Mensch und hat schon deshalb kein Gewissen, weil ihm das nötige Bewusstsein fehlt. Gewissen haben Individuen. Und zwar nur solche, die etwas kapieren. Vorbilder hinterfragt man nicht. Sie werden schlicht kopiert. Woher da ein Bewusstsein kommen soll oder gar so etwas wie ein Gewissen, muss man mir erst erklären. Am besten nicht auf koreanisch, japanisch oder gar chinesisch. Die Sprachen, nämlich, hab ich nie gelernt.

      • @mowgli:

        Ich glaube die Soziologen nennen das Kollektivbewusstsein, Kollektivgewissen bzw. kollektive Schuld...

         

        Man kann natürlich der Meinung sein das sei "Blödsinn", beginnt dann aber eine Disskussion mit Sozialwissenschaftlern, die solche "Konzepte" durchaus als realitätsgerecht und hilfreich zur Beschreibung der Wirklichkeit betrachten...