Kommentar Jagd auf Frauen in Kiel: Wir haben ein Problem
Zu sexuellen Übergriffen kam es im Kieler Einkaufszentrum zwar nicht, über falsche Frauenbilder muss dennoch gesprochen werden.
M änner machen in einem Einkaufszentrum Jagd auf Frauen, fotografieren sie, bedrängen sie, ihre Gruppe wird immer größer. Ein Albtraum. Doch die Situation im Einkaufszentrum Sophienhof in Kiel war, soweit man bisher weiß, nicht vergleichbar mit der in Köln in der Silvesternacht. Es gab wohl keine sexuelle Gewalt. Nur liest man solche Vorfälle inzwischen auf der Folie von Köln: Wer weiß, was noch hätte kommen können, als die Übermacht von Männern Frauen massiv belästigte? Macht Köln vielleicht sogar Schule?
Es fällt schwer, angesichts der nichtdeutschen Herkunft der Männer nicht in die alten Ängste vor dem dunklen Mann zu verfallen, der die weißen Frauen entehrt. Eine Angst, die quasi schon bereitliegt, weil die Zahl der Flüchtenden so beunruhigend groß ist. Überwältigungsfantasien stellen sich ein. Wenn man ihnen folgt, landet man in Blochers Schweiz, wo die geringste Straftat für eine zwingende Ausweisung der Geflüchteten ausreichen sollte.
Wer sich einen Rechtsstaat immer anders vorgestellt hat, kann aber auch nicht ins reine Relativieren verfallen. So richtig es ist, auf die Ausweitung von sexueller Belästigung auch in der Mehrheitsgesellschaft hinzuweisen – es gibt offenbar Einwanderer mit einem größeren Problem.
Sind sexuelle Übergriffe der Normalfall? Wir baten unsere KollegInnen, von ihrem Heimweg zu berichten – und erhielten sehr viele Antworten.
Wir rufen Sie dazu auf, uns Ihre Geschichte zu erzählen, falls Sie Ähnliches erlebt haben. Schreiben Sie an: heimweg@taz.de. Die zuständigen Redakteurinnen Waltraud Schwab und Steffi Unsleber behandeln Ihre Mails vertraulich. Auf dem taz-blog Der Heimweg veröffentlichen wir die Berichte. Natürlich nur, wenn Sie der Veröffentlichung zustimmen.
Es liegt ein Weltbild vor, in dem Frauen nur als Sexualobjekte ohne eigenen Willen vorkommen. Die alte muslimische Sexualunterdrückung samt Unterordnung der Frau und Geschlechtertrennung lässt grüßen. In der Mehrheitsgesellschaft ist dieser sexistische Blick natürlich ebenso vorhanden, nur eben sehr viel verstellter und verborgener.
An diesem Frauenbild muss gearbeitet werden, und zwar kräftig. Von allen. Und es gibt eine Gruppe, die besonders viel Einfluss auf die Zugewanderten hätte: Wir würden einen Riesenschritt geschafft haben, wenn die deutschen muslimischen Verbände anfingen, mit den Neuankömmlingen über echte Gleichberechtigung von Frauen zu sprechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe