piwik no script img

Kommentar Israels Premier vor GerichtNetanjahus Scherbenhaufen

Kommentar von Susanne Knaul

13 Jahre lang regierte Benjamin Netanjahu Israel. Nun neigt sich seine Ära dem Ende zu. Er hinterlässt einen Scherbenhaufen.

Und nun? Benjamin Netanjahu steht vor einer Anklage Foto: ap

D ie Ära Benjamin Netanjahu nähert sich ihrem Ende. Auf kurz oder lang wird Israels Regierungschef vor Gericht gestellt werden. Selbst wenn er die Parlamentswahlen Anfang April noch für sich entscheidet, wird es ihm kaum noch gelingen, eine regierungsfähige Koalition aufzustellen.

13 Jahre regierte Benjamin Netanjahu Israel. In Sachen Korruption war er vermutlich kein größerer Verbrecher als einer seiner Amtsvorgänger. Ehud Olmert musste lange vor ihm ins Gefängnis, weil ihn die Macht und die Gier korrupt werden ließ. Netanjahus weit größeres Verbrechen, für das ihn kein Richter zur Verantwortung zieht, ist das stete Untergraben grundlegender Werte einer Demokratie. Netanjahu hinterlässt einen Scherbenhaufen.

Dass die freie Meinungsäußerung ausgerechnet im Staat der Juden, dem Volk, das wie kein anderes für eine lebhafte Streitkultur steht, in Frage gestellt wird, geht auf das Konto seiner Koalition. Netanjahu möchte die Meinung Andersdenkender nicht hören. Kritiker der Besatzung und seiner rechten Regierung werden geschmäht und mit immer neuen Gesetzen in die Enge getrieben.

Das Prinzip der Gleichberechtigung wurde mit dem Nationalstaatsgesetz zur Farce. Netanjahus Regierung trieb einen neuen Keil zwischen Juden und Araber, indem er die Juden einmal mehr und diesmal ganz unverhüllt über die Minderheit stellte. Seine Regierung nagte an einem Grundpfeiler des Rechtsstaates, der Gewaltenteilung, als sie per Gesetz dem Obersten Gerichtshof die Autorität nehmen wollte, Gesetze für verfassungswidrig zu erklären.

Mit dem einen Ziel, seine Macht zu erhalten und den guten Ruf seiner Familie, die nicht weniger korrupt zu sein scheint, als er selbst, zog Netanjahu gegen die Medien und die Polizei ins Feld. Netanjahu habe „den Ruf des öffentlichen Dienstes und dem Vertrauen der Bevölkerung verletzt“, schreibt Israels Oberstaatsanwalt Avihai Mandelblit. Aus Eigeninteresse und zum Wohl seiner Familie habe er sein Amt missbraucht und Mitarbeiter korrumpiert. 13 Jahre regierte Netanjahu Israel. 13 Jahre zuviel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Ja, er war ein zwiespältiger Regierungschef: Politisch extrem rechts, aber den Haarscheitel extrem links.

  • Fundamentalismus jeder "Couleur" halte ich für unangemessen – und führt Staat und Mensch m. E. in Selbstzerstörung. Ich bin gespannt auf ein mögliches Urteil.

  • 8G
    83421 (Profil gelöscht)

    Wie fuer jeden gilt auch hier die Unschuldsvermutung bis zur endgueltigen Verurteilung!

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @83421 (Profil gelöscht):

      Vielleicht könnte Meister Trump hier einschreiten: 'Netanjahu habe nur die Wünsche seiner Wähler bedient, wie Trump selbst ja auch. Und außerdem habe sich Netanjahu mehrfach positiv über Trump und die USA geäußert'.

    • @83421 (Profil gelöscht):

      Aufgepasst.

      Eine Zeitung ist kein Gericht und die Aussagen sind hier ausreichend allgemein gehalten.

      Das ist völlig o.k.

      Die Aussage "Netanjahu ist korrupt" muss nicht vorher gerichtlich bestätigt sein.

  • Politische Wahlverwandtschaften

    Aus welchem politischem Holz der Likud Netanjahus geschnitzt ist, kann man aus seinem jüngsten Manöver ersehen, dem Wahlbündnis mit der Partei Otzma Yehudit. Sie ist ein Abkömmling der (in Israel gleichwohl verbotenem) theokratischen Kach-Partei. Sie steht in der programmatischen Tradition der dereinst von Rabbi Meir Kahane („ein jüdischer Nazi“ - SPON) gegründeten Jewish Defense League, einer rassistischen, religiös-fundamentalistischen, ultra-nationalistischen vulgo rechtsextremen Bewegung. Zu deren ideologischen Essentials gehören u. a. die Vorstellung einer gottgewollten Superiorität des auserwählten jüdischen Volkes vor allen anderen, das Verbot sexueller Vermischung von Juden und Nicht-Juden, die Expansion Israels auf das gesamte historische „Heilige Land“ und ethnische Vertreibung alle Nicht-Juden aus diesem Gebiet, die Ablehnung des westlichen Liberalismus und der Demokratie als „unjüdisch“, „gottlos“ und „hellenistisch“ usw.

    Da ist es kein Wunder, daß Netanjahu unter den Autokraten, Rechts-Extremen und Islam-Hassern aller Länder viele Fans hat wie etwa Beatrix von Storch, Geert Wilders, Daniel Pipes, Matteo Salvini, Viktor Orban, Heinz Strache, Philip Dewinter et all. Die europäische Rechte sieht schon seit langem Israel als als Gegen-Mekka, als Bollwerk gegen den Islamismus. (vgl. u. a. Tagesspiegel v. 01. 02. 2019, NZZ v. 18.12.2018 „Die Zeit“ v. 16. 12. 2010)

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Reinhardt Gutsche:

      Sie kritisieren sowohl israelische Parteien als auch Netanjahu und europäische Politiker mit Ihren fundierten Kenntnissen. Ist das überhaupt erlaubt?