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Kommentar Israel und GazaDie Hamas als kleineres Übel

Kommentar von Susanne Knaul

Zwingt Israel die Hamas in die Knie, werden noch radikalere Islamisten in die Bresche springen. Bislang verhält sich Netanjahu vernünftig.

Israels Raketen schlagen in Gaza ein. Ein palästinensischer Junge am 9. Juli 2014. Bild: Reuters

M it den Dutzenden Raketen, die die Hamas in den vergangenen Stunden bis nach Tel Aviv und Jerusalem abschoss, rollt sie für die zigtausend israelischen Soldaten, die vor den Toren Gazas auf das Kommando zum Angriff warten, einen roten Teppich aus. Die palästinensischen Islamisten hatten eine Chance, die Eskalation abzuwehren, wären sie nur auf das faire Angebot Israels eingegangen, Ruhe mit Ruhe zu beantworten. Sie wollten es nicht.

Über die Motive der Hamas, gerade jetzt erneut die Konfrontation anzuheizen, lässt sich spekulieren. Vielleicht ist es die Solidarität mit den Kampfgenossen im Westjordanland, die Israel jüngst zu Hunderten hinter Gitter schickte oder die Frustration über die marode Wirtschaftslage im Gazastreifen. Vielleicht will sich die Hamas auch gegen die wachsende Opposition noch radikalerer Kräfte behaupten. Einen Grund, Israel anzugreifen, findet man in Gaza immer. Dass der eigenen Bevölkerung dabei ein grausamer Blutzoll abverlangt wird, nehmen die Islamisten in Kauf.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist viel vorzuwerfen, seine kurzsichtige Siedlungspolitik steht ganz oben auf einer langen Liste. Ein Kriegstreiber ist Netanjahu jedoch nicht. Alle seine Vorgänger, inklusive Schimon Peres, Israels scheidender Präsident und Friedensnobelpreisträger, waren schneller bereit, die Armee in den Einsatz zu kommandieren, als der heutige Regierungschef.

Das massive Truppenaufgebot von 40.000 Reservisten, die sich zum Kampf in Gaza bereitmachen, muss nicht heißen, dass es tatsächlich zum Einsatz kommt. Auch vor zwei Jahren warteten tausende Soldaten gut eine Woche lang in der Grenzregion zum palästinensischen Küstenstreifen und zogen dann wieder ab.

Netanjahu steht unter dem Druck der Israelis, die sich wünschen, er möge das leidige Problem der Raketen ein für allemal aus der Welt schaffen. Das ist zwar verständlich, bleibt aber eine Illusion. Niemand sollte glauben, dass moderatere Kräfte das Vakuum füllen werden, sollte es Israel tatsächlich gelingen, die Hamas in die Knie zu zwingen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Hamas ist das kleinere Übel.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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16 Kommentare

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  • DASS IHR EUCH NICHT SCHÄMT - Medien sowohl als Mitschreiberlinge und Medien - ewig und immer auch noch Dreck (in Form von Beleidigungen) auf das geschundene Volk der Palästinenser zu schmeißen - das schon Jahrzehnte dieser ungeheuerlichen Situation ausgesetzt ist, das ist schon bemerkenswert....

     

    Nur mal so - ein Gedankenspiel - speziell an DERDIEDAS + HANSFRANZ: Würde dagegen das Volk Israel eingesperrt sein im Gazastreifen/ Westjordanland

    vom übermächtigen, bestens ausgerüsteten Gegner außerhalb der Mauern und Zäune gegängelt, geknechtet und gezwungen, würde- und perspektivlos zu leben.....

    .......Israelis würden das bestimmt klaglos hinnehmen, sich zahm verhalten und keine Hamas bilden, rein gaar nichts unternehmen, keine Rebellion, keine Befreiungsversuche, keine Raketen und keine Gewaltakte - pffffthz!

     

    Wann wird endlich damit aufgehört Israel die Füsse zu küssen - indem man zu seinen Gunsten Tatsachen verdreht ????????

  • D.J. Israel meint das meint das und meint genau genau genau das Gleiche,

    und an Frieden ist es auch nur zum Schein interessiert.

    Israel will, daß die Palästinenser verschwinden, am effektivsten per schleichendem Genozid. Daß Israel hochgerüstet ist bis an die Zähne, wissen wir alle. Daß Israel aktuell wieder FAKTEN schafft so wie vor 3,4 Jahren, auch, indem es Blut vergießt, ausschließlich aber palästinensisches.

    An ANTARES + DANTE ALIGHIERI: Auch ich gehöre zu den vielen, den meisten Menschen auf der Welt, die das teuflische Treiben ganz genauso sehen und das Unrecht, das Palästinensern angetan wird, aufs heftigste verurteilen.

     

    Raketen auf israel. Städte:

    Ooch Frau Knaul, Entschuldigung, aber die allerärmsten Opfer sollen also I s r a e l i s sein? Auch Sie scheinen offenbar ins selbe Horn zu stoßen.

    Nennt man sowas nicht "bewußte Verdrehung der Tatsachen"?

  • D
    D.J.

    Liebe Frau Knaul. ich denke, wer sich mit nahöstlicher Politik befasst, sollte - leider - sich auch mit schariatischem Kriegsrecht auseinandersetzen. Das nämlich ist die Norm für die Hamas. Einen dauerhaften Frieden mit dem "Haus des Krieges" (dar al-harb) könne es demnach nicht geben, sondern nur zeitlich begrenzte Waffenstillstände. Dass es noch radikalere gibt, die auch das ablehnen, ändert daran nichts. Wie ich schon zu einem parallelen Artikel schrieb: Spätestens das 20. Jh. lehrt, dass Vernichtungsandrohungen fast immer wahr gemacht werden, wenn die Machtgrundlagen dafür da sind. Wenn die Hamas sagt, sie will, dass Israel verschwindet, meint sie das, meint sie das, meint sie das.

  • Die Hamas und Israel. Während sich Israel ja immerhin noch bemüht Hamas-Aktivisten zu treffen, schießt die Hamas ja wahllos auf Zivilisten.

     

    Wer möchte denn eigentlich den Beschuss durch Waffenstillstand beenden? Die Hamas oder Israel?

  • Ein Arikel, der sehr gut den ganzen Wahnsinn zeigt. Viele Menschen, auf beiden Seiten, wünschen und sehnen sich den Frieden herbei. Entsprechende Gruppen und Initiativen gibt es, allerdings mit zu wenig Einfluß. Die Fanatiker haben, auf beiden Seiten, meistens die Oberhand. Und es wird natürlich prächtig von außen daran verdient, in dem beide Seiten permanent mit Mordwerkzeug ausgerüstet werden. Die Leserkommentare zu diesem Artikel beschreiben deutlich die Zustände auf beiden Seiten. Für mich bleibt, nachdem ich einige Jahre im arabischen Raum als auch in Palästina/Israel gelebt habe, nur eine Erkenntnis. Es wird keinen Frieden geben können, solange Religion, auf beiden Seiten, besonders aber auf der palästinensischen, Mittel und Grundlage der Politik ist. Religion als Politik führte, egal zu welchen Zeiten, früher oder später immer zu Gewalt und Krieg. Die Religion des Islam kennt, in letzter Konsequenz, nicht die säluklare, freiheitliche Republik, sondern alleine den Gottesstaat, der alle Lebensbereiche totalitär beherrscht. Für Individualität und anderes Denken, Fühlen, Glauben und Handeln gibt es keinen oder nur sehr gerinegn Platz. Die Welt und ihre Bewohner werden vom Islam in wert (gläubig) und unwert (ungläubig) eingeteilt. Ganz so schlimm ist es mit dem Judentum nun nicht bestellt. Jedoch gibt es auch da einen ganz groben Fehler: Das war die Gründung des Staates Israel und die Vertreibung der Palästinenser. Das Judentum, und ich schreibe diese Zeilen als ein nach innen gläubiger, nach außen säkularer Jude, ist ein Glauben, eine Geisteshaltung. So, wie der Buddhismus, das Christentum, und auch der Islam. Aber es berechtigt in keiner Weise, ebensowenig wie für die anderen Religionen, zur staatlichen Autorität.

    • @Erhard Koch:

      das ist ja mal ein satz, der gerahmt gehört:

      "Jedoch gibt es auch da einen ganz groben Fehler: Das war die Gründung des Staates Israel und die Vertreibung der Palästinenser."

      Moshe Zuckermann hält dem entgegen, sinngemäß, die gründung Israels sei historisch notwendig gewesen.

       

      ab da könnte man nun freundlich weiterdiskutieren.

      • @christine rölke-sommer:

        Nun, nicht nur der Herr Zuckemann sah das positiv. Es gibt auch gar nicht so wenige, die es so sehen wie ich (nämlich negativ). Klar, die Gedanken waren, nach alledem, was war, auch nicht aus dem Leeren gegriffen. Nur kann ich doch nicht einfach sagen, so jetzt komme ich, der ich mich dem Elend hingab, ohne mich zu wehren und alle anderen haben zu kuschen. Und diejenigen die nicht kuschten, wurden, teils mit größtmöglichster Gewalt, auch Mord und Totschlag aus dem ihnen vertrauten Land gejagt. Mit der Begründung, das sei, vor ein paartausend Jahren mal, das meinige gewesen. Das ist schließlich reinstes Blut- und Bodendenken. Das kennen wir doch woher, oder?

  • Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben: Diesmal ein halbwegs akzeptabler Kommentar! Beginn eines Trends?

  • "Bislang verhält sich Netanjahu vernünftig."

    Wenn sie über 60 Jahre Terror der Israelis gegen die Palästinenser für Vernünftig halten, dann kann man ihnen Recht geben. Ich sehe das allerdings anders - und die meisten Menschen auf unserer Welt auch.

    • @antares56:

      "Terror der Israelis"? - Verbreitung von Angst und Schrecken durch die Israelis zur Erreichung von bestimmten Zielen und Zwecken?

      Natürlich wurde militärische Gewalt angewendet und über deren Sinn und Zweck ließe sich diskutieren. Aber dass bewusst die palästinensische Bevölkerung durch "die Israelis" in Angst und Schrecken versetzt wurde ... und das 60 Jahre lang, ist wohl eher Propaganda.

  • Frau Knaul.

    Sie beschreiben ihren Artikel so als hätte dieser Konflikt mit dem Raketenbeschuss der Palistinenser angefangen. Sicherlich haben sie vergessen das die Palistinenser hinter einer Mauer leben, sich zufrieden geben müssen mit den Almosen der Israelis, die die Wasserverteilung nicht in dem Sinne der Palistinenser teilen.

    Vieleicht haben sie auch vergessen das hunderte Checkpoints aus Palestina einen schweizer Käse gemacht haben und Siedlungen agressiv weiter gebaut werden. Das Palis von radikalen verprügelt werden, Mädchen angefahren werden, Jugendliche mit Kopfschüssen hingerichtet werden (durch Scharfschützen) und vieles mehr. Wer kann eigentlich da hinter Israel stehen? Die Welt ist eine Saubrühe und die Medien, allenvoran das deutsche Fernsehen, sind nur Marketingkampangen gegen die Menschheit.

    • @Dante alighieri:

      Und das ist jetzt die legitime Begründung dafür, Raketen auf Städte zu schießen?

      • @DerDieDas:

        Wer schießt die Tonnenschweren Raketen denn auf Städte? Leben wir in verschiednen Welten?