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Kommentar Islamunterricht an SchulenFür 2019 inakzeptabel

Bayern will Islamunterricht gar nicht mehr anbieten. Anderswo ist unklar, wie. Für die Gleichstellung der Religionen wäre er selbstverständlich.

Zu wenige muslimische Kinder kommen in den Genuss eines eigenständigen Religionsunterrichts Foto: imago/Michael Schick

Der Islamunterricht an deutschen Schulen steckt leider immer noch in den Kinderschuhen. Zwar ist in den vergangenen Jahren die Zahl der staatlich ausgebildeten islamischen ReligionslehrerInnen ebenso gestiegen wie die der beteiligten Schulen. Doch selbst im Pionierland Hessen, das als erstes Bundesland zwei islamische Verbände als Religionsvertreter anerkannt hat, kommen derzeit gerade mal 3.000 von 770.000 SchülerInnen in die Gunst eines islamischen Religionsunterrichts. Das sind 0,4 Prozent. Und selbst deren Unterricht ist gefährdet, weil das hessische Kultusministerium nun erkennen musste, dass einer seiner Partner – der vom türkischen Staat gelenkte Moscheenverband Ditib – weder hinreichend unabhängig noch zuverlässig ist.

Was das hessische Kultusministerium gerade an Enttäuschungen durchmacht, ist bezeichnend für die Bemühungen um einen – dringend nötigen – flächendeckenden und regulären Islamunterricht in Deutschland. Und das liegt keineswegs allein an den islamischen Verbänden.

In mehreren Bundesländern endet im Juli eine Modellphase zu islamischen Religionsunterricht. Und teilweise, wie in Nordrhein-Westfalen, weiß man immer noch nicht, wie es konkret weitergehen soll. In Bayern hat sich die CSU-geführte Landesregierung noch nicht einmal dazu durchgerungen, den Islamunterricht im Herbst an den Schulen überhaupt weiterzuführen. Und das, obwohl Schulen und WissenschaftlerInnen nur lobende Worte für den Islamunterricht nach bayerischem Lehrplan finden.

Da geistert womöglich immer noch der politische Irrglaube der letzte Landtagswahl herum, man dürfe beim Thema Islam der AfD keine Angriffsfläche bieten. Und selbst wenn Bayern grünes Licht für die Fortführung des Islamunterrichts gibt, dann nicht als eigenes Fach, sondern als eine bloße Variante zu Ethik.

Es geht um die Gleichstellung der Religionen

In anderen Bundesländern ist man da weiter. In Hessen und Niedersachsen ist islamischer Religionsunterricht bereits seit fünf Jahren ordentliches Schulfach. Und anders als in Bayern arbeiten die Kultusministerien in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland bei ihren Modellprojekten auch eng mit islamischen Verbänden zusammen. Das ist mühsam, wie man in Hessen sieht, aber ein wichtiger Schritt für einen Islamunterricht, der nicht nur unter staatlicher Aufsicht steht, sondern auch die Interessen der Muslime berücksichtigt.

Dabei geht es nicht allein um die Anerkennung muslimischer Kultur in Deutschland, sondern auch um eine Gleichstellung der Religionen: Bisher muss noch ein Großteil der muslimischen SchülerInnen auf Islamunterricht verzichten. Für das Jahr 2019 ist das aber inakzeptabel.

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5 Kommentare

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  • Ich würde jeglichen Religionsunterricht gerne durch das Fach "Ethik und Moral" ersetzt sehen, in dem dann viele/fast alle Religionen, beispielsweise Shintoismus, ihren Platz finden könnten.

    Das würde meiner Meinung nach vielleicht auch den Absolutheitsanspruch einzelner Religionen und das Beharren auf "mein Gott ist aber der tollste" etwas relativieren.

  • Einspruch!

    Der Staat sollte überhaupt keinen konfessionellen Religionsunterricht abhalten. Je weniger davon in den Schulen, desto besser. Statt dessen lieber mehr Kunst, Musik, Programmieren und Sport.

    Wer sich für Religion interessiert, sollte das für sich selbst entdecken. Man kann die Grundzüge auch in anderen Fächern vermitteln - Philosophie, Erdkunde, Sachkunde, usw. Das muß reichen. Der Staat ist weder eine Bibel- noch eine Koranschule.

    Ich bin mit 13 auf eigenen Wunsch aus dem christlichen Religionsunterricht ausgeschieden, weil mir das schlichtweg zu blöd war. Als ich ein paar Jahre in Hessen zur Schule ging, war ich (in SH geboren) das einzige Kind, das beim Vaterunser den Text nicht kannte. Und es leuchtete mir auch nicht ein, warum ich das kennen sollte. Ich kam mir vor wie in einer Sekte.

    Es ist nicht Aufgabe des Staates, Kinder in Religionsgemeinschaften einzuführen. Ich bin für die völlige Trennung von Staat und Religion.

    Lieber weniger als mehr Religionsunterricht. Es laufen schon genug Verrückte durch die Gegend.

    • @kditd:

      Solltest lieber das Grundgesetz nochmal durchlesen... Vor allem die Spalte mit dem "entwicklung des menschen... Und sein glaube... Filosofie... Etc". Es ist ok wenn man religionsunterricht bekommt.. Man redet schliesslich nicht nur über die religion selber, sondern auch die geschichte davon etc.. Mehr als ein islamist würde somit die lügen von den islamisten erkennen wenn er weiss woher und wie seine religion in Wirklichkeit ist, und nicht den müll die einige Mullahs aus hass verbreiten. Das selbe gilt der Katholischen Religion. Und für Atheistische Eltern sollten sie Ethik als Fach haben, damit auch dort, ihre Kinder lernen, was freiheit ist, und die spirituelle entwicklung jedes menschen. Damit wir weniger materiell werden und mehr menschlicher.



      In Spaniem hat man religion oder ethik zu wählen. Falls man religion wählt gibt es drei orientierungen, christianismus islam und judaismus.

      • @Tino Trivino:

        @TINO TRIVINO: Wer lesen kann stellt schnell fest, dass das Grundgesetz weder Spalten hat, noch von der "Entwicklung des Menschen" und seines Glaubens handelt.

        Art 4 GG gewährleistet die "Freiheit des Glaubens" und der Religionsausübung. Art 7 erklärt dann allerdings - in einem gewissen Widerspruch zu dieser "Freiheit" - den Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen zum ordentlichen Lehrfach. Wohl ein Zugeständnis an die Macht der Kirchen.

  • Super Beitrag, der sich auf die Sache konzentriert und ausgewogen kritisch verhält.