Kommentar Integrationsgipfel: Alles nur Show

Beim neunten Integrationsgipfel wurde wie immer die Leier vom defizitären Migranten abgespielt. Was der Staat leisten müsste, blieb ausgeblendet.

Merkel vor mehreren Kindern in Feuerwehr-Klamotten. Sie hält einen Löschschlauch

Beim Thema Integration scheint die Bundesregierung eher auf dem Schlauch zu stehen: Merkel zu Besuch bei der Jugendfeuerwehr in Berlin-Wedding Foto: dpa

Ein bisschen Lob, tolle Fotos mit der Bundeskanzlerin und keine Chance für die wichtigsten Forderungen der Migrantenverbände: Das bleibt vom neunten Integrationsgipfel, der am Montagabend im Kanzleramt zu Ende ging.

Eine Einstellungsquote im öffentlichen Dienst? Lieber nicht. Ein Passus, der Deutschland im Grundgesetz als Einwanderungsland bezeichnet? Geht ein bisschen zu weit. Ein besserer gesetzlicher Schutz vor Diskriminierung? Überflüssig.

Beim Integrationsgipfel, der seit 2006 Migrantenverbände mit der Bundesregierung zusammen bringt, sind die Rollen ähnlich verteilt wie bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Auf der einen Seite die Bittsteller, die einfach gern dabei sein wollen. Auf der anderen Seite die Bremser, die Dinge in Aussicht stellen – dann aber lieber von Hürden und Defiziten sprechen.

Eine Einstellungsquote im öffentlichen Dienst? Lieber nicht. Ein Passus, der Deutschland im Grundgesetz als Einwanderungsland bezeichnet? Geht ein bisschen zu weit

So lobte Angela Merkel die Weddinger Jugendfeuerwehr als Paradebeispiel für gelungene Integration – das Motto dieses Jahr ist Teilhabe – , betonte aber gleichzeitig, welche Leistung die zu Integrierenden bringen müssten: das Erlernen der deutschen Sprache und die Achtung des Wertesystems. Wer mehr erwartet hatte angesichts der derzeit offen gelebten Fremdenfeindlichkeit in vielen Teilen des Landes, wurde enttäuscht. Merkel warb in ihrer Rede zwar dafür, für ein „offenes Deutschland einzutreten“. Dabei dachte sie jedoch weniger an Rassisten in Heidenau oder Bautzen, sondern an Donald Trump.

Es ist die gleiche Leier vom defizitären Migranten. Beim ersten Integrationsgipfel 2006 wollte die Union lieber über Sanktionen für verweigerte Integration sprechen als über die Frage, wie sie gelingen kann. Im Jahr darauf stellte das reformierte, in den Augen einiger Verbände diskriminierende, Zuwanderungsgesetz das Treffen komplett in den Schatten. Und vergangenes Jahr gerieten die Alteingesessenen vor lauter neuen „Problemmigranten“ fast in Vergessenheit. Die Regierung reagierte: Integrationsfähigkeit ist nun von der Bleibeperspektive abhängig.

Dass auch die Bundesregierung ihren Teil zur Integration beitragen muss, hört man, wenn überhaupt, nur ganz leise. „Die Bundesrepublik Deutschland fördert die gleichberechtigte Teilhabe, Chancengerechtigkeit und Integration aller Menschen.“ So könnte es im Grundgesetz stehen. Viel wahrscheinlicher ist aber ein neues Zuwanderungsgesetz. Es soll den Fachkräftemangel im Land beheben – mit Migranten erster Klasse. Für sie wird die Regierung gerne aktiv.

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Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.

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